Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
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Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783417228694

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СКАЧАТЬ erlebte ihre „Endredaktion“ unter Gamaliel II. um 100 n. Chr.103 Sie werden in jedem Synagogengottesdienst gebetet und sind ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Identitätsbildung. In den Segenssprüchen sind vierzehn Bitten enthalten, die hier gekürzt wiedergegeben werden:104

       1. Begnade uns von dir mit Erkenntnis, Einsicht und Verstand.

       2. Führe uns zurück, unser Vater, zu deiner Lehre, und bringe uns, unser König, deinem Dienst nahe und lass uns in vollkommener Rückkehr zu dir zurückkehren.

       3. Vergib uns.

       4. Schaue auf unser Elend, führe unseren Streit und erlöse uns rasch um deines Namens willen.

       5. Bringe vollkommene Heilung allen unseren Wunden.

       6. Segne uns dieses Jahr und alle Arten seines Ertrages zum Guten.

       7. Stoße in das große Schofar zu unserer Befreiung, erhebe das Panier, unsere Verbannten zu sammeln.

       8. Bringe uns unsere Richter wieder wie früher; rechtfertige uns im Gericht.

       9. Den Verleumdern sei keine Hoffnung, und alle Ruchlosen mögen im Augenblick verloren sein …

      10. Über die Gerechten, über die Frommen, über die Ältesten deines Volkes, des Hauses Israel, über den Überrest ihrer Gelehrten, über die frommen Proselyten und über uns sei dein Erbarmen rege!

      11. Nach deiner Stadt Jerusalem kehre in Erbarmen zurück; erbaue sie bald in unseren Tagen.

      12. Den Sprössling deines Knechtes David lass rasch emporsprießen, sein Horn erhöhe durch deine Hilfe.

      13. Höre unsere Stimme; nimm mit Erbarmen und Wohlgefallen unser Gebet an.

      14. Bringe den Dienst wieder in das Heiligtum deines Hauses.

      15. Verleihe Frieden, Glück und Segen, Gunst und Gnade und Erbarmen uns und ganz Israel, deinem Volke, segne uns, unser Vater, uns alle.

      Es wird gemeinhin angenommen, dass die meisten dieser Gebete zur Zeit Jesu in Gebrauch waren; daher helfen sie uns, die theologische Welt zu verstehen, zu der er gehörte. Ein vollständiger Vergleich zwischen dem Vaterunser und dieser Gebetssammlung geht über die Möglichkeiten dieses Kapitels hinaus, doch einige Beobachtungen sind vielleicht hilfreich. Die Bitten enthalten:

      – Eine starke Betonung Jerusalems und des Tempels (10, 11, 14, 17).

      – Die Nennung eines heiligen Buches. Neben einer Bitte um Erkenntnis um Einsicht steht auch ein Bekenntnis der Treue zur Heiligen Schrift (4, 5).

      – Eine Betonung des Leidens der Glaubensgemeinschaft und die Notwendigkeit der Befreiung und Wiederherstellung (7, 8, 11, 13, 15, 17).

      – Eine Bitte um Vergebung, die allerdings nicht mit der Vergebung anderen gegenüber verknüpft ist (5, 6).

      – Ein Gebet um Segen für das landwirtschaftliche Jahr (9).

      – Ein Ruf nach Vernichtung der Feinde [ha-Minim] (12).

      – Die Bitte um Erbarmen, Gebetserhörung, Frieden und Glück (16, 19).

      Trotz all ihrer ehrenwerten und bewundernswerten Aspekte ist diese Gebetssammlung eindeutig für eine bestimmte ethnische Gemeinschaft mit ihrem Zentrum in Jerusalem bestimmt. Jesus entzionisiert diese Tradition.105 Das Vaterunser enthält keinen Hinweis auf Jerusalem oder den Tempel und die Jünger werden gelehrt, um das Kommen des Königreiches Gottes „auf Erden“ zu beten: Alle Menschen weltweit werden in den Blick genommen. Vergebung ist an die Vergebung anderen gegenüber gebunden. Es wird kein Wunsch nach der Vernichtung Außenstehender formuliert, und es gibt keine Bitte, Gott möge auf das Leiden seines Volks sehen oder für sein Volk kämpfen.

