Название: Klienten kennenlernen – Diagnosen dynamisch utilisieren
Автор: Krzysztof Klajs
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Hypnose und Hypnotherapie
isbn: 9783849782092
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Selbst wenn der Therapeut während der ersten Sitzung nur wenige Fragen stellt, so suggeriert er doch indirekt, indem er bei gewissen Erzählsträngen länger oder aufmerksamer zuhört als bei anderen, was hörenswert und somit wichtig ist. Auf diese Weise beeinflusst er während der Therapiesitzung die Aufmerksamkeit des Klienten.
Auch das Zusammentragen von Informationen besitzt therapeutisches Potenzial, da hierbei die Aufmerksamkeit in Richtung des gewünschten Ziels gelenkt werden kann, wodurch das Erreichen dieses Ziels näher rückt.
Als Resultat des Diagnoseprozesses kann es dazu kommen, dass sich das Identitätsgefühl des Klienten verändert. Infolge der medizinischen Diagnose erfährt sich der Klient nicht nur als Person, die etwa an einer hartnäckigen und langwierigen Erkrankung leidet, sondern nimmt sich selbst als Alkoholiker (oder als erwachsenes Kind eines Alkoholikers) wahr, als Bulimikerin oder Epileptiker. Indem sie sich mit der Krankheit identifizieren, beschränken viele Menschen ihre Aktivitäten nicht nur auf eine Weise, die sich mit der Sorge um ihre Gesundheit begründen lässt, sondern ziehen sich aus vielen weiteren Lebensbereichen zurück. Oft geschieht dies ohne medizinische Notwendigkeit, sondern ist Ausdruck einer falschen und eingeschränkten Persönlichkeitsperspektive. Das Thema Persönlichkeitsaspekte der Diagnose ist besonders bei jungen Menschen wichtig, da sie gerade erst damit beginnen, ihr Selbstbild zu entwickeln. Auch in besonderen Entwicklungsmomenten, wenn das bisherige Selbstbild Veränderungen unterliegt, sollten derartige Überlegungen zum Thema berücksichtigt werden. Hier sind beispielsweise Veränderungen als Folge biologischer Prozesse wie Menopause oder Andropause gemeint, oder wichtige Ereignisse im Leben, wie etwa Mutterschaft oder Vaterschaft, Arbeitsplatzverlust, Eintritt ins Rentenalter oder Tod des Lebenspartners.
Die Diagnose, die ein Klient vernimmt, kann eine beruhigende Wirkung haben oder aber, ganz im Gegenteil, seine Besorgnis noch verstärken. Nachdem ihnen ihre Diagnose mitgeteilt wurde, atmen viele Klienten erst einmal erleichtert auf. Sie sind (wenn auch unbewusst) der Meinung, dass, wenn der Therapeut »weiß, was mit mir los ist, er auch weiß, wie man das therapieren kann. Er hat bei mir eine Krankheit festgestellt und gegen jede Krankheit gibt es schließlich Medikamente.« Zahlreiche Klienten hingegen machen sich Sorgen. Sie verleihen der vernommenen Diagnose eine negative Bedeutung, vor allem, wenn das Internet als Quelle aller möglichen Katastrophenszenarien zurate gezogen wird.
Es ließe sich die Aussage wagen, dass die Neutralität des Therapeuten wohl eher eine Illusion ist oder im besten Falle eine unmöglich zu erfüllende und dadurch zweifelhafte Forderung.
Das Zusammentragen von Informationen und das Untersuchen des Klienten verlaufen nicht spurlos, sie beinhalten Suggestionen und führen zu Veränderungen bei der Person, die untersucht wird. Die Aktivitäten des Therapeuten, der Informationen zum Klienten sammelt, greifen also in das untersuchte Gebiet ein und verändern es.
Wichtig ist auch die Frage nach der Parallelität von Diagnose- und Therapieprozess unter den eben behandelten Gesichtspunkten der Suggestion. Manche Therapeuten bemühen sich, den Diagnose- vom Therapieprozess zu trennen. Solch ein Konzept würde bedeuten, dass zuerst die Diagnose gestellt und später eine Hypothese aufgestellt und verifiziert wird. Danach wird ein therapeutischer Handlungsplan bestimmt und im nächsten Schritt mit der Therapie begonnen. Dieses Konzept stützt sich auf die Argumentation, dass es schließlich unmöglich sei, eine Behandlung durchzuführen, wenn nicht bekannt ist, was behandelt werden soll.
Eine solche Denkweise ist Ausdruck eines linearen Zeitverständnisses, obwohl ein lineares Zeitverständnis bei Weitem keine Selbstverständlichkeit ist.
