Название: Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
isbn: 9783455005011
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Ich wollte auch einen Dackel haben, aber Mama sagte, vier Kinder seien ihr genug, da brauche sie nicht auch noch einen Köter im Haus. Ich würde binnen kürzester Zeit jedes Interesse an dem Tier verlieren, und dann wäre sie diejenige welche, an der die ganze Arbeit hängenbleibe. Außerdem hätten Hunde Flöhe, und damit basta.
Das nächste Mal wollten Volker und Kalli ohne mich los, aber ich schlich ihnen nach. Im Wald versteckte ich mich hinter Bäumen, mit Abstand, damit Waldi mich nicht witterte.
Indianer konnten auf Zweige und Blätter treten, ohne ein Geräusch dabei zu machen. Indianer hatten aber auch Mokassins an und keine Gummistiefel.
Volker und Kalli gingen einen Weg rauf, den ich noch nicht kannte. Einmal blieben sie stehen, und Volker sah mich. Sie glaubten mir nicht, daß ich nur zufällig im Wald war. Volker sagte, ich sei eine Nervensäge, aber Kalli hatte nichts dagegen, daß ich mitkam.
Von einer Stelle am Waldrand aus konnten wir Panzer auf der Straße fahren sehen. Da, wo wir saßen, lag eine Patrone zwischen den Blättern, die grün und untendrunter golden war. Als wir in den Blättern wühlten, fanden wir noch mehr Patronen, ein ganzes Vorratslager davon. Kalli sagte, das sei Gewehrmunition. Wir wollten was davon mitnehmen, aber dann kam ein Soldat und sagte, daß wir die Patronen liegenlassen sollten. Kalli sagte, daß wir die Patronen als erste gefunden hätten, und der Soldat sagte, wir sollten die Goschen halten und Leine ziehen.
Er blieb da stehen, bis wir weg waren. Acht von den Patronen hatte Kalli gemopst. Die wollte er aufbrechen und das Zündpulver rausholen und dann irgendwas in die Luft jagen. Wir dürften ihn aber nicht verpfeifen, sagte Kalli. »Wenn mein Alter das spitzkriegt, bin ich geliefert.«
Als Uwe wieder rausdurfte, gingen wir in den Wald. Das Schlüsseletui war weg. Dafür fanden wir mitten auf dem Weg einen toten Hirschkäfer, der ganz schwarz war.
Wir gingen einen steilen Pfad rauf. An der einen Seite standen die Tannen so dicht, daß man nicht mehr durchkucken konnte. Da mußten auch irgendwo Wutzen sein. Um sie in die Flucht zu schlagen, sangen wir die Lieder, die wir kannten, auch das von Bolle, der seinen Jüngsten im Gewühl verliert, bei einer Keilerei das Messer zieht und fünfe massakriert. Das Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein zerknickt, und am Ende wird Bolle von seiner Ollen noch ganz fürchterlich verdrescht.
Ich mußte kacken und hockte mich dazu in eine Kuhle. Uwe sagte, das sei ein Bombentrichter aus dem Weltkrieg. Als ich fertig war, brachte Uwe mir Blätter zum Abputzen und hielt sich die Nase zu.
Und was dahinten runterfällt, das ist der Duft der weiten Welt.
Die Kackwurst lockte große Schmeißfliegen an, die in allen Farben schillerten.
Oben auf dem Berg war eine Lichtung mit Hochstand. Wir stiegen die Leiter hoch. Die Tür war offen. Hier saßen sonst die Jäger und schossen auf Rehe und Wutzen.
Unten gingen ein Mann und eine Frau lang. Wir warteten, bis sie fast nicht mehr zu sehen waren, dann riefen wir: »Verliebtes Paar! Küßt euch ma!« Danach duckten wir uns. Durch die Ritzen konnten wir sehen, daß das Liebespärchen stehengeblieben war und in unsere Richtung kuckte. Als nächstes riefen wir: »Verliebt, verlobt, verheiratet!«
Simsaladim, bambaa, saladu, saladim.
Dann flog eine Hummel in den Hochstand, die so groß war, daß sie auch eine Hornisse sein konnte. Bei Hornissen genügte ein einziger Stich, und man starb. Erst nach einer ganzen Weile haute das Mistvieh wieder ab.
Auf dem Rückweg gingen wir nochmal zum Bombentrichter. Über der Kackwurst schwirrten jetzt noch viel mehr Fliegen. Bei den dicksten funkelte der Rücken grün und dunkelblau. Sie hockten auf der Wurst und rieben sich die Vorderbeine.
