Название: Scheidung kann tödlich sein
Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783967525403
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Leider fiel auch Attilas Reaktion aus wie gewohnt. Obwohl wir schon x-mal über die Folgen seines Verhaltens diskutiert hatten, obwohl er genau wusste, wie weh er mir damit tat: wieder war er richtig nett zu Uschi, stieg voll auf ihr Gejammer ein, anstatt ihr einmal deutlich zu sagen, dass sie selbst es war, die maßgeblich an Solveigs Entgleisungen schuld war. Wer hatte sie zum Beispiel in eine verrufene Hauptschule gegen Attilas Willen gesteckt, obwohl stadtbekannt ist, dass dort ein äußerst negatives Umfeld herrscht? Wer wurde denn nicht mit dem pubertierenden Gör fertig, obwohl er, oder vielmehr sie, unbedingt das alleinige Sorgerecht haben wollte?
Aber nein, Attila verhielt sich wie gewohnt! »Oh je, ist das alles schlimm. Ja, scheiße, morgen ist Feiertag. Da sind die Ämter zu. Wenn du morgen nicht mit ihr klarkommen solltest, dann weise sie am besten in die Kinderund Jugendpsychiatrie ein. Ja, und ich kümmere mich um die Sache und rufe gleich am Freitagmorgen das Jugendamt an und versuche, Solveig in einem Heim unterzubekommen. Natürlich, bitte rufe mich nachher nochmal an, ob sie inzwischen heimgekommen ist. Bis später!«
So ungefähr hörte sich das Telefonat an. Mir war derart übel geworden, dass ich weder den Chinesen noch irgendein anderes Essen brauchte. Das konnte doch nicht wahr sein! Anstatt dem Kind endlich seine Grenzen aufzuzeigen, wollten die beiden in schönster Eintracht die 13-jährige lieber in die Psychiatrie einweisen lassen und später ins Heim stecken. Und Uschi, die das alles aktuell verbockte, wurde hierbei auch noch lieb und nett unterstützt. Wütend rannte ich die Treppe hinauf, um mich wieder in die Joggingklamotten zu begeben. Ich wäre sonst ausgerastet.
Als Attila sein Telefonat beendet hatte, meinte er in gespielt fröhlichem Ton: »So, schon erledigt, jetzt können wir Essen gehen«! Ich dachte, ich höre nicht richtig. Glaubte er denn im Ernst, ich würde mit ihm essen gehen, während er nett mit seiner Alten telefonierte, sie noch in ihrem abartigen Treiben unterstützte? Die ihn nicht etwa als treusorgende Mutter anrief, sondern nur ein Ventil brauchte, um ihren Frust abzulassen, während sie ihm, beziehungsweise uns, ansonsten im übertragenen Sinn seit mindestens zwei Jahren immer wieder das Messer zwischen die Rippen rammte?
Seinen Kindern helfen konnte und durfte er sowieso nicht, was also sollte das bringen, außer ihr eben wieder einmal die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie auf diese Weise von ihm erzwingen wollte?
Diesen Sachverhalt versuchte ich ihm geduldig darzulegen. Ich sah mich auch wieder einmal gezwungen, ihn zu fragen, weshalb er zu ihr denn erneut so betont lieb und nett gewesen sei, anstatt ihr endlich einmal zu zeigen, dass sie es sich verscherzt hatte und selber mit den Ergebnissen ihrer Nicht-Erziehung klarkommen musste?
Das wollte er natürlich nicht hören, seine Miene verfinsterte sich sofort. Anschließend brachte er es bei mir ohne weiteres fertig, einen stinkigen, verachtenden Ton anzuschlagen. Und was er zu mir sagte, das gab mir erst einmal wieder den Rest: es handele sich schließlich um seine Frau und um seine Kinder.
Danke, lieber Attila! Dann behalte sie doch, am besten ziehst du dort auch gleich wieder ein, wenn das so ist. Nur, was willst du dann eigentlich mit mir? In dieser Weise äußerte ich mich, denn ich war in diesem Moment ziemlich verletzt und obendrein stinksauer.
Uschi rief selbstverständlich später noch einmal an. Teilte mit, dass Solveig um 20.30 Uhr nach Hause gekommen sei und vergewisserte sich, dass Attila auch wirklich am Freitag die Sozialtanten anrufen und die Sache für sie regeln werde, was dieser ihr zusagte. Wieder im selben Ton.
Hätte ich nicht gewusst, mit wem er da telefonierte, ich hätte angenommen, dass eine gute, alte Freundin angerufen hätte. Die Krönung war dann, dass er Uschi erklärte, dass Solveig nur dann zu uns umziehen könne, wenn sie gelernt habe, sich an Regeln zu halten. Aber das müsse er erst noch mit mir absprechen.
