HIPPIES, PRINZEN UND ANDERE KÜNSTLER. Klaus Hübner
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СКАЧАТЬ kommentieren, als Philosoph und als Lyriker?

      Mir scheint, dass Malkowski da ganz recht hat. Er spricht da von einer Seite des Kunstwerks, die man auch als Ewigkeit bezeichnen könnte. Dieses Wort will er aber wohl vermeiden, weil es ihm zu bombastisch erscheint und weil es in der Tradition schon totgeritten worden ist.

       Rainer Malkowski hat sich, wie Sie ja auch, über Jahrzehnte hinweg mit der bildenden Kunst auseinandergesetzt. Merkt man das seinen Gedichten und Prosastücken an?

      Ja, er wäre immer gern Bildhauer gewesen. Über die Gründe habe ich vorhin schon gesprochen. Natürlich merkt man es dem Werk eines Dichters an, wenn ihn Gemälde und Skulpturen faszinieren. Wie gesagt: Das geht mir genau so.

       Malkowski hatte hohe, ja höchste Ansprüche an die Kunst. Einer seiner Aphorismen lautet: »Auch unsere Fiktionen sind Fakten – wahrscheinlich sogar die entscheidenden.« Ist das so, oder überschätzt hier ein Künstler die Kunst?

      Zunächst – wenn man als Künstler nicht höchste Ansprüche an die Kunst hat, dann braucht man damit gar nicht anzufangen. Natürlich sind Fiktionen Fakten – das gilt sogar außerhalb der Kunst. Staat, Rechtssystem, Geschichte, Wissenschaft – all das sind Fiktionen. Religion ist eine Fiktion. Liebe ist eine Fiktion. Sie existieren nicht materiell, sondern in Gedanken. Dennoch können sie die entscheidende Realität darstellen. Wobei ja auch der Begriff der Materie eine Fiktion ist. Da muss man nicht erst Heisenberg bemühen.

       Der gebürtige Preuße Malkowski hat die zweite Hälfte seines Lebens in Brannenburg am Inn gewohnt. Hatte er ein besonderes Verhältnis zu Bayern und zu Bayerischem?

      Das weiß ich leider nicht, darüber haben wir nie gesprochen. Von einem großen Fenster seines Hauses aus sieht man direkt auf den Wendelstein. Also muss ihm die bayerische Landschaft doch viel bedeutet haben.

       Ist Rainer Malkowskis Nachlass erschlossen, und dürfen wir Leser auf weitere Bücher von ihm hoffen? Oder wenigstens auf eines?

      Auch da tappe ich leider im Dunkeln. Unbekannte Gedichte sind wohl nicht mehr zu erwarten. Aber sonst? Hoffen wir, dass es noch Überraschungen gibt.

       Rainer Malkowski: Die Gedichte. Mit einem Nachwort von Nico Bleutge. Göttingen 2009: Wallstein Verlag. 763 S. Dieses Buch versammelt die Gedichte aus den einzeln im Suhrkamp Verlag erhältlichen Bänden Was für ein Morgen (1975), Einladung ins Freie (1977), Vom Rätsel ein Stück (1980), Zu Gast (1983), Was auch immer geschieht (1986), Das Meer steht auf (1989), Ein Tag für Impressionisten und andere Gedichte (1994) und Hunger und Durst (1997) sowie aus dem beim Hanser Verlag erhältlichen Band Die Herkunft der Uhr (2004).

       Rainer Malkowski: Aphorismen und kleine Prosa. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Michael Krüger. Göttingen 2013: Wallstein Verlag. 135 S. Dieses Buch enthält die zum Teil im Interview zitierten Aphorismen sowie die »Hinterkopfgeschichten«, die im Jahr 2000 unter dem Titel Im Dunkeln wird man schneller betrunken bei Nagel & Kimche erschienen sind.

       Rainer Malkowski: Am Schreibtisch. Bibliographie und ausgewählte Texte. Zusammengestellt und herausgegeben von Matthias Kußmann (= Mainzer Bibliographien 1). Warmbronn 2004: Ulrich Keicher Verlag. 119 S. Enthält Gedichte und Prosa von Rainer Malkowski, einen Nachruf auf ihn von Walter Helmut Fritz sowie die bisher ausführlichste Bibliografie seiner Schriften.

