Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band. Gerhard Henschel
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Название: Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band

Автор: Gerhard Henschel

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783455005011

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СКАЧАТЬ brachte ich den Stuhl zurück, ging ins Wohnzimmer und versuchte, den Fernseher anzumachen. Der weiße Knopf war der Ausknopf. Ich versuchte auch die anderen, aber da kam nichts.

      In der Ecke stand der Papierkorb, beklebt mit Bildern von Pfeifen und Tabaksbeuteln. Einer davon sah so aus, als ob er einen böse ankuckt. Als ob man was ausgefressen hätte.

      Ich kniete mich auf den Stuhl an Papas Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab. Es tutete. Irgendwo anrufen, in den Hörer rülpsen und wieder auflegen? Ich wählte was, aber dann ließ ich es doch lieber bleiben. Nachher war da noch die Polizei dran oder Papa im Büro.

      Pfeifenständer, Locher, Stiftebecher. Der Magnet, der die Büroklammern festhielt, und die Haut über Mamas Schreibmaschine.

      Neben der großen Karte von New York hing der Scherenschnitt von Renate und Volker an der Wand. Renate mit Pferdeschwanz. Den hatte sie schon lange nicht mehr. Und die Fotos von Oma und Opa Schlosser. Opa Schlosser war schon tot. Schwarzer Opa hatte Renate den genannt, weil er nie was anderes als schwarze Sachen angehabt hatte.

      Solange ich allein war, konnte ich auch den Wohnzimmertisch raufkurbeln und wieder runterkurbeln oder mit Hausschuhen an auf dem Sofa hüpfen. Oder alle Sofakissen aufstapeln, mich obendrauf setzen und wippen, bis der Stapel umfiel. Oder die großen Ozeanmuscheln an die Ohren halten und das Meer rauschen hören.

      Ich holte mir das Witzebuch aus dem obersten Regal. Knaurs lachende Welt: der Regenwurm, der am Angelhaken hängt und einen Fisch auffrißt. Der Butler, der Rauchringe mit dem Spazierstock auffängt. Der Fakir mit der Hose aus Stacheldraht und der Engel, der seine Flügel bügelt.

      Als ich das Buch zurückstellen wollte, fiel es runter und knickte ein Blatt vom Gummibaum halb ab. Ich suchte in Papas Schreibtischschubladen nach der Uhutube, weil ich das Blatt wieder ankleben wollte, aber als ich die Tube gefunden hatte, kriegte ich den Deckel nicht auf. Stattdessen machte ich das Blatt dann ganz ab und riß es in kleine Schnipsel, die ich auf dem Komposthaufen verstreute.

      Mama konnte ich damit jedoch nicht hinters Licht führen, und ich kriegte eine gescheuert.

      Mit dem Roller fuhr ich die Straße neben dem Haus runter. Der Roller fuhr schnell. Hinten konnte man mit der Hacke auf die Bremse treten, aber die ging nicht. Abspringen konnte ich auch nicht mehr. Ich knallte gegen den Bordstein und fiel hin.

      Mein eines Knie war blutig. Als ich aufstand, prickelten mir die Hände so doll, daß ich heulen mußte.

      Mama machte mir ein Pflaster aufs Knie, und Renate ging den Roller holen. Der Vorderreifen war platt.

      Das Abziehen der Pflaster tat mehr weh als alles andere.

      Wiebke schob ihre Rasselwalze auf dem Rasen hin und her. Aus dem Garten von Stracks kamen Seifenblasen über den Zaun geflogen. Claudia pustete die in den Himmel. Kurt und Heinz scharwenzelten um sie rum und wollten auch mal. Uwe rannte hinter den Seifenblasen her und haute sie kurz und klein.

      Papa sagte, Seifenlauge könne man auch selber machen, aus Wasser und Palmolive. Aber man brauchte auch was, wodurch man pusten konnte. Dafür klemmte Papa im Keller ein altes Teesieb in den Schraubstock und hatte damit zu tun, bis es dunkel wurde.

      Uwe hatte rausgefunden, daß in den Betonschächten links und rechts von der Auffahrt zur Tiefgarage unterm Ladenzentrum leere Flaschen lagen, für die man bei A&O Geld bekam.

      Ein Duplo kostete zwanzig Pfennig und ein Mars fünfunddreißig, und beim Bäcker gab es für jeden Pfennig ein Gummibärchen. Wenn wir keine Pfandflaschen fanden, schickten wir Heinz los, Leute anbetteln: »Können Sie mir einen Pfennig geben?« Wir warteten hinter der Ecke. Von den Pfennigen kauften wir uns Gummibärchen, ohne Heinz was abzugeben.

