Die großen Reden der Indianer. Отсутствует
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Название: Die großen Reden der Indianer

Автор: Отсутствует

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixwissen

isbn: 9783843802598

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      Genauso verhält es sich allerdings mit Reden und Briefen, die etwa von römischen oder griechischen Autoren Persönlichkeiten anderer Völker in den Mund bzw. in die Feder gelegt wurden. Die Rede des Avernerhäuptlings Critognatus in Caesars Gallischem Krieg, die Rede des Britanniers Calgacus in Tacitus’ Agricola, der Brief des Königs Mithridates von Pontos in Sallusts Historien sowie viele Reden fremder Herrscher und Botschafter im Senat von Rom, aber auch Thukydides’ berühmter Melierdialog in der Geschichte des Peloponnesischen Krieges sind Erzeugnisse der Verfasser, die sich nach damaliger literarischer Gepflogenheit als Überlieferer präsentieren. Das schmälert den literarischen Wert der Texte keineswegs, und bei kritischer Lektüre auch nicht ihren Quellenwert.

      Die etwas mehr als 50 Reden indianischer Männer und Frauen, die in diesem Buch enthalten sind, stellen eine Auswahl aus einem Zeitraum von 350 Jahren und über 30 Stämmen dar, wie sie so in deutscher Sprache noch selten vorgelegt wurde. Diese Auswahl gestattet einen differenzierten Blick auf Offenheit, Mut und Friedensliebe, auf vertane Chancen und Beharrung amerikanischer Ureinwohner im Angesicht eines übermächtigen, oft skrupellosen Konkurrenten um das Land und seine oberirdischen und unterirdischen Schätze. Sie zeigt auch das Ringen der Indianer um Anpassung oder Widerstand, bei dem ein sinnvoller, erfolgreicher Mittelweg kaum zu finden ist.

      Gerade dieser Aspekt besitzt höchste Aktualität: Von ihrer Wiege in Afrika wanderte die Menschheit im ersten Akt der Globalisierung nach Europa und Asien und von Asien und Europa – mit einigen Jahrtausenden Unterschied – nach Amerika. Dort entstand ein höchst ungleicher Kampf um Land und Ertrag. Die Reden und Briefe der amerikanischen Ureinwohner besitzen, besonders wenn sie sich auf die weißen Eroberer beziehen, manche Parallele zu den Reden unterworfener Herrscher vor dem römischen Senat in den Jahrhunderten um Christi Geburt. 1500 Jahren später haben viele europäische Völker die Rolle gewechselt – von den Unterworfenen des Imperium Romanum zu den weißen Landnehmern in Amerika und Afrika. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung auf der Erde wird deutlich, dass dieser Rollenwechsel der Europäer im Zuge der stets fortschreitenden Globalisierung nicht unumkehrbar ist, sodass Europa in absehbarer Zeit vielleicht nicht nur seinen materiellen Bedarf, sondern auch seine demokratischen Werte gegen wirtschaftlich erfolgreichere, dafür aber weniger demokratisch und rechtsstaatlich organisierte Gesellschaften verteidigen muss. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Beschäftigung mit der Geschichte der amerikanischen Ureinwohner für Europäer einen neuen Aspekt.

      1. Acuera (Timucua), um 1540

      Textvorlage: Henry M. Schoolcraft: Historical and Statistical Information respecting History, Condition and Prospects of the Indian Tribes of the United States. Vol. III, Philadelphia 1854, S. 37f. und Francis S. Drake: The Indian Tribes of the United States. Volume II. Philadelphia 1884, S. 34; ebenfalls zu finden ist der Text in: Theodore Irving: The Conquest of Florida by Hernando de Soto. Vol. I, Phila­delphia 1835, S. 104

      Hintergrund: Die Timucua waren ein Stamm amerikanischer Ureinwohner im Norden Floridas, der aus Teilstämmen und insgesamt 35 Siedlungsgruppen mit in der Regel zwei bis zehn Siedlungen bestand, in denen jeweils etwa 300 Menschen lebten. Die östlichen Timucua siedelten entlang des St. Johns River und an der Atlantikküste, die westlichen im Landesinneren der Halbinsel bis zum Aucilla River. Sie besaßen eine eigene Sprache mit zehn Dialekten, die sie zumindest mehrheitlich gebrauchten und aufgrund derer sie als eine kulturelle Einheit betrachtet werden, während sie keinen engeren politischen Zusammenschluss bildeten. Die ältesten ihnen zugewiesenen archäologischen Funde reichen in die Zeit um 1100 bis 1300 zurück. Bei ihnen konnten Männer und Frauen als Leiter des Gemeinwesens fungieren.

      Die Acuera, die zur östlichen Gruppe gehörten, lebten entlang des Ocklawaha River und am Lake Apopka und besaßen einen eigenen Dialekt.

