Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin
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Читать онлайн книгу Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter Benjamin страница 152

СКАЧАТЬ begannen sie unregelmäßig zu werden, denn Sophys Gatte war in eine andere Stelle versetzt worden, und ich war immer unterwegs. Aber wir dachten immer aneinander, dessen war ich sicher, mochten nun Briefe kommen oder nicht.

      Fünf Jahre und einige Monate waren es her, seit Sophy die Heimat verlassen hatte. Ich war immer noch der König der fahrenden Händler und meine Beliebtheit beim Publikum war größer denn je. Das Geschäft war im Herbst prachtvoll gegangen, und am dreiundzwanzigsten Dezember des Jahres eintausendachthundertvierundsechzig befand ich mich in Uxbridge in Middlessex mit gänzlich ausverkauftem Karren. So trabte ich froh und leichten Herzens mit dem alten Gaul nach London, um den Weihnachtsabend und Weihnachtstag allein neben dem Kamin in dem Bibliothekswagen zu verbringen. Darauf wollte ich mich vollkommen neu mit allen nötigen Artikeln eindecken, um sie wieder zu verkaufen und das Geld einzustecken.

      Ich habe eine geschickte Hand im Kochen, und ich will euch sagen, was ich für mein Mahl am Weihnachtsabend in dem Bibliothekswagen zustande brachte. Es war ein Beefsteak-Pudding mit zwei Nieren, einem Dutzend Austern und ein paar Pfifferlingen als Zugabe. Das ist ein Pudding, um einen Menschen mit allem auf der Welt auszusöhnen, nur mit den beiden untersten Knöpfen an seiner Weste wird er Schwierigkeiten haben. Nachdem ich mich an dem Pudding gütlich getan und den Tisch abgedeckt hatte, schraubte ich die Lampe niedrig und setzte mich an den Kamin, die Augen auf Sophys Bücher gerichtet, die das Feuer mit seinem Schein erhellte.

      Sophys Bücher stellten mir so lebhaft Sophy selbst vor die Seele, daß ich ihr rührendes Gesicht ganz deutlich vor mir sah, bevor ich neben dem Feuer einschlummerte. Das mag der Grund dafür sein, daß Sophy mit ihrem taubstummen Kind im Arm während meines ganzen Schläfchens schweigend neben mir zu stehen schien. Ich war auf der Landstraße, neben der Landstraße, an allen möglichen Orten, in Nord und Süd und Ost und West, soweit der Wind im Lande bläst, hier und dort und am anderen Ort, über die Berge und weiter fort, und noch immer stand sie schweigend neben mir mit ihrem schweigenden Kind in den Armen. Erst als ich aus dem Schlaf auffuhr, schien sie zu verschwinden, als hätte sie noch einen einzigen Augenblick zuvor an dieser selben Stelle neben mir gestanden.

      Ich war durch ein wirkliches Geräusch geweckt worden, und dieses Geräusch kam von den Karrenstufen. Es war der leichte, rasche Schritt eines Kindes, das hinaufkletterte. Dieser Kinderschritt war mir einst so vertraut gewesen, daß ich einen halben Augenblick lang glaubte, ich würde einen kleinen Geist zu Gesicht bekommen.

      Aber wirkliche Kinderhände berührten die äußere Klinke der Tür, die Klinke wurde niedergedrückt, die Tür öffnete sich ein wenig, und ein wirkliches Kind guckte herein. Ein hübsches kleines Mädchen mit großen dunklen Augen.

      Die Kleine blickte mich voll an und nahm ihren winzigen Strohhut ab, wobei dichte schwarze Locken um ihr Gesichtchen fielen. Dann öffnete sie ihre Lippen und sagte:

      »Großvater!«

      »O mein Gott!« rief ich aus. »Sie kann sprechen!«

      »Ja, lieber Großvater. Und ich soll dich fragen, ob ich dich an jemand erinnere.«

      Im nächsten Augenblick hing Sophy, ebenso wie die Kleine, an meinem Hals, und ihr Gatte preßte mir die Hand, während er sein Gesicht zu verbergen suchte, und wir mußten uns alle zusammennehmen, bevor wir uns fassen konnten. Aber als wir allmählich ruhiger wurden und ich sah, wie die hübsche Kleine freudig und rasch und eifrig mit ihrer Mutter sprach in denselben Zeichen, die ich diese zuerst gelehrt hatte, da rollten mir die glücklichen und doch mitleidvollen Tränen über das Gesicht.

      Mrs. Lirripers Fremdenpension

      (Charles Dickens)

       Inhaltsverzeichnis

       1. Wie Mrs. Lirriper das Geschäft führte

       2. Ein paar Worte, die der erste Stock selbst hinzufügte

      Erstes Kapitel.

