Название: Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman
Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karin Bucha
isbn: 9783740959500
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Sie schüttelte den Kopf.
»Wollen wir schnell irgendwo etwas zu uns nehmen?«
Angela fuhr in die Höhe. Jetzt kam ihr erst richtig zu Bewußtsein, daß sie sich vorgenommen hatte, jeder weiteren Begegnung mit dem Vater auszuweichen.
»Bitte, nein, fahre mich sofort heim! Oder nein, fahre mich nicht heim. Wir können ja irgendwo eine Tasse Kaffee zusammen trinken.«
Reimer nickte, und hielt nach fünf Minuten vor einem Wein- und Bierlokal.
Mit gleichgültigen Blicken maß Angela ihre Umgebung. Sie hatte überhaupt noch kein Lokal dieser Art betreten, hätte auch niemals einen Unterschied zwischen gut und zweifelhaft feststellen können.
Reimer bestellte, ohne Angelas Zustimmung einzuholen, eine Flasche Wein und eine Kleinigkeit zu essen.
Als der Kellner wieder verschwunden war, sagte er, sich mit einem zufriedenen Blick umsehend:
»Jetzt hast du den ersten Fuß in die große Welt gesetzt.«
»In die große Welt?«
Mit etwas mehr Aufmerksamkeit schaute sie sich um. Wie Nischen wirkten die einzelnen Tische, da sie durch Wände voneinander getrennt waren. Silberne Kühler blitzten auf den Tischen, die blendend weiß gedeckt waren.
Einige waren auch besetzt, und girrendes Frauenlachen wurde laut. Angela war es, als verursache ihr dieses grelle Lachen richtig körperliche Schmerzen.
»Na ja«, bemerkte Reimer leichthin, »Halbwelt ist ja auch vertreten, aber das findet man überall dort, wo die große Welt beginnt.«
Angelas Augen wurden starr und weit.
»Und dahin fährst du mich?« fragte sie mit blassen, zuckenden Lippen.
»Warum nicht?« lachte er, belustigt über ihr entsetztes Gesicht. »Du bist ja in meiner Gesellschaft und stehst unter meinem Schutz. Weshalb sollst du das denn nicht auch einmal kennenlernen?«
»Mutti hätte das nie getan«, fuhr sie wild auf und machte Miene, aufzustehen und davonzulaufen. Da nahm sein eben noch gutmütig lächelndes Gesicht einen drohenden Ausdruck an.
»Du läufst jetzt nicht davon, verstanden?« zischte er ihr über den Tisch hinweg zu und zwang sie sitzenzubleiben.
Halb ohnmächtig lehnte Angela in ihrem Sessel. Wenn Mutti wüßte, wo sie sich befand.
Aufstöhnend legte sie beide Hände vor das Gesicht. Grenzenlose Verachtung stieg in ihr auf und ein fester Wille.
Sie ließ die Hände sinken und sah aus vor Erregung verdunkelten Augen zu dem Vater hinüber, der soeben den goldgelben Rebensaft in die Gläser laufen ließ.
»Zum Wohl, Angela!« sagte er, nun wieder freundlich und versöhnt, da sie vernünftig geworden war.
»Ich trinke keinen Wein«, sagte sie und schob ihm das Glas voll Abscheu wieder zu. »Außerdem bin ich Schülerin des Gymnasiums und darf mit keinem Herrn in ein Weinlokal gehen…«
»Das glaube ich!« lachte er noch immer und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas. »Du kannst dich anscheinend immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, daß ich dein Vater bin. Ich darf dich noch ganz woandershin führen.«
Angela sah, daß sie dem Vater wirklich hilflos ausgeliefert war. Der Zeiger der elektrischen Uhr, die Angela gegenüber an der Wand hing, rückte mit beängstigender Geschwindigkeit vorwärts.