      1513 wurde die Halbinsel Florida durch Juan Ponce de León entdeckt, als er in der Nähe des späteren St. Augustin landete. 1539 kam Hernando de Soto, der zuvor an der Eroberung des Inkareiches in Peru mitgewirkt hatte, mit einer Armee von etwa 500 Spaniern nach Florida. Er trieb seinen Vormarsch eilig bis zu den Orten Ocale, Potano, Nord-Utina und Yustaga voran, denn sein eigentliches Zielgebiet war das Land der Apalachen, ebenfalls eines Stammes von Ureinwohnern, die nördlich der Timucua siedelten. De Sotos Männer nahmen viele einheimische Bewohner gefangen: Frauen als persönliche Sklavinnen, junge Männer als Träger und ortskundige Führer. Zwei heftige Gefechte mit den Timucua kosteten die Indianer viele Opfer. Durch Stammesmitglieder, die er hatte festnehmen lassen, nahm De Soto Kontakt mit Acuera, dem Häuptling des gleichnamigen Teilstammes auf. Er forderte ihn auf, sich mit den Spaniern zu arrangieren, andernfalls würde es den Ureinwohnern übel ergehen. Acueras Antworten aus dem sich entwickelnden Wortgefecht sind in der folgenden Rede zusammengefasst. Man einigte sich nicht.

      Die Timucua führten von da an einen Guerillakrieg gegen die Besatzer, bei dem sie zwar selbst relativ wenige Opfer zu beklagen, aber auch keinen langfristigen Erfolg zu verbuchen hatten. Schon am Ende des 16. Jahrhunderts war die Urbevölkerung um etwa drei Viertel geschrumpft, unter anderem durch Epidemien. Bis 1800 war der Stamm durch Auseinandersetzungen mit weißen Einwanderern – darunter die Timucua-Rebellion von 1656 – und Nachbarstämmen, aber auch als Leidtragender der Auseinandersetzungen zwischen den spanischen, englischen und französischen Kolonialherren ausgelöscht. Die wenigen Überlebenden gingen in anderen Stämmen, wie z.B. den Creek, auf.

      Die Rede: In den vergangenen Jahren waren bereits andere eures verfluchten Volkes hier und haben unsere friedlichen Gestade vergiftet. Sie haben mich gelehrt, wer ihr seid. Was ist euer Beruf? Wie Vagabunden von Land zu Land zu ziehen, die Armen zu berauben, diejenigen zu betrügen, die euch vertrauen, und die Schutzlosen kaltblütig zu ermorden! Nein! Mit solchen Menschen will ich keinen Frieden, keine Freundschaft. Krieg, Krieg ohne Ende, Krieg bis zum Letzten, das ist das einzige Entgegenkommen, das ich will.1

      Ihr rühmt euch, gute Kämpfer zu sein, und das mögt ihr sein. Meine treuen Krieger jedoch sind nicht weniger tapfer – und ihr werdet eure Kampfkraft eines Tages unter Beweis stellen müssen, denn ich habe geschworen nicht zu ruhen, solange sich noch ein weißer Mann auf meinem Land befindet, und zu kämpfen, nicht im offenen Kampf – obzwar wir auch das nicht fürchten – sondern mit Kriegslist, aus dem Hinterhalt und durch Überfälle mitten in der Nacht.

      Ich bin König meines eigenen Landes, und ich werde nie der Vasall eines Mannes werden, der sterblich ist wie ich selbst. Schimpf und Schande über den, der sich unter das Joch eines anderen beugt, wenn er frei sein kann. Was mich und mein Volk betrifft, so wählen wir eher den Tod, ja hundert Tode, als die Freiheit zu verlieren und unser Land unterjochen zu lassen.

      Nur weiter so, ihr Räuber und Betrüger: Wir Acuera und Apalachee2 werden euch behandeln, wie ihr es verdient. Jeden Gefangenen werden wir vierteilen und am höchsten Baum am Straßenrand aufhängen.

      2. Wahunsonacock (Powhatan), um 1609

      Textvorlage: Samuel G. Drake: Biography and History of the Indians of North America, from its first Discovery. Boston 111851, S. 353

      Hintergrund: Die Powhatan waren ein Algonkin-Stamm, der in der Gegend der späteren US-Bundesstaaten Virginia und Maryland siedelte. Ihr berühmtester Häuptling war Wahunsonacock oder Wa-hun-sen-a-cawh, bekannt unter dem Namen seines Stammes Powhatan. Wahunsonacock wurde um 1547 in der Nähe von Richmond/Virginia geboren. Sein Vater soll von den Spaniern aus der Gegend von Florida nach Norden vertrieben worden sein und hatte einen Verband mehrerer Algonkin-Stämme gegründet, den Wahunsonacock erheblich erweiterte und schließlich auf über 100 Dörfer mit etwa 9000 Einwohnern ausdehnte. (Die Zahlenangaben schwanken.) Zentraler Ort der Powhatan war Werowocomoco am York River.

      Wahunsonacock soll elf Frauen und 20 Kinder gehabt СКАЧАТЬ