      

      

      Wahrnehmung als Ereignis. Weltpoesie aus Brannenburg am Inn

      Rainer Malkowski, 1939 in Berlin geboren, zog sich im Alter von zweiunddreißig Jahren aus einem überaus erfolgreichen Berufsleben zurück und wurde ein von Kollegen, Kritikern und Lesern hochgeschätzter, mit bedeutenden Preisen geehrter Dichter. Seinem ersten Lyrikband Was für ein Morgen (1975) folgten acht weitere Gedichtbände sowie Kurzprosa, Essays, Aphorismen und Kinderbücher. Dazu kommt eine Vielzahl von Arbeiten für Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunk. Auch als Anthologist, Herausgeber und Interpret war Rainer Malkowski tätig. Von den frühen Siebzigerjahren bis zu seinem Tod im Jahr 2003 lebte er in Brannenburg am Inn, weshalb es auch die Bayerische Akademie der Schönen Künste ist, die seit 2006 alle zwei Jahre den Rainer-Malkowski-Preis verleihen darf. Dem Dichter und seinem Werk war 2015 eine Tagung gewidmet, die das Lyrik Kabinett München gemeinsam mit dem Institut für deutsche Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität veranstaltete. Ihr verdankt sich der vorliegende Band. Nicht nur Literaturwissenschaftler sollten ihn lesen.

      Eines der großen Verdienste der Herausgeber ist es, Rainer Malkowskis zuerst 2001 in den Akzenten erschienene Dankrede für den Joseph-Breitbach-Preis mit dem Titel Dreizehn Arten das Gedicht zu betrachten sowie seine autobiografisch geprägte, 1996 zum ersten Mal gedruckte Betrachtung Lyrik – Bemerkungen über eine exotische Gattung neu zugänglich gemacht zu haben. Malkowski beginnt diese lesenswerte und lehrreiche Betrachtung mit der Beobachtung, dass ihm und anderen Lyrikern zwei Fragen besonders oft gestellt werden: »Warum schreiben Sie überhaupt Gedichte?« und »Können Sie davon leben?« Und sagt dazu: »Die Antwort auf die zweite Frage ist sehr kurz und geradezu beseligend zweifelsfrei. Sie heißt: nein. Die Antwort auf die erste Frage … ist länger …« Warum Gedichte? Sie seien, schreibt er, »jene Art von Genauigkeit, die die Ungenauigkeit, mit und in der wir leben, bewusst macht. Sie zielen auf Erkenntnis durch Vergegenwärtigung. Und sie zielen auf Totalität …« Erkenntnis? Sind Gedichte am Ende gar nützlich? Im programmatischen Gedicht Am Schreibtisch heißt es: »Die Nützlichkeit des Unnützen: / eine Rangfrage.« Welchen Nutzen man aus dem Werk dieses der präzisen Wahrnehmung des Alltags verpflichteten, skeptischen, unpathetischen, niemals hermetischen, unprätentiös und oft verblüffend lakonisch daherkommenden Sprachperfektionisten ziehen kann, machen die wissenschaftlichen Beiträge von Wulf Segebrecht, Walter Hettche, Theo Elm, Waldemar Fromm, Markus May, Norbert Miller und Gabriele von Bassermann-Jordan deutlich. Welchen Nutzen die Lyrik Rainer Malkowskis für ihr eigenes Schreiben hatte und immer noch besitzt, skizzieren Nico Bleutge, Gino Chiellino, Angela Krauß und Nadja Küchenmeister. Die internationale Beachtung, die Malkowskis Gedichte gefunden haben, führt Ali Abdollahi vor Augen, sein Übersetzer ins Persische. Und wenn man die drei Seiten von Malkowskis langjährigem Verleger Michael Krüger liest, der von einem »hochreflexiven Dichter« spricht, »der alles tat, um nicht durch besondere Reflexionen aufzufallen«, und ihn als genialen Minimalisten bezeichnet, »der nie viele Worte machte« – dann dürfen einem auch mal die Tränen kommen. Vom Rätsel ein Stück ist eine wunderbare Einladung, Rainer Malkowskis Gedichte und Aphorismen (wieder) zu lesen.

      Waldemar Fromm / Holger Pils (Hrsg.): Vom Rätsel ein Stück. Beiträge zum Werk des Dichters Rainer Malkowski. Göttingen 2017: Wallstein Verlag. 228 S.

      

      Große Poesie – mit bayerischen Wurzeln. Der Dichter Paul Wühr und sein Erklärer Jörg Drews

      In den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ist der durch sein Kultbuch Gegenmünchen (1970) und sein innovatives O-Ton-Hörspiel Preislied (1971) einem größeren Publikum bekanntgewordene Dichter Paul Wühr – 1927 in München geboren, nach dem Krieg zunächst einmal Volksschullehrer – öfter durch die damals angesagten Münchner Stadtteile Schwabing oder Haidhausen gezogen. Im Schlepptau des am 12. Juli 2016 an seinem langjährigen Wohnort Passignano am Lago Trasimeno (Umbrien) gestorbenen Poeten zogen immer einige seiner Bewunderer und Fans mit, darunter seit 1983 auch viele, die sich an der Münchner Uni im legendären Hauptseminar СКАЧАТЬ