Somit war ich für diesen Tag bedient; ich ging nach oben, um Kartons zu packen und mich damit abzureagieren, danach legte ich mich heulend in die Badewanne. Es war am besten, wenn ich ihn für eine Stunde nicht sah, mich dazu nicht äußern musste. Aufgrund meiner Reaktion war er ebenfalls auf mich sauer oder von mir enttäuscht, was weiß ich. Jedenfalls arbeitete er verbissen am Rechner, so wie er es zur Kompensation stets tat.
Oben überlegte ich, warum er bei dieser ekelhaften Tussi eigentlich so nett war. Musste die ihn erst anschießen, überfahren oder so etwas, bis er es schnallte? Wie hatte er das gemeint, »sie ist meine Frau«? Und vor allem: warum konnte er mit mir verbal Schlitten fahren, wenn er mich doch angeblich liebte und sie nicht mehr? Das war alles höchst unlogisch! Eigentlich musste er doch schließlich über die fast zwei Jahre hinweg gemerkt haben, dass er nichts für seine Kinder tun konnte und durfte, auch wenn das sehr schwer war.
Hinzu kam, dass ich Attila schon mehrfach deutlich gesagt hatte, dass ich mit Solveig nie wieder unter einem Dach leben könnte. Das würde garantiert nicht gut gehen und ich hatte bereits hinreichend Erfahrungen gemacht. Das würden meine Nerven keinesfalls packen, denn nach einer kurzen Phase der Euphorie bei Vater und Tochter würde ersterer zweifellos in sein altes Fahrwasser zurückfallen und sich von ihr einwickeln lassen, da war ich mir ziemlich sicher.
Dieses raffinierte Kind wusste genau, wie man ihn manipulieren konnte. Und mich hasste sie wie die Pest. Wenn sie Erziehungsversuche schon bei ihren Eltern nicht duldete, dann bei mir erst recht nicht! Sie würde mühelos Attila gegen mich aufbringen, sobald ich Versuche in diese Richtung unternahm. Wozu ich allerdings auch kein Bedürfnis hatte, warum sollte ausgerechnet ich die Versäumnisse der Eltern ausbügeln? All das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Nachdem ich nach dem Telefonat auch über diesen Punkt mit ihm gesprochen hatte, war mir eines klar: entweder, er würde sich im Notfall, den Uschi soeben provozierte, für seine Tochter entscheiden und in Kauf nehmen, dass ich fortging. Oder aber, er würde es nicht tun und mir lebenslang die Schuld dafür anrechnen, dass sie im Heim saß oder vollends auf die schiefe Bahn geriet. Bei beiden Möglichkeiten würde aber ich die Rechnung dafür bezahlen, dass Solveigs Erziehung noch immer gründlich in die Hose ging, was meine Person doch wohl nicht verschuldet hatte. Irgendwann ging ich wieder runter ins Wohnzimmer, wir mussten uns ja trotzdem mit diesem Problem befassen, das zwischen uns stand. Bravo Uschi, ganze Arbeit geleistet! Vermutlich war auch dieser kleine, nette Nebeneffekt von ihr so mit eingeplant. Denn uns bei unserem neuen Leben zu stören, das war ihr stets ein Bedürfnis. Mit dieser neuen Aktion hatte sie es nicht nur gestört, sondern nahezu zerstört. Wir gerieten uns den gesamten Abend lang in die Haare, machten uns gegenseitig Vorwürfe. Ich ihm, weil er immer wieder auf sie und ihre Machenschaften reagierte, und er mir, weil er meinte, dass ich die Tatsache, dass er mit dem Herzen an seinen Kindern hing, nicht genügend ernst nehme. Zum Schluss ging er mit frostiger Stimmung ins Bett und ich saß wütend und traurig auf der Couch.
Ich brütete eine Zeit lang resigniert vor mich hin, dann fasste ich einen Entschluss. So wie bisher konnte und durfte das nicht weitergehen. Das Strickmuster wiederholte sich bei jedem Anruf und Uschi würde vermutlich noch viele davon absetzen, bei jedem drohenden Problem mit den Kindern. Mein Entschluss war recht folgenschwer, denn ich gab mich geschlagen. Mir ging die Kraft zum Widerstand verloren. Wenn Attila meinte, dann sollte er sich doch mit seiner verkorksten Tochter belasten und seine Beziehung aufs Spiel setzen, ich mochte nicht mehr mit ihm darüber streiten.
Als gangbarster Weg erschien es mir, mich bei Uschi schriftlich dafür einzusetzen, dass sie Solveig zu ihm nach Spanien ziehen lassen solle. Entweder das oder ihn in Ruhe zu lassen, ihn nicht mehr zu belästigen. Ich entwarf ein längeres Schreiben dieses Inhalts und bat sie auch noch, ihren Hass abzulegen und endlich in die Zukunft zu sehen, damit alle Beteiligten endlich wieder etwas führen könnten, das einem normalen Leben gleichkam.
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