Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ denn selbst wenn das Brot ge­fun­den wird, was fast nie ge­schieht, weil näm­lich gar nicht erst nach ihm ge­sucht wird, kann der Kal­fak­tor sa­gen: »Das habe ich mir vom Früh­stück auf­ge­spart.« Und zum an­de­ren wa­ren die Kal­fak­to­ren das lie­be Kind der Be­am­ten, ihre Zu­trä­ger; die Be­am­ten woll­ten nichts ge­gen ihre Kal­fak­to­ren hö­ren. So ge­sch­ah prak­tisch nie et­was da­ge­gen, aber der Neid und der Hass wur­den da­durch stän­dig wach­ge­hal­ten. Im­mer­fort gab es Sti­che­lei­en, An­spie­lun­gen, auch Prü­ge­lei­en. Bei de­nen zo­gen die Prüg­ler im­mer den Kür­ze­ren, sie wan­der­ten in den Ar­rest; sie konn­ten ja nichts be­wei­sen.

      Auch ich war, ich muss es ge­ste­hen, oft fast krank vor Neid, wenn ich sah, wie un­ser im­mer fet­ter wer­den­der Kal­fak­tor das Mit­ta­ges­sen nach ein paar Löf­feln satt bei­sei­te­schob, die­ses sel­be Mit­ta­ges­sen, bei dem ich mit je­dem Bis­sen geiz­te; er aber schenk­te es ei­nem an­de­ren oder ver­scheu­er­te es für einen Pfei­fen­kopf Ta­bak oder eine Zwie­bel oder zwei Streich­höl­zer.

      ›Du Speck­jä­ger!‹, sag­te ich mir dann, ge­nau wie die an­de­ren, ›du hast dich an mei­nem Brot und mei­ner Mar­ga­ri­ne satt ge­fres­sen, und nun ver­schmähst du das kost­ba­re Es­sen, das mei­nem Kör­per so not­wen­dig wäre. Dass du ver­re­cken mö­gest in dei­nem Fett!‹ – So fühl­te ich und schäm­te mich da­bei die­ses er­bärm­li­chen Fut­ter­nei­des um eine Schei­be Brot, die ich zu Hau­se für nichts ge­ach­tet hat­te, und lern­te die has­sen, die mich dazu ge­bracht hat­ten, so zu füh­len, so nied­rig und nei­disch!

      Ei­gent­lich noch schlim­mer als die­se heim­li­che Art, sich Es­sens­vor­tei­le zu ver­schaf­fen, war eine ganz le­ga­le, die von der Ver­wal­tung ge­bil­ligt, ja so­gar ge­för­dert wur­de. Die­je­ni­gen der In­sas­sen näm­lich, die noch wil­li­ge Ver­wand­te drau­ßen hat­ten, durf­ten sich Pa­ke­te mit Le­bens­mit­teln schi­cken las­sen, so oft und so viel sie nur woll­ten.

      Man soll­te den­ken, dass fast je­der der Kran­ken einen sol­chen An­ge­hö­ri­gen drau­ßen hat­te, der ihm we­nigs­tens dann und wann ein Brot ge­schickt hät­te – schon tro­cken Brot war eine heiß be­gehr­te Ware im Hau­se. Dem war aber nicht so.

      Ganz ab­ge­se­hen da­von, dass vie­le der In­sas­sen we­der schrei­ben noch le­sen konn­ten (in die­sem schreck­li­chen Hau­se lag wirk­lich nur der letz­te Aus­schuss der Mensch­heit) oder dass sie schon zu blö­de und stumpf da­für wa­ren, woll­ten die An­ge­hö­ri­gen von den meis­ten nichts mehr wis­sen. Sie hat­ten ih­nen, so­lan­ge sie noch drau­ßen wa­ren, Kum­mer und Schan­de ge­nug ge­macht, nun wa­ren sie schon fünf oder zehn oder gar zwan­zig Jah­re in die­sem Hau­se, sie wa­ren für die drau­ßen er­le­digt und ver­ges­sen, sie wa­ren für die drau­ßen tot, ge­stor­ben und be­gra­ben.

      Nein, es wa­ren nur ganz we­ni­ge, die die­se Pa­ke­te be­ka­men, von den sechs­und­fünf­zig Män­nern, die auf mei­ner Sta­ti­on la­gen, viel­leicht nur fünf oder sechs. Die aber sa­ßen statt­lich und wohl­ge­nährt bei un­se­ren ge­mein­schaft­li­chen Mahl­zei­ten, ne­ben den Schüs­seln voll Was­ser­sup­pe la­gen bei ih­nen dick be­stri­che­ne Bro­te mit Wurst und Käse, die wir nie zu schme­cken be­ka­men; ja, ich habe es so­gar er­lebt, dass ein di­cker Bau­er, den sie we­gen stän­di­gen Que­ru­lan­ten­tums mit uns ein­ge­sperrt hat­ten, ge­müt­lich eine ge­bra­te­ne Ente in un­se­rer Ge­gen­wart ver­zehr­te, Kno­chen für Kno­chen ab­nag­te. Er trief­te von Fett, wir aber sa­ßen da­bei, und un­se­re Au­gen wur­den im­mer grö­ßer, das Was­ser lief uns im Mun­de zu­sam­men und schließ­lich aus ihm her­un­ter, un­se­re Hän­de zit­ter­ten, und nur Gier und Neid er­füll­ten un­se­re Her­zen.