       Wie Mrs. Lirriper das Geschäft führte

       Inhaltsverzeichnis

      Daß sich jemand mit Zimmervermieten abplagen wollte, wenn es nicht eine alleinstehende Frau ist, die für ihren Lebensunterhalt sorgen muß, das ist mir gänzlich unverständlich, meine Liebe; entschuldigen Sie die Freiheit, aber die Anrede kommt mir ganz natürlich über die Lippen, wenn ich in meinem kleinen Wohnzimmer mein Herz allen denen öffnen möchte, denen ich trauen kann. Ich wäre dem Himmel ewig dankbar, wenn das die ganze Menschheit wäre, aber leider ist das nicht der Fall, denn Sie brauchen bloß einen Zettel »Zimmer zu vermieten« im Fenster haben und Ihre Uhr auf dem Kaminsims liegen zu lassen, und schon ist sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wenn Sie sich bloß eine Sekunde lang umwenden. Aber auch die Zugehörigkeit zu Ihrem eigenen Geschlecht ist noch lange keine Garantie, wie ich am Beispiel der Zuckerzange gesehen habe, denn jene Dame (und hübsch sah sie aus) ließ mich nach einem Glas Wasser laufen, unter dem Vorwand, sie käme demnächst nieder, was sich auch als richtig erwies, aber sie kam zur Polizeiwache nieder.

      Nummer einundachtzig Norfolk Street, Strand, auf halbem Weg zwischen der City und dem St.-James-Park und nur fünf Minuten von den besuchtesten öffentlichen Vergnügungsstätten entfernt – das ist meine Adresse. Ich wohne in diesem Haus schon seit langen Jahren zur Miete, wie das Grundsteuerbuch bezeugen kann; und ich wünschte, mein Hauswirt wüßte diese Tatsache ebenso zu würdigen wie ich selbst, aber nein, nicht für ein halbes Pfund Neuanstrich, und wenn es ihm ans Leben ginge; nicht einen neuen Ziegel aufs Dach, meine Liebe, und wenn Sie auf den Knien vor ihm lägen.

      Sie werden noch niemals Nummer einundachtzig Norfolk Street, Strand, in Bradshaws Kursbuch gefunden haben, meine Liebe, und so Gott will, werden Sie es auch niemals darin finden. Es gibt zwar Leute, die keine Selbsterniedrigung darin sehen, ihren Namen so zu verunehren, und sie gehen sogar bis zu einem Bild von ihrem Haus, das dem Original jedoch ganz unähnlich ist, mit einem Klecks in jedem Fenster und einer vierspännigen Kutsche vor der Tür. Aber was Miß Wozenham weiter unten auf der anderen Seite der Straße recht ist, ist mir noch lange nicht billig, da Miß Wozenham ihre Anschauungen hat und ich die meinigen. Obwohl es ja darauf ankommt, wie Sie es vor Ihrem Gewissen zu verantworten gedenken, wenn es bis zum systematischen Unterbieten kommt – wie es unter Eid vor Gericht bewiesen werden kann – und das die Form annimmt: »Wenn Mrs. Lirriper achtzehn Schilling die Woche verlangt, dann verlange ich fünfzehneinhalb.« Und was luftige Schlafzimmer betrifft und einen Portier, der die ganze Nacht über auf ist, so ist es um so besser, je weniger darüber geredet wird, da die Schlafzimmer muffig und der Portier blauer Dunst ist.

      Es sind jetzt vierzig Jahre her, seit ich und mein armer Lirriper in der St.-Clement's Danes-Kirche getraut wurden, wo ich jetzt in einem sehr hübschen Stuhl unter lauter vornehmer Nachbarschaft meinen Sitz und mein eigenes Kniekissen habe und wo ich nicht zu volle Abendgottesdienste bevorzuge. Mein armer Lirriper war eine stattliche Erscheinung, mit leuchtenden Augen und einer Stimme, so weich wie ein Musikinstrument aus Honig und Stahl. Aber er hatte stets ein freies Leben geführt, da er von Beruf Geschäftsreisender war und eine besonders staubige Tour hatte, wie er sagte – »eine trockene Straße, meine liebe Emma«, sagte mein armer Lirriper stets zu mir, »wo ich den ganzen Tag über und die halbe Nacht dazu immer mal einen Schluck tun muß, um den Staub hinunterzuspülen, und das nimmt mich mit, Emma« – und das führte dazu, daß er durch eine Menge Dinge hindurchrannte. Er wäre wohl auch durch den Schlagbaum hindurchgerannt, СКАЧАТЬ