Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Es ist ein guter Hund, der für seinen Knochen kämpft«, sagte Billy zu seiner Entschuldigung. »Ich möchte keinen Hund haben, der das nicht täte.«
»Aber er ist mein Possum«, protestierte Saxon. »Und er liebt mich. Er muss mich mehr lieben als einen alten Knochen. Und er muss gehorchen, wenn ich etwas sage. Hörst du, Possum, gib mir jetzt den Knochen. Gib mir den Knochen, mein Herr.«
Sie streckte vorsichtig die Hand aus, und das Knurren wurde immer stärker und schriller, bis es in einem gereizten Schnappen endete.
»Ich sage dir, es ist Instinkt«, wiederholte Billy. »Er liebt dich, aber er kann das einfach nicht lassen.«
»Er hat das Recht, seinen Knochen gegen Fremde zu verteidigen, aber nicht gegen seine eigene Mutter«, ereiferte Saxon sich. »Ich werde ihn schon dazu bringen, dass er mir den Knochen lässt.«
»Ein Foxterrier ist schrecklich empfindlich, Saxon. Du machst ihn nur hysterisch.«
Aber sie war entschlossen, ihren Kampf durchzuführen, und sie hob einen kurzen Zweig vom Boden auf.
»So, mein Freund, gib mir jetzt den Knochen.«
Sie drohte dem Hund mit dem Zweig, und der Hund wurde wütender als je. Wieder schnappte er nach ihr, um sich dann auf seinen Knochen zu stürzen und sich daran festzuklammern. Saxon hob den Stock, wie um zu schlagen, und er ließ plötzlich den Knochen los, rollte sich vor ihren Füßen auf dem Rücken, alle Viere in der Luft, die Ohren demütig zurückgelegt und mit tränenerfüllten, flehenden Augen.
»Großer Gott!« sagte Billy ernst und feierlich. »Sieh ihn nur an – wie er daliegt und seinen Solar Plexus, seine Eingeweide und seinen ganzen Leib präsentiert – vollkommen wehrlos, als wollte er sagen: ›Hier liege ich. Prügele los auf mich! Tritt mir das Leben zum Leibe heraus! Ich liebe dich, ich bin dein Sklave, aber ich kann es nicht lassen, meinen Knochen zu verteidigen. Mein Instinkt ist stärker als ich. Töte mich – aber ich kann nicht anders.‹«
Saxons Zorn war verschwunden. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie sich niederbeugte und das winzige Geschöpf in ihre Arme nahm. Possum war außer sich vor Erregung, er winselte und zitterte, wand und drehte sich und leckte ihr Gesicht – alles, um ihre Verzeihung zu erlangen.
»Ein Herz von Gold, mit einer Rose im Mund«, summte Saxon, während sie ihr Gesicht in dem weichen, zitternden Bündel von Nerven und Empfindsamkeit vergrub. »Es tut Mutter leid. Sie wird dich nie mehr so quälen. So, so, mein Kleines. Sieh! Hier ist dein Knochen – nimm ihn.«
Sie setzte den Hund auf den Boden, aber er stand unentschlossen da, als wüsste er nicht, was er wählen sollte – sie oder den Knochen, und er sah sie an, um sich zu vergewissern, dass er wirklich ihre Erlaubnis hatte, zitterte aber gleichzeitig immer noch vor Bewegung über den furchtbaren Kampf zwischen Verlangen und Pflicht, der ihn fast zu zerreißen drohte. Erst als sie ihre Erlaubnis wiederholt und mit einem Kopfnicken auf den Knochen gezeigt hatte, nahm der Hund ihn wieder auf. Und einmal, als eine Minute vergangen war, hob er in plötzlichem Schreck den Kopf und sah sie fragend an. Sie nickte lächelnd, und Possum seufzte tief und zufrieden und machte sich dann wieder an seinen teuren Knochen.
»Mercedes hatte recht, als sie sagte, dass die Menschen um Arbeit kämpfen wie Hunde um einen Knochen«, sagte Billy langsam. »Es ist Instinkt. Ich konnte es ebenso wenig lassen, einen Streikbrecher zu verprügeln, wie Possum es lassen konnte, nach dir zu schnappen. Man kann es nicht erklären. Was man tun muss, das muss man tun. Wenn man etwas tut, so zeigt das, dass man es tun muss, ob man es nun erklären kann oder nicht. Weißt du noch, wie Hall nicht erklären konnte, warum er McManus beim Laufen den Stock zwischen die Beine steckte? Was man tun muss, muss man tun. Mehr ist darüber nicht zu sagen. Ich hatte nicht den geringsten Grund, unsern Zimmerherrn Jimmy Harmon zu verprügeln. Er war ein braver Bursche, in jeder Beziehung anständig. Aber ich musste es einfach tun, als der Streik in die Brüche ging und alles in mir so bitter war, dass ich es direkt schmecken konnte. Ich habe es dir nie erzählt, aber ich habe einmal nach meiner Entlassung mit ihm darüber gesprochen, als meine Arme heilten. Ich ging in den Lokomotivschuppen, lauerte ihm auf und bat ihn dann um Entschuldigung. Warum ich ihn um Entschuldigung bat? Das weiß ich nicht – wohl aus demselben Grunde, aus dem ich ihn verprügelte – ich konnte es nicht lassen.«
Und so erklärte Billy auf seine eigene, realistische Art das Gesetz von Ursache und Wirkung am Ufer des Umpquas, während Possum es auf ähnliche Art mit gierigen Zähnen an seinem Knochen darlegte.
*
Possum neben sich auf dem Bock, fuhr Saxon in die Stadt Roseburg ein. Sie fuhr im Schritt, und hinten am Wagen waren zwei schwere junge Arbeitspferde angebunden. Dahinter gingen sechs andere, jedoch frei, ohne angebunden zu sein, und den Nachtrab bildete Billy, der ein neuntes Pferd ritt. All diese Tiere schickte er von Roseburg nach den Ställen in West-Oakland.
Im Umpquatal hörten sie das Gleichnis von dem weißen Sperling. Der Bauer, der es ihnen erzählte, war ein älterer, wohlhabender Mann. Sein Hof war ein Muster an Ordnung und System. Später hörte Billy von den Nachbarn, dass man sein Vermögen auf eine Viertelmillion veranschlagte.
»Haben Sie die Geschichte von dem Bauern und dem weißen Sperling gehört?« fragte er Billy beim Mittagessen.
»Nein, ich habe nicht einmal je von einem weißen Sperling gehört«, antwortete Billy.
»Ja, die sind natürlich auch ziemlich selten«, gab der Bauer zu. »Aber hören Sie die Geschichte: Es war einmal ein Bauer, der kein rechtes Glück hatte. Nichts ging, wie es sollte, bis er schließlich eines Tages von dem wunderbaren weißen Sperling hörte. Es scheint, dass der weiße Sperling sich nur bei Tagesanbruch zeigt, und dass er dem Bauern, der ihn zu fangen vermag, großes Glück bringt. Am Tage darauf war unser Freund, der Bauer, bei Tagesanbruch, ja, noch etwas früher auf, um sich nach ihm umzusehen. Und wissen Sie – viele Monate suchte er nach ihm, aber nie sah er eine Spur.« Der alte Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, er fand ihn nie, aber er fand vieles rings auf dem Hofe, das getan werden musste, und er tat alles vor dem Frühstück, und ehe er sich umsah, war der Hof gut im Gange, und es СКАЧАТЬ