BLACK STILETTO. Raymond Benson
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Название: BLACK STILETTO

Автор: Raymond Benson

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Black Stiletto

isbn: 9783958351639

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СКАЧАТЬ vorbeikam und die ich fütterte. Aber sie mochte mich nicht wirklich. Einmal wollte ich sie streicheln, da fauchte sie mich an und rannte davon. Ich hörte auf, sie zu füttern, und sie kam nicht wieder.

      Meinen Dad habe ich kaum gekannt. Als der Krieg begann, meldete er sich freiwillig. Das war 1942, kurz nach Pearl Harbor. Er trat der Navy bei. Ich war damals noch ziemlich jung – gerade mal vier – und das letzte Bild, dass ich von ihm im Kopf habe, ist, wie er uns zuwinkte, bevor er in den Bus stieg, der ihn in die Stadt brachte. Von da kam er in ein Ausbildungslager und wurde dann irgendwo in den Pazifik verschifft. Nur ein paar Monate später war er tot. Einer von dreihundert oder mehr Amerikanern, die in der Schlacht um Midway umkamen. Und so sah ich ihn nie wieder.

      Von da an gingen die Dinge für uns bergab. Mom versuchte ihr Bestes, uns über die Runden zu bringen, aber wir versanken immer mehr in Armut. Rückblickend verstehe ich, wie schlimm es war, aber zu der Zeit war ich nur ein altkluges kleines Mädchen, das immer in Schwierigkeiten steckte, sich mit ihren Brüdern und deren Freunden prügelte und so ziemlich jeden in den Wahnsinn trieb. Als ich in die erste Klasse der South Side Elementary ging, hätte ich es mit so gut wie jedem Jungen der Nachbarschaft aufnehmen können, wenn ich das gewollt hätte. Ich war ein zäher kleiner Teufelsbraten.

      Zu der Zeit, als ich mit der Schule anfing, wohnten wir nahe der Ecke Whitaker und 5th Street. Die Schwarzen lebten nur ein paar Querstraßen weiter südlich von uns, hinter den Gleisen. Ich war zu jung, als dass mich das stören würde. Ich lief mit meinen Brüdern zur Schule. John war in der sechsten Klasse, als ich eingeschult wurde, und Frank in der vierten. Es war eine miese Schule, so viel steht mal fest. Alle, die dort hingingen, waren Kinder von Ölfeld-Arbeitern. Niemand von besonderer Klasse, wenn du verstehst. Ich hatte nicht viele Freunde in der Schule. Ich war ein Außenseiter. Den Mädchen war ich zu jungenhaft, und den Jungen zu wild, haha.

      Meine besten Freunde waren meine Brüder, obwohl sie mich irgendwann auch komisch fanden. Schon lustig, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, aber ich liebte meine Brüder. Für gewöhnlich traten sie für mich ein, wenn ich in Schwierigkeiten steckte, und das passierte ziemlich oft. Unglücklicherweise waren sie nicht für mich da, als ich sie am dringendsten gebraucht hätte, und ich weiß nicht, ob ich ihnen das je vergeben kann.

      Ich denke, man könnte sagen, dass ich ein zorniges Kind war. Ich weiß gar nicht, worauf ich so zornig war. Ich zettelte einfach gern Schlägereien an. Da waren eine ganze Menge Aggressionen in mir, eine Wut, die von einem Moment auf den nächsten ausbrechen konnte. Das habe ich immer noch. Ich bin damit auf die Welt gekommen und brauchte eine Art Ventil dafür. Meine Mom machte das wahnsinnig, oder zumindest trieb sie das zum Alkohol. Nun, vielleicht war es nicht komplett meine Schuld, aber ich hatte sicher meinen Anteil daran, obwohl sie mit dem Trinken bereits anfing, als Dad starb. Es machte nicht viel Spaß, mit ihr zusammen zu sein.

      Trotz allem war ich eine gute Schülerin. Das Lernen fiel mir leicht. Ich war nicht allzu gut in Mathe, aber ich mochte die Naturwissenschaften und Geschichte. In Lesen und Schreiben war ich besonders gut, weshalb ich wohl auch eine Weile ein Tagebuch führte. Ich merkte, dass ich gern Bücher las, und wenn ich nicht draußen mit den Jungs Fußball spielte, verzog ich mich nach drinnen mit den neuesten Abenteuern der Hardy Boys oder Nancy Drew. Aus Comics machte ich mir nicht viel, meine Brüder hingegen schon. Hin und wieder sah ich mir ihre Superman-Comics an, aber irgendwie waren die nichts für mich. Ich fand sie blöd. Ich mag es, wenn meine Abenteuergeschichten in der wirklichen Welt spielen und etwas glaubhafter sind. Anfangs hatte ich mit dem Lesen an sich Probleme, weshalb meine Mutter mich zu einem Arzt brachte und meine Augen untersuchen ließ. Ich weiß noch, dass sie nicht allzu glücklich darüber war, Geld für eine Brille ausgeben zu müssen, aber ich denke, damals brauchte ich sie eben. Von da an erkannte ich alles wunderbar – sah aber eben aus wie ein Idiot. Ich hasste es, eine Brille tragen zu müssen, und das führte nur zu mehr Schlägereien in der Nachbarschaft, wenn die anderen Kinder mich deswegen aufzogen.

