In Purpurner Finsterniß. Michael Georg Conrad
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Название: In Purpurner Finsterniß

Автор: Michael Georg Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066116354

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СКАЧАТЬ leben wir.

      — Nein, wir sterben. Du irrst, Oberphysikus. Wir sterben — wir sterben an der Jugend der Anderen. Grausame Todesart. Sie macht lächerlich.

      — Du quälst Dich und mich, Minus. Warum quälen wir uns mit solchen Fragen?

      — Weil sie zeitgemäß sind.

      — Aber sie stehen heute nicht auf der Tagesordnung, Minus, Hoheit.

      — Das ist nicht ihr Fehler. Das ist unser Fehler.

      — Du verschwendest Deinen Geist, Minus.

      — Verschwende ich ihn?

      — O, sicher an keinen Unwürdigen. Aber immerhin — —

      — Bist Du so sicher, Bim? Ich habe oft zu Thoren geredet, wenn ich vermeinte, zu Weisen zu sprechen. Man nimmt die Worte zu leicht. Viel zu leicht. Daher die schleichende Gefahr. Aber vorläufig ganz unter uns. Oberphysikus, Amtsgeheimniß!

      Bim wußte nicht mehr, was er denken sollte. Irgendwo und bei irgendwem stand’s nicht richtig.

      Er starrte seinen hohen Kollegen vom hohen Rathe an.

      Nein, da war wirklich guter Rath theuer. Aus diesen Mienen war keine Erklärung für die sonderbaren Worte zu schöpfen.

      — Sollen wir uns die grausame Todesart gefallen lassen, Bim? Weißt Du? Die den Sterbenden lächerlich macht, weil er sein Gestorbenwerden nicht merkt? Die Anderen aber, an denen er stirbt, die merken’s, Bim! und lachen und weinen, die Unerbittlichen.

      — Niemand stirbt so im Lande der Teutaleute. Ich fasse Deine Besorgniß nicht, Minus.

      — Sie lachen und weinen, die Unerbittlichen. Mit ihren Thränen verhöhnen sie den Unglücklichen. Ihre Thränen sind Salz in offene Wunden.

      — Minus, nie habe ich Jemand von unserem Volke weinen sehen. Im edlen Lande der Teutaleute kennt man keine Thränen. Man kennt sie nicht. In alten Zeiten, ja, wo es noch Fürsten gab und Soldaten, Tyrannen und Knechte. Da kam’s zu blutigen Thränen. Im Staat des Kapitalismus, der folgte, noch schlimmer. Dann der Zusammenbruch, dann die sozialistischen Quälereien. Das besserte wenig. Die Menschen verlernten das Weinen nicht. Aber in unserem Weltalter der gemeinsamen Güte! Thränen, Minus! Das ist vorbei. Das ist die Auszeichnung der Teutaleute, ihr besonderes Wesen. Ihr Gleichmuth, denke doch, ihre Sittsamkeit, ich bitte Dich, ihre Geduld. Wir können ruhig sterben, Minus.

      — Warum thun wir’s nicht? So stirb doch, Bim! Schaffe Platz der Jugend! Was zögerst Du? Ich will sehen, ob Du ein Ende machst. Bestelle Dir wenigstens einen Gehilfen, wie Titschi sich einen Gehilfen bestellt hat. Nimm Dir einen Soundso. Die einzige Form, die unser Gesetz gestattet, in Staatsgeschäften unser Leben zu dehnen. Aber Alles das thust Du nicht, Du wartest ab. Du greifst nicht vor. Du läßt’s drauf ankommen. Du willst gestorben werden. Deine Feigheit wählt die grausamste Todesart.

      — Minus!

      — Ja, so sind wir. So seid ihr. Ich nicht. Ich mache ein Ende. Heute noch. Ich habe Sehnsucht, loszukommen, ohne Hohn.

      Diese Wendung überraschte Bim mehr, als Alles Uebrige. Also darauf spielten die krausen Wendungen und Worte. Aus sich selbst heraus kam dem edlen Minus der Ueberdruß, der Unmuth.

      — Bedenke doch, Minus, wer uns auf den Posten gestellt. Und da sollen wir flüchten, ohne Noth, aus trauriger Laune? Des Volkes Wohl ist uns anvertraut — —

      — Des Volkes Wohl! Ich mache ihm meine Reverenz — —

      — Gut denn. So sagen wir (und kost’ es mir den Kragen, wenn’s ein Späher hört), die Beherrschung des Volkes, was dasselbe ist, befriedigt Dich das nicht?

