Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher. Стендаль
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher - Стендаль страница 41

Название: Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Essays + Memoiren + Tagebücher

Автор: Стендаль

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026824862

isbn:

СКАЧАТЬ Tage hielt er sich in den Bergen auf. Währenddem war Frau von Rênal die Beute der grausamsten Liebestäuschung. Wie friedsam dünkte sie das Leben! Und doch stand ihr das höchste Unglück bevor: das letzte Stelldichein mit einem Geliebten. Sie zählte die Stunden und die Minuten, die sie von der letzten Nacht mit Julian trennten.

      Endlich in der Nacht vom dritten zum vierten Tage vernahm sie von ferne das verabredete Zeichen. Umgeben von tausend Gefahren erschien Julian.

      Von diesem Augenblick an hegte sie nur den einen einzigen Gedanken: »Ich sehe ihn zum allerletzten Male!«

      In der heißen Umarmung des Geliebten lag sie wie ein kaum noch lebender Körper. Ein paarmal zwang sie sich, Liebesworte zu flüstern, aber es geschah so linkisch, daß es fast lieblos klang, was sie stammelte. Immer wieder mußte sie dem entsetzlichen Gedanken nachhängen, daß es Abschied sei auf immerdar. Bei seiner mißtrauischen Natur wähnte Julian, sie habe ihn bereits vergessen. Sie vermochte auf seine kränkenden Vorwürfe keine Worte zu erwidern, sondern nur große stille Tränen und fast krampfartige Händedrücke.

      »Wie soll ich dir glauben?« entgegnete Julian auf eine ihrer wortarmen Beteuerungen.

      Sie war zu Tode getroffen und fand keine Antwort. »Unmöglich kann man noch unglücklicher sein … Hoffentlich sterbe ich bald … Ich fühle, mein Herz steht still…«

      Das waren die längsten Sätze, die Julian zuteil wurden.

      Als der Morgen dämmerte und sie scheiden mußten, konnte sie nicht einmal mehr weinen. Stumm sah sie zu, wie er ein Seil mit Knoten am Fenster befestigte. Seine Worte, seine Küsse vermochte sie nicht zu erwidern.

      Vergeblich sagte Julian zu ihr: »Jetzt sind wir endlich an dem Punkte, den du so sehr ersehnt hast. Fortan werden dich keine Gewissensbisse mehr quälen, und wenn eins deiner Kinder einmal ein wenig unwohl ist, wirst du dir nicht gleich einbilden, es müsse meinetwegen sterben!«

      »Es tut mir leid, daß dir Stanislaus nicht Lebewohl sagen kann«, flüsterte sie tonlos.

      Die kalten Liebkosungen der Halbtoten rührten Julian am Ende doch bis tief in sein Herz. Stundenlang kam er von dem Gedanken daran nicht los. Er war unsagbar traurig.

      Auf der Höhe des Kammes drehte er sich wieder und wieder um, bis der Kirchturm von Verrières seinem Blick entschwand.

      24. Kapitel

      Endlich erkannte Julian auf einer noch fernen Anhöhe schwärzliche Mauern: die Zitadelle von Besançon.

      »Wie herrlich wäre es«, seufzte er, »wenn ich diese stolze Feste begrüßte, um als Leutnant in eins der Regimenter einzutreten, die den Platz zu verteidigen haben!«

      Besançon ist nicht nur eine der hübschesten Städte Frankreichs. Es ist auch reich an guten gebildeten Menschen. Aber Julian, das arme Bauernkind, hatte nicht die Mittel, sich vornehmen Leuten zu nähern.

      Er hatte sich von seinem Freunde Fouqué einen bürgerlichen Rock geliehen, und so überschritt er die Zugbrücke der Festung nicht in geistlicher Tracht. Den Kopf voll von der Geschichte der Belagerung von Besançon im Jahre 1674, wollte er die Burg und die Wälle besichtigen, ehe er sich im Seminar einkerkern ließ. Beinahe hätten ihn die Posten arretiert, weil er sich bis in Gebiete wagte, die der Militarismus der Allgemeinheit verbot, um daselbst für vier bis fünf Taler Heu im Jahre zu ernten.

      Die Höhe der Mauern, die Tiefe der Gräben und der drohliche Anblick der Geschütze fesselten ihn mehrere Stunden. Alsdann begab er sich nach dem Boulevard. Vor einem Kaffeehause blieb er staunend stehen und las das ihm rätselhafte Wort CAFÉ, das in Riesenbuchstaben über den beiden breiten Eingangstüren des Lokals prangte. Das war ihm etwas ganz Wunderbares. Nach einem Kampfe mit seiner Schüchternheit nahm er sich ein Herz und trat ein. Es war ein dreißig bis vierzig Schritt langer, mindestens sechs Meter hoher Saal. An diesem Tage kam sich Julian sowieso wie in einem Märchen vor.