»Danke«, sagte sie entschlossen, »aber Wein trinke ich auf keinen Fall. Da ich dir nicht davonlaufen möchte, bitte ich dich recht sehr, bring mich heim!«
Reimer aber dachte nicht daran, ihr den Wunsch zu erfüllen. Er weidete sich förmlich an ihrer Ruhelosigkeit und Angst.
»Hast du mir zwei Stunden gestern geschenkt, wird es wohl heute eine Stunde gehen«, versetzte er kaltlächelnd, und dieses Lächeln trieb Angela fast zur Verzweiflung. Sie wußte, er würde in einer Stunde genauso sprechen, und als er ihr gar noch das Glas in die Hand zwang, fegte sie es mit einer einzigen, energischen Handbewegung vom Tisch.
»Ich trinke nicht!« schrie sie ihm gequält entgegen, so daß er sich ärgerlich umschaute.
Diesen Augenblick benutzte Angela, um aufzustehen und dem Ausgang zuzulaufen.
Schwer atmend lehnte sie sekundenlang mit geschlossenen Augen neben dem Eingang des Weinlokals. Ihre Augen waren blind von Tränen, und der Regen, der unbarmherzig vom Himmel strömte, störte sie nicht.
So gewahrte sie auch ihren Lehrer Dr. Kant nicht, der wenige Schritte von ihr entfernt an dem Lokal vorüberging und dem das Benehmen des Mädchens auffiel.
Wie ein Ruck ging es durch seine Gestalt. Er erkannte Angela. Schon wollte er zu ihr hingehen und sie zur Rede stellen, als sie wie gehetzt in entgegengesetzter Richtung floh.
Ein Herr war unter dem Eingang aufgetaucht und rief hinter der schlanken Gestalt mit bittendem Ton her:
»Angela! – Angela! Dummes Mädchen, ich fahre dich mit meinem Wagen heim!«
Grenzenlose Enttäuschung überkam Dr. Kant; denn auf den ersten Blick stand sein Urteil über den Mann, der mit einem unangenehmen Lächeln und einem Achselzucken den Weg zurück in das Lokal antrat, fest. Lebemanntyp! Elegante Aufmachung! Gepflegtes Äußeres. Sicherlich verfügt er auch über tadellose Manieren, und damit betörte er nun so ein junges Mädchen wie Angela.
Seine Enttäuschung über Angela war weitaus größer als seine Empörung über jenen fremden Mann.
Angela, die er für äußerst stolz und scheu gehalten hatte, ließ sich am hellen Tag von einem solchen Mann in ein Weinlokal zweifelhaften Rufes führen!
Langsam setzte er seinen Weg bis zur Straßenbahn-Haltestelle fort.
Sicherlich hatte Angela erkannt, daß sich ihr Begleiter in der Wahl vergriffen hatte, denn ihr verstörtes Wesen hatte es ihm deutlich gezeigt.
Und nun kamen ihm andere Vorgänge ins Gedächtnis zurück.
Angela hatte ein paarmal im Unterricht glatt versagt. Auch ihre letzten Arbeiten entbehrten der gewohnten Genauigkeit. Hatte sie sich in Abenteuer verstrickt? War Angela auf dem besten Weg – zu straucheln?
Dann mußte er eingreifen! Oder – er wollte doch lieber erst noch eine Weile den stillen Beobachter spielen. Schließlich hatte ein jeder Mensch einmal Kämpfe zu bestehen und mußte durch Irrungen hindurch. Zum Eingreifen war immer noch Zeit.
In einem Zustand innerer Zerrissenheit erreichte Angela ihr und der Mutter Heim.
Sie fühlte sich so tief in Schuld verstrickt, daß sie ihr Gehirn gar nicht mehr nach einer glaubwürdigen Ausrede anzustrengen vermochte.
Sie hatte sogar die Straßenbahn verschmäht, als wäre es ihr im Wettlauf mit Regen und Wind möglich, ihren verwirrenden Gedanken zu entfliehen.
Völlig durchweicht betrat СКАЧАТЬ