Gegenüber wächst ein Schatten in der Dunkelheit der Hauswand empor und wird zu einem Cowboy, der ins Licht tritt und ein Gewehr unter dem Arm hat.
Bill dirigiert Dale die beiden Stufen zur Fahrbahn hinunter und geht mit ihm nach rechts. Ihre Schritte knirschen im Sand.
Um den Saloon herum kommt ein weiterer Cowboy, der ebenfalls ein Gewehr trägt.
Bill zieht Dale immer weiter. Noch ungefähr einhundert Meter trennen sie von dem Zug, der aus der Lok, dem Tender und zwei Wagen besteht. Ein paar Männer sind dort zu sehen.
Die Angeln der Schwingtür kreischen hinter ihnen. Bill spürt, wie sich seine Muskeln noch mehr anspannen.
„Jackson, du bringst ihn niemals in den Zug!", schreit der Rancher.
Bill ist stehengeblieben. Er wendet sich halb um und kann Big John an der Gehsteigkante sehen.
„Niemals, hörst du! Wenn ich keine Hoffnung mehr habe, werde ich schießen!"
„Nein, Dad!", kreischte Dale.
Bill muss den Abzug lockerlassen. Beinahe hätte er jetzt gegen seinen Willen abgedrückt.
Big John kommt auf die Straße herunter. Nun drängen auch seine Reiter aus dem Saloon und bilden auf der Fahrbahn eine breite Kette.
„Niemals!", schreit Hassel wieder. „Weil es nicht sein darf, dass ein Hassel vor ein Gericht gestellt wird!"
Bill hört den festen Willen aus den Worten des Ranchers genau heraus. Hat er sich wirklich verrechnet, als er darauf baute, dass Big John in der Zeit bis zu der Verhandlung gegen seinen Sohn noch eine Chance sah? Wird er unter allen Umständen vermeiden wollen, dass Dale nach Cheyenne gebracht wird? Vielleicht fürchtet er sich davor, dass alle Welt erfahren könnte, was sein Sohn verbrochen hat. Aber sicher wird das auch so bekannt werden.
„Niemals!", schreit der Rancher wieder.
Bill sieht die blinkenden Waffen der Cowboys. Er kann nun nicht mehr zurück. Es gibt keinen anderen Weg. Er wendet sich nach vorn und zieht Dale weiter.
*
Der Zug ist zum Greifen nahe! Die fragenden Gesichter der Reisenden schauen Jackson neugierig aus den Fenstern entgegen. Der Boden steigt zur Rampe hin etwas an. Ein Stein rollt unter Bills Stiefel weg, und er ruckt etwas zur Seite.
Da reißt Dale sein Kinn vom Lauf der Winchester und wirft sich mit seiner ganzen Kraft gegen ihn. Bill wird zur Seite gedrängt.
Dale dreht die Hände, als wollte er Bill das Gelenk zwischen den Fesseln zerbrechen.
Da kracht ein Schuss.
Die Kugel streift Bill über den Rücken. Der zweite Schuss donnert auf. Jacksons Hut fliegt hoch und wird gegen den Wagen geschleudert.
Die Reisenden verschwinden kreischend von den Fenstern und gehen im Wagen in Deckung.
Dale wirft sich wieder schreiend gegen Bill. Der kann das Gewehr nicht festhalten. Es klappert auf den sandigen Boden. Dale tritt darauf und strauchelt. Er kommt zu Fall und reißt Bill mit sich.
Ein halbes Dutzend Kugeln weht über sie hinweg. Bill kann sich drehen und schießt aus dem Colt. Ein Cowboy prallt getroffen zurück, fällt gegen einen anderen und wird zurückgestoßen. Staub wallt auf, als der Mann zu Boden schlägt.
„Dad, nicht!", brüllt Dale keuchend.
Kugeln fahren ratschend ins Holz des Wagens hinter Bill.
Sein Arm hebt sich und zuckt im Rückstoß der Waffe. Er ist jetzt wieder eiskalt. Er liegt halb hinter Dale. Es ist Zufall, dass sie so liegen. Überall sprühen die Mündungsblitze auf. Etwas streift über Bills Schulterspitze. Er sieht wieder einen Mann fallen und drückt noch einmal ab. Da schlägt der Hammer auf eine abgebrochene Hülse.
Bill wird bleich. So wie er sich an Dale gefesselt hat, gibt es für ihn keine Möglichkeit, die Waffe zu laden. Er lässt sie fallen und greift nach dem Gewehr. Er feuert auf einen heranstürmenden Cowboy, dessen Lauf jäh gestoppt wird.
Der Mann richtet sich bolzengerade auf und fällt aufs Gesicht.
Andere rennen in Deckung.
Bill hebt die Hand mit dem Gewehr und wirft den Lauf mit einer schlenkernden Bewegung nach unten. Eine Messinghülse springt aus dem Repetierverschluss. Noch eine schlenkernde Bewegung, und der Verschluss rastet wieder ein.
„Vorwärts!", hört er Big John von irgendwo vor sich schreien. „Vorwärts, zum Teufel!"
Huschende Gestalten gleiten an den Schuppenwänden entlang.
Plötzlich taucht Big John selbst auf. Breit, groß und klotzig kommt er heran, den rauchenden Colt in der Hand.
„Wo steckt ihr feigen Halunken?", bellt er. Dabei kommt er immer näher.
Bill richtet sich soweit auf, wie das seine Lage zulässt. Er hebt das Gewehr.
Da macht Dale eine heftige Bewegung mit den Händen und reißt Bill nach unten.
Feuer und Blei kommen aus Big Johns großem Revolver und gehen über Jackson hinweg. Bill hat zu tun, einen Tritt Dales abzuwehren.
„Schnell, Dad!", hört er den Burschen schreien. Die Schritte nähern sich.
Bills linker Arm ist nach unten gepresst. Er dreht sich auf den Rücken und sieht die Sterne am Himmel. Da sind die Schritte ganz nahe, und plötzlich sieht er die Sterne nicht mehr, weil Big Johns Gesicht davor erscheint. Und vor dem Gesicht der Revolver, dessen schwarze gähnende Mündung auf Jackson zeigt.
Bill dreht sich mit einer verzweifelten Bewegung. Er sieht den Feuerstrahl und hört die Kugel dicht neben seinem Kopf auf den Boden klatschen. Sand spritzt ihm ins Gesicht.
Der Kopf des Ranchers ist immer noch da. Bill dreht sich noch einmal und bringt das Gewehr damit in die Höhe. Es entlädt sich mit einem fürchterlichen Knall.
Ein gellender, verzweifelter Schrei. Plötzlich ist das Gesicht verschwunden. Etwas schlägt dumpf zu Boden.
„Dad!", schreit Dale.
Bill reißt ihm die Hände nach oben und kann sich auf die Knie stemmen. Er sieht Big Johns mächtigen Körper reglos auf der Rampe liegen. Und dahinter die huschenden Gestalten.
„Dad!", schreit Dale. Seine Tränen rinnen durch das schmutzige Gesicht und tropfen auf den Boden.
„Big John ist tot!", ruft Bill den huschenden Schatten gellend zu. „Hört ihr? Big John lebt nicht mehr. Niemand wird euch dafür bezahlen, wenn ihr einen Mörder befreit und mich umbringt!"
„Verdammt!", zischt irgendwo eine Stimme. „Verdammt, der Boss scheint wirklich tot zu sein. Big John?"
Lähmende Stille breitet sich aus. Dann Schritte, die sich entfernen.
*
Bill hat seine Hand befreit und Dale СКАЧАТЬ