      Auf zwei Billards wurde gespielt. Die Kellner riefen die Points aus, und die Spieler liefen um die von Zuschauern umlagerten Billards.

      Julian konnte sich nicht satt sehen. Die stattlichen Männergestalten, ihre massigen Schultern, ihr schwerfälliger Gang, ihre riesigen Backenbärte und ihre langschößigen Röcke, alles das fesselte ihn. Die edlen Bürger des alten Bisontium redeten nicht wie gewöhnliche Menschen: sie schrien wie Wilde auf dem Kriegspfade. Regungslos stand Julian da. Das war also die Kreishauptstadt Besançon! Welche Pracht und Herrlichkeit! In seiner Bewunderung traute er sich nicht, einen der hochmütigen Herren, die die Points ausriefen, um eine Tasse Kaffee zu bitten.

      Dem Fräulein am Büfett war das hübsche Gesicht des ländlichen jungen Mannes nicht entgangen, der, seinen kleinen Rucksack am Arm, drei Schritt vom Ofen entfernt dastand und die an der Wand postierte weiße Gipsbüste des Landesherrn anstaunte. Sie war eine Freigrafschaftlerin, groß, von prächtiger Figur und nett gekleidet, wie das ein gutes Kaffeehaus heischt. Schon zweimal hatte sie Julian mit leiser Stimme, die nur er hören sollte, angerufen: »Pst! Pst!«

      Er wandte sich um, blickte in ein paar große blaue, gar zärtliche Augen und merkte; daß der Zuruf ihm galt. Rasch näherte er sich dem Büfett und dem hübschen Mädchen, als marschiere er gegen einen Feind. Dabei verlor er im Eifer seinen Rucksack. »Ich muß offen mit ihr sein«, nahm er sich vor, indem er sich alle Mühe gab, seine Schüchternheit zu überwinden.

      »Verehrtes Fräulein«, begann er, »ich bin zum erstenmal in meinem Leben in Besançon. Ich möchte gern gegen Bezahlung eine Tasse Kaffee und ein Brötchen.

      Das Fräulein lächelte ein wenig und wurde rot. Es hätte ihr leid getan, wenn der hübsche junge Mensch den Spott und die Witze der Billardspieler auf sich gezogen hätte. Das konnte ihn auf Nimmerwiederkehr verscheuchen.

      »Setzen Sie sich hierher in meine Nähe!« sagte sie und wies auf einen kleinen Marmortisch, der neben dem riesigen, in den Saal hineinstehenden Mahagonibüfett fast verschwand. Sie beugte sich heraus, wobei sie Gelegenheit hatte, ihre prächtige Figur zu zeigen. Julian schaute sie an und bekam verliebte Gedanken. Das schöne Mädchen stellte ihm eine Tasse, Zucker und ein Brötchen hin. Nur zögerte sie, einen der Kellner herbeizurufen, die das Einschenken des Kaffees besorgten. Sie wußte, daß ihr Alleinsein mit dem jungen Mann dann zu Ende war.

      Julian war nachdenklich geworden. Unwillkürlich verglich er die blonde fröhliche Schönheit mit gewissen Erinnerungen, die ihn häufig heimsuchten. Der Gedanke an die leidenschaftliche Liebe, die ihm in Verrières und Vergy zuteil geworden war, nahm ihm fast alle Schüchternheit. Die schöne Blondine schaute ihm einen Moment in die Augen und wußte Bescheid.

      »Es ist rauchig hier. Sie werden Husten bekommen«, sagte sie. »Kommen Sie morgen früh vor acht zum Frühstück her! Da bin ich so gut wie allein.«

      »Wie heißen Sie?« fragte Julian mit dem schmeichlerischen Lächeln beglückter Schüchternheit.

      »Amanda Binet.«

      »Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen etwa in einer Stunde ein kleines Paket, etwa so groß wie dieser Rucksack, zur Aufbewahrung sende?«

      Die schöne Amanda dachte einen Augenblick nach.

      »Ich werde überwacht«, sagte sie, »und so könnte mir Ihre Bitte Unannehmlichkeiten bereiten. Ich will Ihnen aber meine Wohnung auf eine Karte schreiben. Schicken Sie das Paket getrost dorthin!«

      »Mein Name ist Julian Sorel«, erklärte Julian. »Ich habe in Besançon weder Verwandte noch Bekannte.«

      »Ich verstehe«, СКАЧАТЬ