      So verlief das Leben ziemlich gleichförmig, bis ich zwölf wurde. Als die Pubertät losging, passierten mir seltsame Dinge. Ich meine jetzt nicht die üblichen ungewöhnlichen Dinge, die allen Mädchen passieren – du weißt schon, die erste Periode, dass einem die Brüste wachsen und so was – aber andere Dinge, die nicht normal waren. Zum Beispiel stellte ich fest, dass ich meine Brille nicht mehr benötigte. Ich konnte ohne sie sehen. 100-prozentige Sehschärfe. Tatsächlich war mein Sehvermögen außergewöhnlich. Ich konnte Straßenschilder in einer Entfernung entziffern wie sonst niemand. Und ich konnte Kleingedrucktes ohne Lupe lesen. Was sich auch veränderte, war mein Gehör. Vor der Pubertät hörte ich gut, doch danach klang alles wie verstärkt. Ich konnte Menschen am anderen Ende eines Zimmers flüstern hören. Das war echt schräg. Ich verstand Unterhaltungen in anderen Räumen. Ich konnte sie durch die Wände hindurch hören, beinahe so, als würden sie sich im gleichen Raum wie ich befinden. Eines Tages ging ich zur Schulkrankenschwester, um sie deswegen zu befragen. Sie riet mir, meine Ohren von einem Arzt untersuchen zu lassen, aber das tat ich nie. Ich machte mir deswegen ja keine Sorgen oder so. Eigentlich fand ich es großartig. Ich konnte die anderen Kinder im Speiseraum belauschen, in dem es für gewöhnlich ziemlich laut zuging, und verstand jedes Wort. Im Stille-Post-Spielen war ich nicht zu schlagen!

      Eine andere Sache änderte sich ebenfalls, und das bekam ich erst etwas später mit. Wenn hinter mir etwas vor sich ging, wusste ich, was es war. Kennst du die Redewendung: Augen am Hinterkopf haben? So fühlte sich das an. An mich konnte sich keiner heranschleichen. Ich konnte einfach spüren, wenn jemand hinter mir stand. Und wenn ich die Straße entlangging, wusste ich bereits vorher, ob jemand hinter der nächsten Ecke stand. Was ziemlich oft der Fall war.

      Eine weitere Fähigkeit, die ich entwickelte (wenn man das so nennen kann), war ein feines Gespür. Irgendwie wusste ich einfach, wenn meine Brüder wegen einer Sache flunkerten – und erwischte sie dabei auch. Ich sagte dann: »Frank, du lügst. Ich sehe es dir an.« Dann stritten wir für eine Minute, aber ich wies auf die Mängel in seiner Argumentation hin, und schließlich gab er dann zu, dass er gelogen hatte. Genauso verhielt es sich, wenn jemand ehrlich war. Ich brauchte nur ein paar Minuten mit einem Fremden reden und wusste, ob er oder sie ein guter oder schlechter Mensch war. Wenn jemand ein gutes Herz hatte, spürte ich das. Und wenn jemand Hass oder Zorn in sich trug, spürte ich das auch. Ich hätte nach Las Vegas gehen und Glücksspieler werden sollen. Wahrscheinlich hätte ich ein Vermögen gemacht, haha!

      Zu der Zeit wusste ich nicht, ob mit mir etwas nicht stimmte. Ich hatte Angst, meiner Mutter davon zu erzählen. Sie hätte sich nur darüber aufgeregt, wieder mit mir zu einem Arzt gehen zu müssen. Und es war ja auch nicht so, dass ich Schmerzen oder dergleichen gehabt hätte. Ich merkte, dass ich speziell war. Ich war anders, und das gefiel mir. Wenn ich jetzt mit zwanzig auf die zwölfjährige Judy zurückblicke, weiß ich, dass diese verstärkten Sinne bei mir einzigartig waren. Ich kenne sonst niemand, der so etwas hat. Diese Fähigkeiten kommen mir natürlich zugute, wenn ich die Stiletto bin. Ohne dieses ausgeprägte Bewusstsein könnte ich nicht dieses Kostüm anziehen und so klettern und springen und kämpfen, wie ich es eben tue. Ich las darüber in Büchern über Anatomie und Psychologie, aber ich konnte nichts finden. Schließlich schob ich es auf die Pubertät und darauf, dass ich ein weibliches Tier bin. Wie eine Löwin oder eine Tigerin, die ihre Jungen beschützt. Ich weiß, das klingt albern, aber es ist doch so – all diese Sinne, die ein Muttertier in der Wildnis einsetzt, um ihre Jungen und sich selbst zu beschützen, sind die gleichen, wie ich sie habe. Sehen, Hören, Wachsamkeit, Instinkt.

      Ich denke mal, ich würde die perfekte Mutter abgeben, haha! Na ja, irgendwann vielleicht. Ganz sicher nicht in naher Zukunft.

      Nun, dieses ganze neue Zeug machte mich nur noch seltsamer, wie du dir vorstellen kannst. Meine Mutter und meine Brüder merkten natürlich, dass ich anders war, aber sie schoben es einfach darauf, dass ich erwachsen wurde. Trotzdem kam es mir so vor, als würden sie mich meiden. Ein bisschen zumindest. Ich war ein seltsamer Vogel. Ein Freak. Und so wurde das Leben zuhause immer unangenehmer und eigentümlicher. Nun war ich nicht nur in der Schule ein Außenseiter, sondern auch daheim.

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