Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Scheidung kann tödlich sein - Andrea Ross страница 3

Название: Scheidung kann tödlich sein

Автор: Andrea Ross

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783967525403

isbn:

СКАЧАТЬ der tat das mit voller Absicht und wusste, worauf er sich einließ.

      Immer wieder aufs Neue.

      1973 – Der schwarze Schaukelstuhl-Freitag

      Ich liebe die Freitage. Wenn ich aus der Schule komme, vertilge ich immer mein Mittagessen, kümmere mich kurz um die Hausaufgaben und dann, ja dann winkt die große Freiheit. Nicht nur wegen des Wochenendes. Am Freitagnachmittag erledigen meine Eltern stets den Großeinkauf der Familie und sind nur allzu froh, wenn ich gelangweilt anmerke, dass ich nicht unbedingt mitgehen möchte und sogar, wenn es denn sein muss, auf den kleinen Bruder aufpassen werde. Sie sind wohl glücklich, dass ihnen keine nervigen Kinder an der Kasse beharrlich Süßigkeiten herauspressen wollen. So hat jeder etwas von diesen Freitagen: die Eltern ihre Ruhe, und wir Kinder Zeit für Sachen, die unsere Alten besser nicht mitbekommen sollten. Herrlich!

      So auch heute. Kaum hat meine Mutter nach den üblichen Ermahnungen die Türe hinter sich zugezogen, erwachen meine Lebensgeister. An genau diesem Freitag werde ich versuchen, die Experimente von früher zu wiederholen, deren Ergebnis mir damals sehr zugesagt hatte.

      Mein Bruder nannte ein Schaukelpferd sein Eigen, was ich ihm ziemlich neidete. So was hatte man mir früher nicht gekauft, aber das war ja wieder typisch. Immer nur er! Daher verfiel ich irgendwann auf die wahnwitzige Idee, ihm das Schaukeln darauf madig zu machen. Ich setzte mich neben dem selig schaukelnden Bruder auf den Fußboden und machte abfällige Bemerkungen über das Pferdchen, dass dieses langweilige Schaukeln ja wohl überhaupt keinen Spaß machen könne. Es sei denn, man versuche sich an einem tollkühnen Überschlag!

      Peter reagierte auf meine blöden Bemerkungen erst einmal überhaupt nicht. Da musste ich wohl Stufe zwei meines Planes einleiten: man halte die Kufen hinten fest, bis Peter seine Wut kriegt und versucht, durch körperliche Anstrengungen das Pferdchen wieder frei zu schaukeln. Und dabei möglichst der blöden Schwester die Finger unter den Kufen einzuklemmen. Danach müsste man die Kufen nur noch plötzlich loslassen, und voilà ... Mein Brüderlein war sehr schnell jähzornig zu bekommen, diese Eigenschaft hatte er wohl von Mama geerbt. Tatsächlich saß er mit vor Anstrengung hochrotem Kopf zu Pferde und ackerte mit all seiner kindlichen Kraft, um den Holz-Gaul aus meinem hinterhältigen Einfluss zu befreien. Schon das sah urkomisch aus, ich lachte schadenfroh in mich hinein. Dann war es soweit, ich schenkte schlagartig dem Pferd seine Freiheit. Und dem Peter ein wahres Jahrmarktserlebnis, denn er überschlug sich tatsächlich,

      landete danach unsanft auf seinem Dickschädel.

      Die Folge war damals eine leichte Gehirnerschütterung für Peter, der von meiner Mutter ausgiebig beweint wurde, sowie ein geröteter Hintern bei mir. Der Teppichklopfer hatte ganz schön was aushalten müssen. Als ich tränenüberströmt in meinem Zimmer lag, wobei ich es tunlichst vermied, mich auf den Rücken zu drehen, wurde mir klar, welchen Fehler mein Plan gehabt hatte: die Eltern waren zu Hause gewesen. Ich hatte keine Zeit mehr gefunden, den Peter zu bestechen, damit die Unfallursache geheim blieb. Das würde mir nicht noch einmal passieren!

      Aber heute, zwei Jahre später, liegen die Dinge anders. Der Peter interessiert sich nun zwar nicht mehr für Schaukelpferde, dafür aber für den schwarzen Schaukelstuhl meiner Eltern, den sie sich kürzlich angeschafft haben. Der ist so eine Art Heiligtum, der ganz persönliche Luxus meines Vaters. Daher hat man uns auch unter Androhung übelster Strafen untersagt, damit allzu wild zu schaukeln. Ich habe die Kufen-Konstruktion genau analysiert, auch dieser Stuhl dürfte an irgendeinem Punkt zum Überschlag gelangen. Spitze! Der unbedarfte Peter schnallt bestimmt nicht, was ich vorhabe. Der ist noch klein und dämlich.

      Ich setze mich in den Stuhl, fange an zu schaukeln. Bemerke beiläufig, wie herrlich das doch sei, erst recht, wenn man das Tempo etwas erhöhe. Demonstriere es auch gleich, während ich nebenbei erfreut registriere, dass tatsächlich der Moment, an dem die Kufen den Schwung nicht mehr abfangen können, nicht mehr weit sein kann.