      Ich habe es nie ver­stan­den, warum man so et­was zuließ. Wenn man we­nigs­tens die­se Be­vor­zug­ten ihr Son­der­es­sen in al­ler Heim­lich­keit hät­te ver­til­gen las­sen, aber nein, vor un­se­ren Au­gen muss­te es ge­sche­hen! Frei­lich, es gab ja kei­ner­lei Heim­lich­keit auf die­ser Sta­ti­on, in die­sem Hau­se, alle la­gen zu sechs, acht Mann in ih­ren Zel­len, nichts, wo­hin man sich zu­rück­zie­hen konn­te, nicht ein­mal die Klos hat­ten Rie­gel, im­mer riss ei­ner die Tür auf, man saß eben erst auf der Bril­le.

      Aus all­dem aber, aus dem stän­di­gen Hun­ger­ge­fühl und dem Hass ge­gen die die­bi­schen Kal­fak­to­ren und aus dem Neid ge­gen die Pras­ser ent­stan­den jene nie en­den­den Ge­reizt­hei­ten, Strei­te­rei­en, Schlä­ge­rei­en, Be­stra­fun­gen. Nie war auch nur einen ein­zi­gen Tag Ruhe im Bau, im­mer war ir­gen­det­was los. Man hör­te schon gar nicht mehr hin, wenn zwei sich in der un­flä­tigs­ten Wei­se be­schimpf­ten. Man ging fort, wenn sie sich die Au­gen blau und die Na­sen blu­tig schlu­gen. Man war froh, wenn man nicht selbst noch hin­ein­ge­zo­gen wur­de. Man muss­te auf je­des Wort ach­ten, was man sag­te, es wur­de so­fort wei­ter­ge­tra­gen, so­fort kehr­te es sich ge­gen sei­nen Spre­cher.

      Ich für mei­ne Per­son muss ge­ste­hen, dass ich an­fäng­lich nicht nur mit Neid auf die Pa­ket­fres­ser sah. Ich hat­te es ja so ein­fach: Ich brauch­te nur einen Brief an Mag­da zu schrei­ben, und ich ge­hör­te auch zu die­sen Be­sit­zen­den. So wür­de Mag­da doch nicht sein, dass sie ih­ren ei­ge­nen an­ge­trau­ten Mann hun­gern ließ! Eine Wo­che lang kämpf­te ich mit mir, dann sieg­te der Hun­ger, und ich ent­schloss mich zu dem Brief.

      Ich hat­te we­der Schreib­pa­pier noch einen Um­schlag, und ge­lie­fert wur­de ei­nem von der An­stalt gar nichts; aber ich spar­te mir eine Schei­be Brot ab und be­kam da­für, was mir not­tat. Ich schrieb den Brief, und von da an war­te­te ich. Ich mal­te mir abends im Bett aus, was al­les in dem Pa­ket sein wür­de; wenn ich an eine dick mit fet­ter Le­ber­wurst be­stri­che­ne Schei­be Brot dach­te, wur­de mir bei­na­he übel vor Hun­ger und Wol­lust.

      Ich hat­te mir den frü­he­s­ten Tag aus­ge­rech­net, an dem das Pa­ket hier sein konn­te; aber der Tag ver­strich und man­cher Tag nach ihm, und das Pa­ket kam nicht. Dann er­fuhr ich, dass der Brief erst durch die Zen­sur des Me­di­zi­nal­ra­tes ge­hen muss­te, dann auf das Büro der Ver­wal­tung zum Fran­kie­ren ging und dass man die Brie­fe dort nicht etwa so­fort, son­dern nur ge­le­gent­lich, wenn man meh­re­re zu­sam­men­hat­te, ab­schick­te.

      »Die ha­ben die Ruhe weg«, sag­ten die Ge­fan­ge­nen. »Glaubst du, die lau­fen, wenn du was möch­test? Die set­zen sich dann ge­ra­de erst recht fest auf ih­ren Arsch!«

      So war­te­te ich wei­ter und hoff­te wei­ter.

      Dann sag­te der Ober­pfle­ger ei­nes Ta­ges bei­läu­fig zu mir: »Auf dem Büro liegt ein Brief von Ih­nen, Som­mer. Die las­sen Ih­nen sa­gen, der kann nicht ab­ge­hen, Sie ha­ben kein Geld gut für Por­to.«

      »Wie?«, rief ich. »We­gen zwölf Pfen­nig Por­to kann mein Brief nicht ab­ge­hen? Und ich habe aus dem Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis vier­tau­send Mark an mei­ne Frau zu­rück­ge­schickt!«

      »Da hät­ten Sie sich eben ein paar Mark zu­rück­be­hal­ten sol­len«, sag­te der Ober­pfle­ger und woll­te wei­ter­ge­hen.

      »Aber, Herr Ober­pfle­ger!«, rief ich. »Das geht doch nicht. We­gen zwölf Pfen­ni­gen! Die kön­nen doch an­ru­fen bei mei­ner Frau, СКАЧАТЬ