Название: HIPPIES, PRINZEN UND ANDERE KÜNSTLER
Автор: Klaus Hübner
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
isbn: 9783957658975
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Die 1929 in Landsberg an der Warthe (heute: Gorzów Wielkopolski) geborene Christa Ihlenfeld macht 1949 Abitur. Im gleichen Jahr wird die »Deutsche Demokratische Republik« (DDR) gegründet. Die deutsche Literatur soll das Leitmedium sein beim Aufbau eines demokratischen Sozialismus, und die junge Frau, seit 1951 mit dem ein Jahr älteren Gerhard Wolf verheiratet, will dabei mithelfen. Christa Wolf wird Lektorin, Literaturkritikerin und Redakteurin der Zeitschrift neue deutsche literatur. Wie eine zeitgemäße sozialistisch-realistische Literatur aussehen könnte, zeigt ihr literarisches Debüt Moskauer Novelle (1961). Richtig bekannt macht Wolf der Roman Der geteilte Himmel (1963). In Rückblenden und inneren Monologen wird vom Leben der Rita Seidel erzählt, die in »den letzten Augusttagen des Jahres 1961« im Krankenhaus erwacht (am 13. August 1961 wurde die »Berliner Mauer« errichtet). Ihr durch die Arbeiter ihrer Brigade befeuertes Engagement für den Aufbau des Sozialismus entfremdet sie vom geliebten, prinzipiell DDR-skeptischen Chemiker Manfred Herrfurth, der am Ende die Republik verlässt, während Rita in der DDR bleibt. Vor allem weil die Autorin das Tabuthema Republikflucht ins Zentrum stellt, wird Der geteilte Himmel ein großer Erfolg in Ost- wie in Westdeutschland. Doch das 11. Plenum des Zentralkomitees der SED Ende 1965 bereitet Christa Wolfs früher Karriere ein jähes Ende. Die Folge ist ein psychischer Zusammenbruch.
Der Roman Nachdenken über Christa T. (1968), der in engem Zusammenhang mit dem poetologischen Essay Lesen und Schreiben (1968) steht, entfaltet erstmals ein wichtiges Lebensthema der Autorin: Psychosomatisches, Krankheit und Tod. In Rückblenden, Träumen und Reflexionen wird über eine kürzlich an Leukämie gestorbene Freundin nachgedacht. Die fragmentarische Erinnerung an diese zweifelnde Antiheldin geht einher mit einer in der DDR-Literatur zuvor so nicht vernommenen kritischen Befragung des gesellschaftlichen Alltags. Dem Erzählungsband Unter den Linden (1974) folgt 1976 der dritte Roman: In achtzehn Kapiteln schildert Kindheitsmuster die Kindheit der Nelly Jordan und den Alltag einer deutschen Provinzstadt in der NS-Zeit. Die 1947 endenden Erinnerungen werden immer wieder mit Bildern, Gedanken und Gesprächen aus der DDR-Gegenwart konfrontiert, die mit lutherischer Gewissenhaftigkeit daraufhin überprüft wird, ob und wie weit faschistische Verhaltensweisen weiterbestehen. Der Bezugspunkt von Christa Wolfs auf Wahrhaftigkeit gerichtetem Schreiben ist die eigene persönliche Betroffenheit, ohne die die literarisch angestrebte »subjektive Authentizität« nicht möglich wäre.
Nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann (1976), gegen die sie öffentlich protestiert, wendet sich die Autorin dem »Gesprächsraum Romantik« zu. In der Erzählung Kein Ort. Nirgends (1979) wird ein fiktives Zusammentreffen zwischen den Dichtern Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist im Juni 1804 zum Anlass, über Möglichkeiten und Grenzen individueller Selbstverwirklichung und den gesellschaftlichen Spielraum der Poesie zu sprechen. Es geht auch um die für Wolfs Gesamtwerk zentrale Frage, warum die bürgerliche Forderung nach dem »Subjektwerden des Menschen« und speziell der Frau auch im DDR-Sozialismus nicht eingelöst wurde. Die Romantik als Echo- und Spiegelraum ihrer Protagonistinnen wird bald ergänzt durch die Antike, insbesondere in der Erzählung Kassandra (1983), über deren Kontext und Entstehung die Autorin in ihren Frankfurter Poetik-Vorlesungen (1982) Auskunft gibt. Mit diesen Werken, auch mit der nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verfassten Erzählung Störfall (1987) und dem Kurzroman Sommerstück (1989), wird Christa Wolf in den Achtzigerjahren zu einer Identifikationsfigur, Seelentrösterin und Moralikone der Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung in beiden Teilen Deutschlands. Lesereisen führen sie unter anderem nach Skandinavien, Frankreich und in die USA, ihre Werke werden in zahlreiche Sprachen übersetzt, die bedeutendsten Literaturpreise der DDR wie der BRD werden ihr zugesprochen, und als unermüdliche Unterstützerin junger Autoren der DDR erwirbt sie sich bleibende Verdienste.