      Peter lässt nun seine Bauklötze links liegen, will natürlich auch schaukeln. Er möchte überhaupt immer alles, was ich habe oder kann. Erst einmal erkläre ich ihm triumphierend, dass er noch ein Baby sei und mit diesem Höllenstuhl überhaupt nicht umgehen könne. Das sei viel zu gefährlich. Erwartungsgemäß will Peter jetzt erst recht, koste es, was es wolle. Als er schon kurz vor einem kapitalen Wutanfall steht, spiele ich die großzügige, nette Schwester: bitte sehr, versuche es ruhig. Aber so schnell wie ich kannste eh nicht. Woraufhin Peter natürlich alles Menschenmögliche daransetzt, aus dem Stuhl ein Fluggerät zu machen.

      In froher Erwartung sitze ich, gelangweilt wirkend, auf der Couch. Jetzt gleich ... KNACK!!! Ach, Du Schande! Was ist jetzt passiert? Der Stuhl verlangsamt sein Tempo; anstatt wie geplant durch die Luft zu fliegen, klettert mein Bruder beunruhigt vom Schleudersitz, völlig unbeschädigt. Und kniet sich wie ich auf den Boden, um die Ursache für das Geräusch zu eruieren.

      Ich werde blass. Offensichtlich hat sich Peter mit dem Stuhl auf eines seiner Bauklötzchen geschaukelt. Dieses geriet unter die linke Kufe und bewirkte, dass diese komplett brach. Eine hässliche, hellere Abbruchstelle leuchtet nun als ständige Mahnung an der Frontseite des schwarzen Schaukelstuhls, der nun auch nicht mehr richtig stabil aussieht.

      »Andrea, ganz ruhig! Kühlen Kopf bewahren und überlegen«, spreche ich mir selber Mut zu. Der Peter sinniert indes, ob man die Kufe nicht einfach wieder mit Kaugummi anpappen könnte, denn auch ihm ist bewusst, dass dies nach Ärger riecht. Und zum Zeitpunkt des Unfalles war schließlich er auf dem Stuhl gesessen, daran gibt es nichts zu rütteln.

      Nein, die Kaugummi-Methode verwerfe ich wegen zu geringer Haltbarkeit des Materials! Aber ich erinnere mich, dass mein Vater irgendwo im »Kämmerle«, so heißt unsere Rumpelkammer, eine Tube Holzleim aufbewahrt. Den hat er vor meinen Augen schon einmal benutzt, als wir aus Kastanien und Streichhölzern Tierchen gebastelt haben. Fieberhaft suche ich den Leim, denn nun drängt langsam die Zeit. Was tun, wenn jetzt vorne jemand die Haustüre aufsperrt und die Bescherung sieht? Nicht auszudenken, mein Hintern schmerzt schon beim bloßen Gedanken daran. Mein Bruder hat längst die Nerven verloren, wimmert nur monoton vor sich hin. Ich glaube, der denkt ebenfalls bereits an sein Hinterteil.

      Da, endlich! Das ist der gesuchte Holzleim, ein Glück. Ich will schon wieder in Panik geraten, als sich die weißliche Paste nicht herausdrücken lässt, denn die Tube ist vorne mit alten Leimresten verhärtet. Mit einem Nagel bohre ich eine neue Öffnung, versuche es erneut. Ein Glück, jetzt funktioniert‘s! Mit fliegenden Fingern und Kloß im Hals streiche ich die Bruchstelle ein, klebe das Kufen-Stück zurück an den Stuhl.

      Aber Peter, der bisher noch gar nichts zu unserer Rettung beigetragen hat, bemerkt nur verzweifelt: »Das sieht man aber! Der Leim ist ja weiß, und nicht schwarz.« Verdammt! So ungern ich es zugebe: der Kerl hat leider Recht.

      Wenigstens bin ich ein erfinderischer Mensch. Ich hole meinen schwarzen, wasserfesten Filzstift und umrande die weiße Nahtstelle, bis sie wirklich fast nicht mehr auffällt. Allerdings ist mir klar, dass der Leim noch lange nicht abgebunden haben wird, sich der Stuhl also nicht benutzen lässt. Mit Entsetzen nehmen wir wahr, dass soeben die Stimmen unserer Eltern, die sich im Treppenhaus unterhalten, immer näherkommen. Oh Gott, hoffentlich brauchen die jetzt ewig, um die Taschen auszupacken! Vielleicht ist der Leim ja dann inzwischen fest.

      Mein Brüderlein und ich versuchen, total unschuldig auszusehen. Peter spielt hingebungsvoll mit seinen Bauklötzchen und ich übertreibe es richtig: ich lese in einem Schulbuch. Damit ich es mir vor die Nase halten kann, denn mein schlechtes Gewissen scheint mir mit Leuchtbuchstaben auf der Stirn eingemeißelt zu sein. Manchmal beschlich mich schon der Eindruck, meine Mutter könne Gedanken lesen. Vor allem die Schlechten. Daher verstecke ich mich lieber hinter einem Gegenstand, da ist im Notfall sogar ein Schulbuch recht. Und dies ist ein Notfall, eindeutig! Mama bedenkt mich mit einem erstaunten Seitenblick; denn, dass ich freiwillig СКАЧАТЬ