Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ ge­gan­gen. Dort hat­te er einen Flucht­ver­such ge­macht, war aber wie­der ein­ge­fan­gen wor­den. Da er sich mit ei­ner fast tie­ri­schen Verzweif­lung ge­gen sei­ne er­neu­te Fest­nah­me wehr­te, war ein hef­ti­ges Ge­tüm­mel um ihn ent­stan­den; da­bei hat­te ei­ner auf sei­nen Arm ge­tre­ten, und der Arm brach. Als er aus dem Kran­ken­haus zu­rück­kehr­te, war er so ver­wirrt wie jetzt; den Arm, der schlecht ge­heilt war, be­nutz­te er nicht mehr, stän­dig hielt er die Hand die­ses Arms in der Ta­sche. Auch dies gab sei­ner trau­ri­gen Ge­stalt eine un­ver­ge­ss­li­che, cha­rak­te­ris­ti­sche Note.

      1 An­ge­hö­ri­ger ei­nes si­bi­ri­schen Volks­stam­mes <<<

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      Die­se drei Ge­stal­ten, de­ren man üb­ri­gens rasch müde wur­de, da sie sich nie ver­än­der­ten, nie et­was Neu­es bei ih­rem Ge­re­de hin­zu­kam, wa­ren aber auch die Ein­zi­gen, die in der Frei­stun­de spra­chen, alle an­de­ren, an die zwan­zig Mann, wa­ren stumm, dös­ten vor sich hin oder gin­gen in ei­nem fins­te­ren Schwei­gen her­um. Sie er­schie­nen mir im­mer wie eine graue, farb­lo­se Mas­se, aus der sich nichts ab­zeich­ne­te. Wohl wa­ren sie nach Her­kunft, Al­ter, Aus­se­hen ver­schie­den ge­nug, ich kann­te alle ihre so ver­schie­de­nen Ge­sich­ter, aber da sie nie eine Mei­nungs­äu­ße­rung von sich ga­ben, da ich nie ir­gen­det­was Per­sön­li­ches von ih­nen er­fuhr, nicht ahn­te, was sie freu­te und be­trüb­te, da ich sie stän­dig in ei­nem mür­ri­schen und gleich­gül­ti­gen Schwei­gen da­hinve­ge­tie­ren sah, da es kei­ner­lei »Son­der­zü­ge« an ih­nen zu be­ob­ach­ten gab, tat ich sie in die Spar­te des Gleich­gül­ti­gen und In­dif­fe­ren­ten, von dem ich auch nichts be­rich­ten kann.

      Eine Aus­nah­me hier­von mach­te al­lein ein Epi­lep­ti­ker, ein äl­te­rer Mann, mit dem ich gleich in den ers­ten Ta­gen einen Zu­sam­men­stoß hat­te, der im­mer mein Feind ge­blie­ben ist, denn er war im höchs­ten Gra­de reiz­bar und dann als hem­mungs­lo­ser Schlä­ger be­rüch­tigt, dem es auch auf einen Mord nicht an­ge­kom­men wäre.

      Da ich nicht zu den Au­ßen­ar­bei­tern ein­ge­teilt wor­den war, brauch­te ich nicht zehn Mi­nu­ten vor sie­ben Uhr mor­gens auf dem Hof an­zu­tre­ten, und ich be­nutz­te die Zwi­schen­zeit bis zum Be­ginn mei­ner Ar­beit, um mich im Wasch­raum ein zwei­tes Mal und et­was gründ­li­cher zu wa­schen. Am frü­hen Mor­gen, wenn an fünf Wasch­be­cken in noch nicht zwan­zig Mi­nu­ten sich sechs­und­fünf­zig Ge­fan­ge­ne rei­ni­gen soll­ten, war an ir­gend­wel­che gründ­li­che Rei­ni­gung kein Ge­dan­ke. Man hielt den Kopf un­ter den lau­fen­den Was­ser­hahn, spül­te die Hän­de ab, und fer­tig war die Wä­sche für den Tag!

      Den meis­ten Mit­ge­fan­ge­nen ge­nüg­te die­se flüch­ti­ge Rei­ni­gung auch voll­kom­men, Sei­fe spiel­te da­bei nur eine ge­rin­ge Rol­le, Zahn­bürs­ten be­sa­ßen nur zwei oder drei. Ein­mal in acht Wo­chen wur­de die gan­ze Sta­ti­on un­ter ein sehr pri­mi­ti­ves Brau­se­bad ge­führt und warm ab­ge­duscht, es gab aber vie­le, die sich mit List auch die­ser sel­te­nen gründ­li­che­ren Rei­ni­gung zu ent­zie­hen wuss­ten. Was mich an­geht, so konn­te ich mich noch nicht so­fort von den Ge­wohn­hei­ten ei­nes vier­zig­jäh­ri­gen Le­bens tren­nen (spä­ter wur­de ich auch gleich­gül­ti­ger).

