Название: Scheidung kann tödlich sein
Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783967525403
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Attilas Eltern freuten sich wieder riesig über unsere Ankunft. Wir bezogen das große Zimmer unter dem Dach und dann wurden, wie immer, die kulinarischen Spezialitäten von Szábos ausprobiert, so dass das Fehlen des Frühstückes absolut nicht mehr ins Gewicht fiel. Die Neuigkeiten seit dem letzten Besuch wurden ausgetauscht. Dank Uschi gab es ja immer genügend davon. Auch Attilas Schwester Ingrid und ihre Familie waren wieder ein dankbares Thema.
Während Ingrids Tochter Francesca mittlerweile nun neben den üblichen Teenie-Allüren positive Tendenzen aufwies, sie arbeitete inzwischen in einem Café und hatte Spaß daran, waren die Geschichten rund um Ingrid immer dieselben. Kaum hatte sie einen neuen Job ergattert, war der auch schon wieder zu schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingungen unmöglich. Wie immer! Und auch wie immer plante sie gleich wieder die Kündigung. Ihre Eltern waren recht enttäuscht, da sie nach wie vor alles für Ingrid und ihre Kinder taten und diese es nicht zu würdigen wusste. Es wurde als selbstverständlich hingenommen.
Am Nachmittag bekam Attila wieder seine Schmerzen in der Brust. Ich wusste ganz genau, dass diese recht stark sein mussten; denn wäre es ihm möglich gewesen, hätte er sich garantiert in Gegenwart seiner Eltern nichts anmerken lassen. So aber legte er sich sogar auf die Couch, krümmte sich vor Schmerzen. Seine Mutter brachte ihm ein krampflösendes Medikament, die Nr. 7 der Schüssler Salze. Zum Glück ging es ihm kurz darauf besser, doch würde er nach unserer Rückkehr unbedingt die Ursache abklären lassen müssen. Mit Herzproblemen war schließlich nicht zu spaßen.
Am Donnerstag gab es einige Aufregung. Erst teilte Ingrid mit, dass ihr Sohn Felix krank sei und sie die grippeähnlichen Symptome mit hohen Dosen Paracetamol behandle, um das hohe Fieber zu senken. Ursula versuchte, ihr beizubiegen, dass dies schädlich sei, weil der Körper das Fieber brauche, sich selber zu helfen, um die Bakterien zu bekämpfen. Sie stieß auf wenig Verständnis; ebenso wollte Ingrid zuerst nicht einsehen, dass der Junge erst einmal Bettruhe und Wadenwickel nötig habe und nicht aus der Wohnung gehen solle.
Während eines Telefonates hatte Ingrid zudem verfügt, Attila solle nur ja nichts für den Computer seiner Eltern besorgen, denn alle anderen Angehörigen sollten mit jeglichem Kauf bis Weihnachten warten. Also hatte sie selbst irgendetwas geplant. Attila aber wollte seinen Eltern gewisse Programme vorinstallieren, die es ihnen künftig ermöglichen sollten, Emails zu schreiben oder andere Anwendungen nutzen zu können. Da seine Eltern wenig von Computerfiguration verstanden, bekamen sie nun Bedenken, Ingrid könne deswegen beleidigt sein, weil sie ihre eigene Weihnachtsüberraschung gefährdet sehe. Es entwickelten sich unschöne Wortgefechte; Attila einerseits wollte den Computer entsprechend gebrauchsfähig machen, und das gleich, seine Eltern andererseits Konflikte an Heilig Abend vermeiden.
Irgendwann eskalierte das Ganze total. Ursula verließ erregt den Raum, Attila war sauer. Er merkte wütend an, er werde jetzt diese Arbeit zu Ende machen, dann werde er hier verschwinden und in einer Pension übernachten, von wo aus er dann direkt nach Hause fliege. Nun platzte aber mir fast der Kragen!
Was sollte das nun wieder? Herrgott nochmal, wo war eigentlich das Problem? Als Ursula und Stefan zurückkehrten, redeten wir noch einmal über die Sache und das Missverständnis löste sich weitgehend auf. Egal was Ingrid als Geschenk im Sinn hätte, es würde bestimmt nichts mit Attilas erledigten Voreinstellungen zu tun haben, somit auch nicht zum Streitfall werden.
Puh, das ging noch mal gut! Attila schlief nämlich doch nicht in der Pension, sondern ruhig an meiner Seite ein.
Dann nahte der Heilige Abend. Ingrid kam vorbei, schwang nicht ganz logische Reden über ihren Job und ihre Kündigungsabsicht. Teilweise provozierte sie hierbei absichtlich ihre Mutter, wollte nach ein paar Wortgeplänkeln auch vorzeitig beleidigt abhauen, was wir mittels Besänftigung verhindern konnten. Aber wenigstens hatte sie Felix zu Hause in seinem Bett gelassen, damit er sich auskurieren konnte und niemanden ansteckte.