Um Wanderer zu erschrecken, brüllten wir: »Hilfe, ein Wolf! Hilfe, ein Wildschwein! Hilfe, ein Krokodil!« Bis uns ein Mann entgegenkam, der sagte, daß wir das lassen sollten. Irgendwann brauche wirklich mal jemand Hilfe, und dann gehe da keiner hin, weil alle die Hilferufe für Kindermätzchen hielten.
Mama wollte wissen, woher der Riß in meinem Anorakärmel stamme und weshalb die Hose an den Knien und am Hintern schon wieder durch sei, aber das wußte ich auch nicht. Das kam, ohne daß ich was dafür konnte.
Einmal traf ich morgens Kalli auf der Straße. Er hatte seinen Schulranzen in der Hand und ich meine Schippe. »Na, Martin, willste wieder zu deiner geliebten Falle?« Ich müsse Zweige über die Falle legen und zur Tarnung Erde und Blätter drüberstreuen, sagte Kalli. Tarnung sei die halbe Miete.
Bei der Falle kratzte ich mit der Schippenspitze Erde zwischen den Baumwurzeln raus. In die fertige Falle wollte ich Stöcke stecken. Dann würde vielleicht ein Junge kommen und sich wundern, daß da Stöcke stecken. Der würde dann seine Mutter holen, und dann würden alle beide in die Falle krachen.
Weil sie auch mal unsere Höhle sehen wollte, zeigten Uwe und ich Renate den Weg dahin. Renate ging sonst nie ins Wäldchen. »Das ist ja gar keine Höhle«, sagte sie, als wir da waren. Sie wollte wieder nach oben klettern, rutschte aber ab und schlidderte die Schlucht runter.
An den Armen hatte Renate Striemen von den Dornen und den Ginsterbüschen, und dann war ihr noch der Fuß umgeknickt. Auf dem Oberschenkel hatte sie einen blauen Fleck, der abends violett wurde, und sie sagte, das sei die blödeste Höhle gewesen, die sie je gesehen habe.
Wenn Familie Feuerstein lief, kuckte auch Papa zu. Der Dinosaurier schleckte Fred Feuerstein immer ab und legte Eier, die drei Stunden lang gekocht werden mußten, bevor man sie essen konnte. Man kriegte sie aber nur mit Hammer und Meißel auf. Zu trinken gab es dazu Säbelzahntigermilch. Die Frau von Fred Feuerstein benutzte ein Elefantenbaby als Staubsauger, und Barny Geröllheimer, der Nachbar, lief dauernd bei Familie Feuerstein rum. Herr Strack lief nie bei uns rum.
Meinen Schlafanzug durfte ich auch im Wohnzimmer anziehen, aber ich wollte nicht, daß mir die Leute im Fernsehen beim Ausziehen zusahen. »Die kucken dir schon nichts weg, die können dich gar nicht sehen«, sagte Mama, aber ich ging lieber in den Flur, bis ich die Hose anhatte.
Dann hatte ich schon wieder Fieber, Schnupfen und Husten und mußte allein in Renates Zimmer liegen. Mama rief den Kinderarzt an, gab mir eine Rheumalinddecke und ließ die Jalousie runter.
Antibiotika.
Der Kinderarzt leuchtete mir in den Hals, sah sich auch meinen Bauch an und sagte, daß ich die Masern hätte. Von dem Kartoffelbrei, den Mama mir brachte, wollte ich nur zwei Löffel. Ich hatte nicht mal Lust, an den Schrauben in den Vorhangstoppern zu drehen.
Der liebe Gott hatte alles gemacht, am Anfang auch sich selbst. Aber womit hatte er sich die Arme drangesetzt, wenn er noch keine Arme hatte?
Einmal würde die Sonne der Erde so nahekommen, daß alles verbrennt, hatte Mama mal gesagt. Die Häuser würden verbrennen, und die Leute würden über die Straßen rennen, weg von der Sonne. Da würden wir aber alle schon längst im Himmel sein.
Ich hatte Pickel am Hals und am Bauch. Wenn ich aufs Klo mußte, rief ich Mama. Sie half mir dann, und sie schlackerte auch die Decken auf.
Wenn man in den Himmel komme, öffne der liebe Gott ein Buch, und da stehe alles drin, was man gemacht habe, das Gute und das Böse, hatte Volker gesagt, und dann werde der liebe Gott nachkucken, ob man nicht doch in die Hölle gehöre. Da würden die bösen Menschen vom Teufel in Kochtöpfen gekocht.
Renate, СКАЧАТЬ