      Das petzte er Claudia. Die sagte, daß wir gemein seien, und Uwe sagte doofe Kuh zu ihr.

      Als wir nachhause kamen, stand Frau Strack schon keifend vorm Haus: »Uwe, küste bej misch!«

      Uwe rannte über das Beet vor der Tür bis zum Zaun. Erst wollte Frau Strack ihm nach, aber dafür hätte sie auch über das Beet gemußt.

      »Dau damische Sau do!« rief Uwe.

      Das werde sie dem Papa sagen, brüllte Frau Strack und drohte Uwe mit der Hand, da sei aber was fällig! Dann stampfte sie ins Haus und knallte die Tür zu.

      Wir liefen ins Wäldchen. Das werde er Claudia noch heimzahlen, sagte Uwe.

      Unten in der Hausruine stand ein Mann und schoß mit einem Gewehr auf Zielscheiben aus Papier. Wir sahen zu. Dann fragte ich den Mann, ob er Platzpatronen benutze. Er zeigte mir einen Vogel und sagte: »Mit Platzpatronen kann man nicht schießen, die knallen nur.«

      Wir gingen wieder hoch und schmissen Steine in die Schlucht, bis Bezaubernde Jeannie anfing.

      Ich war froh, daß ich nicht Uwe war.

      Uwe hatte Hausarrest. Ich ging alleine ins Wäldchen, um eine Falle zu bauen. Mit der Sandkastenschippe buddelte ich ein Loch in einen der Pfade. Da sollte jemand reinstolpern.

      Die Erde war hart, und ich stieß auf Baumwurzeln.

      Nachmittags nahmen Volker und Kalli mich in den Wald mit. Waldi war auch dabei. Er hatte es gern, wenn man ihn hinter den Ohren kraulte. Im Wald nahm Kalli ihm die Leine ab, und Waldi rannte kläffend ins Dickicht, hinter Karnickeln her oder hinter Ratten. Sieben Hundejahre würden einem Menschenjahr entsprechen, sagte Kalli, und deshalb sei Waldi schon vierzehn Jahre alt.

      Kalli konnte Fährten lesen. Er wußte, wie man Eichelhäher, Bussarde, Falken und Habichte unterscheidet, daß Bäume eingehen, wenn man die Rinde abschält, und daß Laubbäume durch die Blätter atmen. Er konnte auch Schmetterlinge unterscheiden: Admiral, Zitronenfalter, Tagpfauenauge und Nachtpfauenauge.

      Hin und wieder waren am Himmel Bananenhubschrauber zu sehen.

      Wenn Waldi angehechelt kam, dann nie mit Beute, aber er brachte Stöckchen zurück, die man geworfen hatte. Die legte er einem vor die Füße. Dann bellte er laut und wedelte mit dem Schwanz.

      Neben einem der Wege war ein Bach und weiter oben ein Tümpel mit grünem Zeug drauf. Da gab es Fliegen, die auf dem Wasser laufen konnten. Aus dem Tümpel kuckten Äste.

      Unter einer Bank fanden wir ein Schlüsselbund mit Etui. Einer von den Schlüsseln hatte oben ein VW-Zeichen, wie der von Papa, aber Papas Schlüsseletui sah anders aus. Kalli sagte, wir könnten ja mal kucken, ob der Schlüssel zu einem VW auf der Horchheimer Höhe paßt, und dann ’ne kleine Spritztour unternehmen. Kalli war schon mal Auto gefahren, ein kleines Stück auf der Schmidtenhöhe, mit seinem Vater zusammen.

      Volker sagte, daß der Besitzer uns Finderlohn geben müsse, aber weil wir nicht wußten, wie wir den Besitzer finden sollten, legten wir das Schlüsselbund wieder unter die Bank. Wenn der Besitzer dann ankäme und das Etui da liegen sähe, wäre der völlig aus dem Häuschen vor Freude.

      Wir gingen noch mit zu Kalli. Seine Eltern waren weg. Waldi legte sich in der Küche in sein Körbchen. An den Wänden im Wohnzimmer waren Geweihe aufgehängt, und auf dem Boden lag ein Wildschweinfell als Teppich.

      Kalli stellte eine Holzkiste mit Katjes auf den Tisch und sagte, daß wir uns bedienen sollten. Zu trinken gab es Karamalz aus der Flasche. Kalli hatte auch ein Tonband und massenweise Micky-Maus-Hefte. Er legte die Füße auf den Tisch СКАЧАТЬ