      Jeder Erneuerer muss sich mit den Traditionen der Vergangenheit auseinandersetzen. Manche Dinge werden weggelassen, während andere unbestritten bestätigt werden. Wieder andere werden akzeptiert und durch die Einführung neuer Elemente verändert. Jesus ist dabei keine Ausnahme. Ein Blick auf das, was er weglässt, was er bestätigt und was er revidiert, indem er neue Elemente hinzufügt, kann uns helfen, seine Absicht zu verstehen. Das bringt uns zur ersten „Du-Bitte“.

      Nach der Einleitung „Unser Vater, der du bist in den Himmeln“ fährt Jesus mit den Worten fort: „Möge er geheiligt werden, dein Name“ (eigene Übersetzung). Dieser Satz scheint auf den ersten Blick widersinnig. Gott zu bitten, sein Name möge geheiligt werden, klingt, als würde man sagen: „Möge das Holz hart werden“ oder „Möge das Feuer heiß werden“. Das Holz ist bereits hart und das Feuer bereits heiß. Gottes Name ist die heiligste Wirklichkeit überhaupt. Alles andere mag unrein sein, doch Gottes Name ist heilig. Allerdings kann er entweiht werden.

      In Hesekiel 36,16-23 muss der Prophet dem Volk Israel sagen, dass es das Land durch Blutvergießen und Götzenverehrung entweiht hat. Dann vertrieb Gott das Volk, und dabei wurde Gottes heiliger Name in den Augen der nicht jüdischen Völker entehrt, denn Gott schien zu schwach, um sein Volk zu retten. Wie in Abbildung 8.1 dargestellt, verkündet Gott daraufhin:

Da tat es mir leid um meinen heiligen Namen, Mein heiliger Name
den das Haus Israel unter den Nationen entweiht hatte,wohin sie auch kamen. entweiht unterden Nationen
Darum sage zum Haus Israel: So spricht der Herr, HERR:Nicht um euretwillen handle ich, Haus Israel,sondern um meines heiligen Namens willen, nicht für euchfür meinenheiligen Namen
den ihr entweiht habt unter den Nationen,zu denen ihr gekommen seid. entweiht unterden Nationen
Und ich werde meinen großen,unter den Nationen entweihten Namen heiligen. Ich heilige meinen Namen

      Abbildung 8.1: Hesekiel 36,21-23

      Der hier beschriebene Gedanke ist, dass Gott seinen eigenen Namen heiligt. Dieser Gedanke ist in Hesekiel 20,41-42 bereits deutlich auf den Punkt gebracht, wo es heißt: „… und ich mich an euch als heilig erweise vor den Augen der Nationen. Und ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich euch in das Land Israel bringe […].“ Karl Kuhn schreibt: „Gott selbst [ist] es …, der seinen Namen als heilig erweist.“106 Zunächst ist der Ausdruck „Heilige deinen Namen“ etwas, das Gott selbst tut: Er macht seinen Namen heilig, indem er rettend in die Geschichte eingreift.

      Im engeren Sinn trifft dies immer zu, wenn der Ausdruck heilig machen im Passiv auftritt. Wenn in der Hebräischen Bibel das Verb heilig machen im Passiv verwendet wird, ist immer Gott der Handelnde. Daraus folgt, dass die Formulierung „Dein Name werde geheiligt“ im Vaterunser bedeutet: „O Gott, wir flehen dich an, dass du deinen eigenen Namen heilig machst.“ Denn kein Mensch kann je solch einen Ehrfurcht gebietenden göttlichen Akt ausführen! Doch selbst wenn uns diese Dinge bewusst sind, ist die Formulierung trotzdem noch geheimnisvoll, zum Teil, weil es um Gottes Namen geht.

      Worin liegt die Bedeutung СКАЧАТЬ