      Wie schon ge­sagt, hielt ich eine zwei­te, gründ­li­che­re Wa­schung nach dem Früh­stück ab, wenn die Sta­ti­on durch den Aus­zug der Au­ßen­ar­bei­ter ru­hi­ger ge­wor­den war. Um die­se Zeit feg­te der epi­lep­ti­sche äl­te­re Mann un­se­re Zel­le, und wenn ich vom Wa­schen zu­rück­kam, feg­te er sie noch im­mer, denn das ging nur lang­sam bei ihm, wenn auch nicht gründ­lich. Er sah es wohl schon mit schee­len Au­gen an, wenn ich mich an das Fens­ter stell­te und mei­ne Nä­gel in Ord­nung brach­te, ich ach­te­te aber auf den stum­men Be­sen­geist da­mals noch gar nicht. War ich fer­tig zum Fort­ge­hen zu mei­ner Ar­beit, so war auch er schon meist aus der Zel­le ver­schwun­den.

      Nun ge­sch­ah es, dass ich beim et­was ei­li­gen Ver­las­sen der Zel­le die nach au­ßen ge­hen­de Tür et­was hef­tig auf­s­tieß und sie dem drau­ßen fe­gen­den Al­ten ge­ra­de an den Kopf schlug. Ich ent­schul­dig­te mich leb­haft und mit auf­rich­ti­gem Be­dau­ern; er murr­te fins­ter vor sich hin. Zwei oder drei Tage spä­ter drück­te ich die Tür zwar, vor­sich­ti­ger ge­wor­den, nur sach­te auf, aber sie traf doch wie­der den Kopf des di­rekt vor ihr Fe­gen­den! Eine Flut von Schimpf­wör­tern, un­ter de­nen »Idi­ot« noch das ge­rings­te war, er­goss sich über mich. Um­sonst mei­ne Ent­schul­di­gun­gen und Be­teue­run­gen, vor­sich­tig ge­we­sen zu sein – kaum ent­ging ich Schlä­gen.

      So kann sich auch der Fried­fer­tigs­te Fein­de ma­chen, und die­ser Epi­lep­ti­ker blieb wirk­lich dau­ernd mein Feind, ob­gleich ich mei­ne Wasch­zeit, um al­len wei­te­ren Zu­sam­men­stö­ßen zu ent­ge­hen, ver­leg­te. Im­mer folg­te er je­dem Schritt von mir mit fins­te­ren, arg­wöh­ni­schen Bli­cken, und nur mei­ner äu­ßers­ten Be­hut­sam­keit ist es zu dan­ken, dass ein neu­er Zu­sam­men­stoß zwi­schen uns bis­her aus­ge­blie­ben ist. An ei­ner ab­ge­bis­se­nen Nase habe ich schließ­lich ge­nug!

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      Mei­ne Spa­zier­gän­ge auf dem Freihof hät­ten ganz ein­sam und ohne alle Un­ter­hal­tung ver­lau­fen müs­sen, wä­ren nicht zu die­ser zwei­stün­di­gen Frei­zeit auch die we­ni­gen In­sas­sen der Ar­beits­zel­len hin­aus­ge­las­sen wor­den. Es han­del­te sich hier­bei um Ge­fan­ge­ne, die ent­we­der we­gen ih­rer Un­ver­träg­lich­keit oder we­gen schon vor­ge­nom­me­ner Flucht­ver­su­che nicht in die Au­ßen­kom­man­dos ein­ge­reiht wer­den konn­ten und die des­halb tag­aus, tagein in Ein­zel­zel­len mit Bürs­ten­ma­chen oder Mat­ten­flech­ten be­schäf­tigt wur­den. Un­ter die­sen wähl­te ich mei­ne Spa­zier­ge­fähr­ten, und es wa­ren vor­nehm­lich vier, mit de­nen ich ab­wech­selnd ging.

      Der Ers­te von ih­nen war ein ge­wis­ser Kur­mann, ein klei­ner, ver­wach­se­ner, hin­ken­der Mann mit in­tel­li­gen­tem Ge­sicht und Bril­le. Er gab vor, eine Dru­cke­rei in Ber­lin zu be­sit­zen, be­haup­te­te, aus po­li­ti­schen Grün­den in­haf­tiert zu sein und di­rekt vor sei­ner Ent­las­sung zu ste­hen. Im­mer wur­de er am nächs­ten oder doch am über­nächs­ten Tag frei, im­mer war sei­ne Frau im Be­griff, ihn zu be­su­chen, aber sie kam nie (wenn sie ihm auch Pa­ke­te schick­te), und auch er selbst wan­dert noch heu­te täg­lich zwei Stun­den im Gras­gar­ten um­her, wird aber mor­gen be­stimmt ent­las­sen.

      Sonst konn­te man schon ein ver­nünf­ti­ges Wort mit ihm re­den, na­ment­lich, wenn er auf sei­ne Ju­gend und Lehr­zeit als Buch­dru­cker zu re­den kam. Er war auch ge­fäl­lig und zum Ab­ge­ben be­reit, er ließ mich re­gel­mä­ßig an sei­ner Zei­tung teil­ha­ben, auch hat er mir man­che Zi­ga­ret­te ge­schenkt.

      Be­son­ders be­gehrt war er als Be­sit­zer ei­nes Ver­grö­ße­rungs­gla­ses, das bei Son­nen­schein aus­ge­zeich­net zum An­bren­nen von Zi­ga­ret­ten und Pfei­fen zu be­nut­zen war. Es ge­hör­te zu den Un­be­greif­lich­kei­ten der An­stalts­lei­tung, uns zwar das Rau­chen zu СКАЧАТЬ