Название: Sieben Martin Schlosser Romane in einem Band
Автор: Gerhard Henschel
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
isbn: 9783455005011
isbn:
Im Wilden Westen wurden die Pferde vor dem Saloon immer nur lose angeleint. Wieso liefen die nicht weg?
Neckermann macht’s möglich.
Weil ich Kopfweh hatte, schickte Mama mich hoch, das Fieberthermometer aus Papas Nachtschränkchen holen, aber im Elternschlafzimmer fand ich den Lichtschalter nicht. Auf Papas Bett lag was Schwarzes, das wie ein Wolf aussah. Ich ging wieder nach unten und sagte, daß auf Papas Bett ein Wolf liege.
Volker tippte sich an die Stirn und ging selber hoch.
»Das war kein Wolf, das war Papas Jackett, du Spinner«, sagte er, als er wieder runterkam.
Dann kriegte ich das kalte Thermometer in den Po. Ich hatte Temperatur, aber Mama sagte, das sei kein Grund, das Zähneputzen ausfallen zu lassen. Danach kam sie zum Gutenachtgebet zu mir. Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.
Das arme Jesuskind. Das mußte jeden Tag Essen bescheren und segnen und ganz allein wohnen. Wahrscheinlich hatte das Jesuskind nicht mal Spielzeug.
Ich hatte Kater Mikesch, den Hasen Mumpe, einen Teddy, einen Schlumpf, neun Indianer, vier Mainzelmännchen und das weiße Schaf, das immer umfiel, weil das eine Bein ab war. Dann hatte ich noch die Kasperfiguren, auch wenn die mir nicht alleine gehörten: Kasper, Rotkäppchen, Schutzmann, Krokodil, Großmutter, König, Prinzessin, Teufel, Hexe, Gespenst und Tod. Beim Käppchen von Rotkäppchen blätterte aber schon die Farbe ab. Im dicken Krokodil fing einem immer die Hand an zu schwitzen, und der Schutzmann schielte und hatte einen weichen Kopf, den man von innen mit dem Finger gut verknautschen konnte. Der Totenkopf vom Tod war viel härter.
Volker mußte auch schon ins Bett, weil die Schule wieder angefangen hatte. Als Mama gegangen war, machten wir das Licht wieder an und deckten alle Spielzeugtiere zu, auch die Mensch-ärgere-Dich-nicht-Figuren noch, und dann stand mit einemmal Mama im Zimmer: »Ich seh wohl nicht recht!«
Papa ließ uns im Wohnzimmer Kniebeuge machen, damit wir müde wurden, aber wir wurden nicht müde, und ich hatte auch kein Kopfweh mehr, nur meine Kniegelenke knirschten so laut, daß es Mama über die Hutschnur ging. »Ab in die Falle! Und keine Sperenzchen mehr!«
Ich hatte schon geschlafen, als unter meinem Bett am Kopfende ein Wolf rauskam und rief: »Ich bin der große böse Wolf und will dich fressen!«
Von meinem Geschrei wurde Mama wach. Volker sagte, daß ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. In meinem Bett wollte ich nicht mehr schlafen, und ich durfte ausnahmsweise zu Mama und Papa.
Am Morgen hatte ich wieder Kopfweh, und mir lief die Nase. Mama machte mir eine Schwitzpackung. Vorher mußte ich Pipi machen, ein Medikament schlucken und mich nackt ausziehen. Dann mußte ich mich im Bett auf ein heißes, feuchtes Badelaken legen. Mama wickelte mich damit ein, so daß ich die Arme nicht mehr bewegen konnte. Ich kriegte noch zwei Decken obendrauf, ein warmes Tuch um den Hals und eine Wärmflasche an jede Seite, und dann mußte ich Fliedertee trinken.
Weil meine Arme eingewickelt waren, konnte ich nicht mal Bilderbücher bekucken. Mir war so heiß, daß ich die Handtücher wegstrampelte, aber vorsichtig, damit Mama nichts merkte, wenn sie raufkam, um mir die Nase zu putzen.
Vom Bett aus konnte ich an der Wand das schwarze Plastikbild von Max und Moritz sehen, die im Schornstein von der Witwe Bolte nach den Hühnern angeln. Der eine Zopf von Moritz war irgendwann abgebrochen.
Mama wollte wieder Fieber messen und nahm die Decken weg. Da sah sie, daß ich die Handtücher alle ans Fußende befördert hatte, und schimpfte mit mir, und ich kriegte eine neue Schwitzpackung.