      — Beherrschung? Fühlst Du das Zeug zu einem Herrscher, zu einem Gott in Dir, Bim? Ich hänge an meiner Schwäche. Ich rühme mich meiner Unvollkommenheit. Nicht die kleinste Herrgöttlichkeit reizt mich.

      — Des Volkes Wohl liegt in seiner Beherrschung, Minus.

      — Aber nicht mein Wohl. Und warum können wir das Volk beherrschen? Weil wir ihm die Flügel gestutzt und den Sinn verwirrt haben. Ein geistvolles Geschäft, über ein solches Volk zu herrschen!

      — Das Volk ist mündig und frei in seinen Entschlüssen, Minus.

      — Ist’s das? Bestellt sich der Mündige einen Vormund? Duldet der Freie Obere, die sich mit „Hoheit“ anreden lassen? Ein mündiges freies Volk jagte Dich und mich und alle Hoheiten zum Kuckuck, kröche aus der Erde heraus und liefe frei in die Sonne und allen Winden nach, wie die Thiere des Waldes, wie die Vögel des Himmels.

      — Darauf sage ich, der Oberphysikus, Dir dieses: Deine Gelehrsamkeit ist Dir zu Kopf gestiegen. Das sind Alles transszendentale Theorien, die Du aus alten Poeten, Philosophen und anderen Narren aufgelesen. Ich weiß mich frei davon, drum kann ich ruhig reden.

      Minus lächelte wie Einer, dem wirklich vielerlei im Kopfe durcheinander geht. Wiederholt setzte er sein Hörröhrchen ein. Alles blieb stumm. Von keiner Seite eine neue Meldung. Ist die Welt todt?

      Bim hüstelte aufgeregt. Er fühlte sich der Erschöpfung nahe. Solchen unerfreulichen Sachen war er nicht gewachsen. Das Herumräthseln an unentwirrbaren Dingen ging allen seinen Fähigkeiten wider den Strich. Dieser Minus, nein, niemals hatte er ihn in einem solchen Zustande gesehen. Ein Knäuel von Widersprüchen. Eine Windsbraut von tollen Stimmungen.

      — Ja, ja, Bim. Die Sonne, der Wald, der Himmel, die Thiere.

      — Erlaube, das ist Alles furchtbar ungesund. Teuta aber ist gesund geblieben, weil es der Sonne, dem Himmel ausgewichen ist bei Zeiten, weil es die Wälder vertilgt, die überflüssigen Thiere beseitigt hat. Diesen vergangenen Dingen können nur zwei Menschensorten nachschwärmen: Poeten und Verliebte. Und mit ihnen haben wir seit Annodazumal in Teuta aufgeräumt, gründlich.

      — Haben wir das, alter Bim?

      — Eine weite, ruhige, gradlinige Fläche ist die Erde im Teutaland. Alles ist klar und bestimmt nach Maß und Gewicht. Dieser Zustand soll erhalten bleiben, er ist der denkbar glücklichste für unsere Menschen. Das empfand ich in meiner Jugend, das bestätigt mein Alter. Eine Wissenschaft, die anders lehrt, ist falsch. Sie zerstört den Frieden, unser höchstes Gut.

      Minus hörte nicht mehr, in müden, schmerzlichen Gedanken versunken. Nie hätte er überhaupt den klugen, beschränkten Schwätzer so lange angehört, außer der Gewohnheit des Amtes, oder es sei denn, er spielte Komödie mit ihm, oder sich im Witz zu üben, oder in der Geduld. Aber heute! —

      Die Hörröhrchen brannten förmlich im Ohr. Der Fernsprecher wußte ihm so wenig zu melden, wie der Fernseher. So oft er sich an den Spiegel wandte, es kam kein Bild. Und der Fernsprecher narrte ihn mit der Wiederholung altbekannter Dinge.

      Endlich eine Nachricht, die wie ein Blitz auf seine Erwartung schlug.

      — Spurlos verschwunden, stöhnte er nach einer Weile. Ao weiß nichts. Kein Mensch weiß was. Jala, Unglückliche!

      — Jala, wie? Die schöne Blinde? Ich hatte sie in meiner Irren-Abtheilung zur Beobachtung. Dann entwich sie — —

      — Das sagst Du mir jetzt СКАЧАТЬ