An der »Wende« ist Christa Wolf mit ihrer Rede vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, ihrer Unterschrift unter den Aufruf Für unser Land und ihrer Mitarbeit an einem Verfassungsentwurf für eine reformierte DDR maßgeblich beteiligt. Die Veröffentlichung ihrer bereits 1979 entstandenen Erzählung Was bleibt (1990) führt zum später sogenannten ersten deutsch-deutschen Literaturstreit, in dessen Verlauf der Autorin ein verträumt-romantischer Politikbegriff sowie zu große Nähe zur Staatsführung der DDR vorgeworfen wird. Als sich 1993 herausstellt, dass bei der Staatssicherheit der DDR (Stasi) nicht nur eine zweiundvierzig Bände umfassende »Opferakte« über sie vorliegt, sondern auch eine Akte, die Wolf als Informelle Stasi-Mitarbeiterin (IM) in den Jahren 1959 bis 1962 ausweist, verstört dies die Autorin nachhaltig. Ihre existenzielle Krise und die lebensgefährliche Bedrohung ihres Körpers, der zum Seismografen des Zusammenbruchs ihres Landes wird, schildert Christa Wolf in der Erzählung Leibhaftig (2002). Ihr letztes Buch Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud (2010) bringt die Ereignisse um diese Enthüllung zur Sprache. Der autobiografische Reise- und Lebensbericht, komponiert aus Tagebuchskizzen, Traumprotokollen und fiktiven Passagen, kann als schmerzliche Selbstbefragung, Lebensbeichte und Vermächtnis der Autorin gelten. In Erinnerung bleibt Christa Wolf als literarische Hüterin und Weiterentwicklerin humanistischer Traditionen und glaubwürdige Verfechterin ihrer Utopie einer menschenwürdigen Gesellschaft, die sich an der engen DDR-Welt des real existierenden Sozialismus aufrieb und im Kapitalismus der Nachwendezeit innerlich nie ganz angekommen ist.
Als Poesie gut. Preußische Heimatkunde vom Feineren
2005 hatte der 1926 in Berlin geborene Günter de Bruyn eine ungemein lesenswerte »Liebeserklärung an eine Landschaft« vorgelegt: Abseits. Darin erkundet er, emphatisch-poetisch und nüchtern zugleich, die zunächst unspektakuläre Wald- und Wassereinsamkeit im Landkreis Oder-Spree. Um Spuren des Lebens zwischen Storkow, Beeskow und Lübben geht es auch in Kossenblatt. »Einen Bahnhof hat es hier nie gegeben, wer aber einen einstündigen Fußmarsch nicht scheute, konnte noch vor zwei Jahrzehnten Kossenblatt doch auf dem Schienenwege erreichen.« So lautet der erste Satz, und wem die makellose Prosa Günter de Bruyns ein wenig altväterlich erscheint, der liegt nicht ganz falsch. Nur dass sie ihrem Gegenstand vollkommen angemessen ist. In Kossenblatt wohnen kaum fünfhundert Menschen, und es ist absolut nichts los. Man kann zwischen Kiefern, Erlen und Birken herumstreunen und viel Wasser samt Schleuse betrachten, den früheren Gutshof und den einstigen Dorfkrug. Nicht besichtigen kann man das dreiflügelige Barockschloss, 1702 bis 1712 errichtet, und seit 1735 zeitweilig von Friedrich Wilhelm I. von Preußen bewohnt. Es wirkt grau und verlassen wie 1862, als der von Günter de Bruyn hochverehrte Theodor Fontane wenig Erfreuliches über Kossenblatt zu berichten wusste. Die »Hoffnung auf eine baldige Wiederbelebung des Schlosses« wird, so sieht es der Autor, wohl ungehört verhallen. Ihm ist der Bau seit seinen Kindheits- und Jugendtagen ein Begriff, und so ist sein zauberhaft präziser Text auch eine Annäherung an eigene Erinnerungen und ein Baustein seiner Autobiografie. Kultur- und sozialhistorische, topografische und naturkundliche Details machen die Lektüre dieses sprachlich meisterhaften Buchs zu einem Exerzitium der Entschleunigung. Genussreicher und einleuchtender kann man nicht vorgeführt bekommen, weshalb »das Heimischwerden in einer Landschaft auch das Wissen um ihr Werden erfordert.« Bewundernswert!
Günter de Bruyn: Kossenblatt. Das vergessene Königsschloss. Frankfurt am Main 2014: S. Fischer Verlag. 220 S.
Ein Meister seiner Zunft. Günter de Bruyn wird neunzig
Wem es vergönnt ist, sein neunzigstes Lebensjahr zu vollenden, der hat viel erlebt. Und wer wie Günter de Bruyn seit sagenhaften fünfundfünfzig Jahren als freier Schriftsteller tätig ist, blickt naturgemäß auf ein nicht gerade schmales Werk zurück. Bewunderer hat er viele, im Osten wie im Westen und auch jenseits der deutschen Grenzen. Ein glamouröser Literaturstar ist er nicht. Auch wenn es für diesen grundsoliden Bildungsbürger im Laufe der Jahre reichlich СКАЧАТЬ