Als Renate aus der Schule kam, las sie mir was aus ihrem Buch über den kleinen Mann vor, der Mäxchen Pichelsteiner hieß und in einer Streichholzschachtel schlief. Seine Eltern waren auch ganz klein gewesen und im Zirkus als Artisten aufgetreten. Als Mäxchen sechs Jahre alt war, hatte der Wind die Eltern in Paris vom Eiffelturm geweht, und seitdem paßte der Zauberkünstler Jokus von Pokus auf den kleinen Mann auf. Er wollte Katzen dressieren, aber die gehorchten ihm nicht. Die bissen seine hübsche Lackpeitsche mittendurch.
Mittags fütterte Mama mich mit Grießbrei, aber ich konnte nicht viel davon und auch von der Götterspeise zum Nachtisch nicht.
Mama brachte mich zum Kinderarzt, der mir mit einem Holzstück die Zunge runterdrückte, wovon ich fast brechen mußte.
Ich hatte Grippe. Um keinen anzustecken, kam ich in Renates Zimmer, und Renate kam zu Volker. Mama schmierte mir die Brust mit gelber Salbe ein, von der mir die Augen tränten. Dann mußte ich den Kopf in den Nacken legen und kriegte Nasentropfen, die mir innen durch die Nase in den Mund liefen und bitter schmeckten.
Bei Renates Klappbett konnte man die Vorhänge zuziehen und sich vorstellen, daß man in einem Indianerzelt wohnt. Man konnte auch die Schrauben aus den Stoppern an den Vorhangschienen drehen, aber nicht, wenn man eine Schwitzpackung hatte.
Ich hörte Mama den Wohnzimmerteppich saugen. Wir hatten einen Klopfstaubsauger. Die gute Wahl – Hoover.
Später kriegte ich noch einen Löffel roten Hustensaft, und als ich die Arme wieder frei hatte, brachte Renate mir ein Pixibuch. Frau Entes großer Tag. Wie Frau Ente ans Meer reist und da von den Wellen untergespült wird und dann doch lieber wieder nachhause fährt zu ihrem Teich.
Im Klappbett träumte ich, daß ich sterbe, weil Kalli mir im Wäldchen ein Messer in den Rücken gestochen hat. Als ich aufwachte, war mein Nacken pitschnaß und das Kopfkissen auch.
Beim Schlafen sickerte in der Nase der Schnött immer auf die Seite, die unten war. Dann mußte man sich umdrehen.
Nach ein paar Tagen ging es mir wieder besser, aber ich durfte noch nicht raus. Mama war einkaufen gegangen und hatte Wiebke mitgenommen. Volker war mit Kalli weg, und Renate war beim Zahnarzt, dem guten, bei dem sie die Hand heben durfte, wenn es ihr wehtat, und dann hörte er auf zu bohren.
Ich hatte versprochen, keine Dummheiten zu machen. Eine Weile spielte ich auf Renates Blockflöte, die nach Stuhlbein schmeckte. Am lautesten war es, wenn man das Mundstück abnahm und mit voller Kraft reinblies.
Unter der Heizung lag einer von Renates Ballettschuhen. Den anderen fand ich in ihrem Puppenkleiderschrank, aber die Ballettschuhe paßten mir nicht.
Im Keller stand Papas Zeichenmaschine, die wir nicht anfassen durften. Hinten Hebel und Gewichte und unten Pedale. Die Bretter für den zweiten Komposthaufen lagen zum Trocknen auf Böcken und rochen nach Farbe. Volkers alter Roller, Mamas Gitarre mit dem Sprung in der Rückseite und Papptonnen mit Papierrollen drin. In einem Karton lagen Renates rostige Springschuhe.
Wenn ich mich auf die Zehen stellte, kam ich in der Küche an den Griff der Glasschütte mit Zucker.
Auf dem Brotschapp war vorne ein Bild von drei Männern, die Trompete spielten. Innen im Schapp lag das große Brotmesser mit den scharfen Zacken. Das Brot war alle, und die grüne Taschenlampe in der Küchenschublade ging nicht.
Ich machte das Küchenradio an und drehte an der weißen Scheibe, aber da kam nur Gebritzel. Dann kippte ich Ata ins Waschbecken und ließ Wasser drüberlaufen. Ata war giftig. Heißes Wasser aus dem Hahn und kaltes Wasser. Der Abfluß gluckerte.
Das Frühstückstablett stand oben auf dem Kühlschrank, und ich mußte einen Stuhl aus dem Eßzimmer СКАЧАТЬ