Bezüglich des Weihnachtsgeschenkes gab es zum Glück Entwarnung. Ingrid schenkte ihren Eltern einen Prepaid-Stick, mit dem sie im Internet surfen konnten, und eine Anleitung für die Programme auf dem Computer. Attila und sein Vater bekamen von Ursula und mir das gleiche Geschenk, und das ohne vorherige Absprache: das vieldiskutierte Buch von Thilo Sarrazin, in welchem dieser die These vertrat, dass Deutschland mit Hochdruck dabei sei, sich selber abzuschaffen. Ich bekam auch ein nettes Buch von einem Autor, den ich gerne lesen mochte; und Attila schenkte mir ein Teil von Thomas Sabo, eine silberne Badesandale am lilafarbenen Satinband. Die passte natürlich hervorragend nach Spanien und auch zu meiner Garderobe.
Wir beschlossen diesen Abend harmonisch und Attila zeigte seiner Mutter noch die Bedienung des Email-Programmes. Nun würden wir auch auf diesem Weg miteinander über die 2.000 km hinweg kommunizieren können. Ausprobiert wurde das Mailschreiben gleich einmal mit Bekannten der Szábos, die sich über das Lebenszeichen der beiden sehr freuten und gleich mehrere Mails an sie abschickten.
Erst als wir zu Bett gingen erzählte mir Attila, dass er vorhin eine SMS seiner Tochter Solveig erhalten habe. Eine recht ekelhafte und undankbare Mitteilung. Sie hatte sich darüber beschwert, was ihrem Vater eigentlich einfiele, ihr eine CD mit einem halbnackten Mann auf dem Cover zu schicken. Attila schrieb zurück, dass dieser Sänger hier in Spanien »in« sei. Woraufhin sie zurückschrieb, das sei ihr vollkommen egal, was in Spanien sei. Sie werde die CD zurücksenden, sie wolle sie nicht haben, eigentlich gar kein Geschenk von ihm.
Dieses Weib, es war ja nicht zu fassen! Der Sänger zeigte auf dem Cover einen nackten Oberkörper, wie jeder zweite Deutsche, wenn er samstags sein Auto wäscht. Solveig und daran Anstoß nehmen, dass ich nicht lache! Sie war schließlich jemand, der sogar im Schüler-CC schon wegen obszöner Äußerungen mehrfach verwarnt worden war.
Nein, die pubertierende Göre wollte vielmehr wieder einmal absichtlich ihren Vater vor den Kopf stoßen. Die Äußerung klang außerdem doch recht typisch nach der Prüderie ihrer Mutter. Klar! Wenn man gegen Attila Front machen konnte, so waren sich auch Uschi und Solveig trotz aller Differenzen temporär und zweckgerichtet wieder einig.
Am nächsten Morgen schickte Attila eine Antwort-SMS an Solveig ab. Wenn sie schon kein Geschenk von ihm wolle, dann solle sie konsequenterweise auch das mitgeschickte Bargeld an ihre Geschwister verteilen. Darauf kam erwartungsgemäß keine Antwort mehr. Selbstverständlich kam auch die CD nie zurück.
Mit Sorge hatten Attila und ich die Wetternachrichten verfolgt, die speziell für Südbayern neue ergiebige Schneefälle ankündigten. Wir wollten am ersten Weihnachtsfeiertag mittags von München aus zurück nach Spanien fliegen und hatten nun Angst, der Flieger könne womöglich nicht starten. Solche Szenarien hatten sich in Deutschland in den letzten Wochen andauernd abgespielt, mal war kein Streusalz auf den Flughäfen vorhanden, mal fehlte es an Enteisungsmittel für die Flugzeuge. Vorsichtig lugten wir am 25.12. durch die Gardine, um das Ausmaß der Katastrophe zu eruieren. Aber wir hatten Glück, der Schneefall hatte sich entgegen der Meldungen in erträglichen Grenzen gehalten.
Gut gelaunt fuhren wir zum Flughafen, nachdem wir eine herzliche Verabschiedung bei Szábos erfahren hatten. Das Flugzeug startete pünktlich und wir freuten uns schon mächtig auf unsere neue Heimat. Dort würden die Temperaturen wieder viel erträglicher sein, außerdem würden wir überhaupt keinen Schnee mehr sehen müssen. Nach der Zwischenlandung in Madrid war es soweit: wir steuerten die Küste an und fühlten uns prima.
Daheim war alles in Ordnung, kein Einbrecher hatte das Haus angetastet. Wir hatten schon Bedenken bekommen, weil die von Ausländern bewohnten Siedlungen über Weihnachten alle nahezu verwaist dalagen. Die Bewohner weilten ja überwiegend in ihren Herkunftsländern. Außerdem hatte jemand kurz vor unserem Abflug den Sattel meines Fahrrades von unserer Terrasse geklaut, trotz des abgesperrten Eisentors.
Einen Wermutstropfen gab es an diesem Abend dennoch zu verarbeiten: СКАЧАТЬ