Alltägliche klinische Erfahrungswerte zeigen, dass Diagnose- und Therapieprozess parallel verlaufen und miteinander, auch zeitlich, verbunden sind. Die zeitliche Parallelität dieser beiden Prozesse, der Diagnostik und der Therapie, zeigt sich beispielsweise dann, wenn der Therapeut die Reaktionen des Klienten bereits beobachtet, während er noch mit dem Zusammentragen von Informationen beschäftigt ist. Dies schafft die Möglichkeit schneller Interventionen und verkürzt den Behandlungsprozess.
Das in diesem Buch vorgestellte Diagnosekonzept wurde zum Gebrauch der Psychotherapie erstellt. Ziel ist es, dass der Therapeut mithilfe der diagnostischen Reflexion nützliche Hinweise dazu erhält, wie er vorgehen kann, damit diese seine weitere therapeutische Arbeit lenkt.
1.4Die Diagnose in der ericksonschen Therapie
Wie Joseph R. Dunn (2006, p. 56) betont, erinnert der Begriff Diagnose sehr stark an die Beschreibung von Psychopathologie, in deren Rahmen eine bestimmte Krankheit diagnostiziert wird. Das Verständnis für den Klienten beschränkt sich meist darauf, dass er eine statistische Nummer für seine Krankheit erhält, und damit hat sich die Sache oft auch schon erledigt. Als Beispiel nennt der Autor den Umgang mit der Diagnose Depression. Infolge einer solchen Diagnose wird dem Klienten oft nur ein Standardmedikament gegen Depressionen verabreicht. Dabei ist eine medikamentöse Intervention nur einer von vielen Wegen, die zu einer Veränderung führen können. Im Falle einer Depression ist es ebenso wesentlich, Bereiche wie etwa Verhaltenssequenzen, Emotionen, Gedanken, innere Vorstellungen, die Einstellung des Klienten, den sozialen Kontext, interpersonale Beziehungen sowie geistige Aspekte zu erkennen, zu beschreiben und damit zu arbeiten.
Berücksichtigt man die hier dargestellten Überlegungen zur Suggestion und auch, dass der Therapeut seine Aufmerksamkeit im ericksonschen Ansatz eher auf die Chancen statt auf die Defizite, auf das Potenzial statt auf die Symptomatik sowie auf die Zukunft statt auf die Vergangenheit richtet, dann scheint es angebrachter, von »Erkennen« statt von »Diagnose« zu sprechen. Vielleicht kann dieses Wort, das sich ja darauf bezieht, dass etwas »erkannt« wird, die Gesamtheit des Prozesses beim Kennenlernen und Beschreiben des Klienten in der Psychotherapie besser wiedergeben. Außerdem umfasst der Begriff ein breiteres Gebiet, ist neutraler und weniger durch pathologische Aspekte der klinischen Diagnose belastet.
Sowohl Milton H. Erickson (Rossi, Erickson-Klein a. Rossi 2008b) als auch Haley (1985) konzentrierten sich auf Symptome oder bestimmte Verhaltensweisen, die im Zuge der Therapie modifiziert werden sollen und vermieden es, den Klienten mithilfe solch abstrakter Begriffe wie »gestörte Struktur« oder »Persönlichkeitsstörung« zu beschreiben. Erickson und Haley konkretisierten und präzisierten den Bereich der angestrebten Veränderungen, wodurch Kurzzeittherapien möglich wurden und die Behandlungskosten reduziert werden konnten (Zeig i Munion 2005).
Die Gedanken, die ich hier zum Thema Diagnose vorstellen möchte, stammen aus den Arbeiten Ericksons und seiner Schüler, die sein Konzept weiterentwickelten und im Umfeld der Erickson-Institute heute in über 130 Ländern der Erde tätig sind. Ich habe Milton H. Erickson persönlich nie kennengelernt. Zu seinen Lebzeiten hätte eine Reise von Polen nach Phoenix an ein Wunder gegrenzt. Jedoch hatte ich das Glück, vor vielen Jahren guten Lehrern und später guten Freunden zu begegnen, die es mir ermöglichten, mich über längere Zeit hinweg eingehend mit dem ericksonschen Ansatz zu beschäftigen. Dieses Buch bezieht sich größtenteils auf die wissenschaftlichen Arbeiten von Norma und Phil Barretta, Brent B. Geary, Eric Greenleaf, Jay Haley, Betty Alice Erickson, Bernhard Trenkle, Ernest Rossi, Michael Yapko und Jeffrey K. Zeig.
Milton Hyland Erickson (1901–1980) hob immer wieder die Einzigartigkeit eines jeden Individuums hervor:
»Im Alter von 26 Jahren beendete er sein Medizinstudium und wurde im gleichen Jahr auch СКАЧАТЬ