Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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»Das habe ich nicht. Ich habe gesagt: nein, mein Mann hat mich nicht angestitftet.«
»Sie lügen! Sie lügen! Sie haben die Unverschämtheit, dem Hohen Gerichtshof und mir ins Gesicht zu lügen!«
Wütendes Gekläff. Die Angeklagte bleibt bei ihrer Aussage.
»Man vergleiche das Stenogramm!«
Das Stenogramm wird verlesen, und es wird festgestellt, dass die Angeklagte mit ihrer Behauptung recht hat. Bewegung im Saal. Otto Quangel sieht beifällig seine Anna an, die sich nicht einverschüchtern lässt. Er ist stolz auf sie.
Ankläger Pinscher lässt einen Augenblick den Schwanz hängen und schielt zum Präsidenten. Der gähnt diskret hinter der Geierklaue. Der Ankläger entschließt sich, er verlässt die alte Spur und nimmt eine neue auf.
»Angeklagte, Sie waren doch schon ziemlich ältlich, als Ihr jetziger Mann Sie heiratete?«
»Ich war an die dreißig.«
»Und vorher?«
»Ich verstehe das nicht.«
»Tun Sie bloß nicht so unschuldig, ich will wissen, was Sie vor Ihrer Ehe für Beziehungen zu den Männern hatten. Nun, wird’s bald?«
Bei der abgrundtiefen Gemeinheit dieser Frage wurde Anna Quangel erst rot, dann blass. Hilfeflehend sah sie zu ihrem ältlichen versorgten Verteidiger hin, der aufsprang und sagte: »Ich bitte, die Frage als nicht zur Sache gehörig zurückzuweisen!«
Und der Ankläger: »Meine Frage gehört zur Sache. Hier ist die Vermutung laut geworden, die Angeklagte sei nur eine Mitläuferin ihres Mannes gewesen. Ich werde beweisen, dass sie eine moralisch ganz tiefstehende Person war, aus dem Pöbel stammend, dass man sich bei ihr jedes Verbrechens zu versehen hat.«
Der Präsident erklärte gelangweilt: »Die Frage gehört zur Sache. Sie ist zugelassen.«
Der Pinscher kläffte neu: »Also mit wie viel Männern hatten Sie bis zu Ihrer Ehe Beziehungen?«
Alle Augen sind auf Frau Anna Quangel gerichtet. Einige Studenten im Hörerraum lecken sich die Lippen, jemand stöhnt wohlig.
Quangel sieht mit einiger Besorgnis auf Anna, er weiß doch, wie empfindlich sie in diesem Punkte ist.
Aber Anna Quangel hat sich entschlossen. Wie ihr Otto vorhin alle Bedenken wegen seiner Spargelder hinter sich geworfen hat, so war sie jetzt willens, schamlos vor diesen schamlosen Männern zu sein.
Der Ankläger hatte gefragt: »Also mit wie viel Männern hatten Sie bis zu Ihrer Ehe Beziehungen?«
Und Anna Quangel antwortet: »Mit siebenundachtzig.«
Jemand prustet im Zuhörerraum los.
Der Präsident wacht aus seinem Halbschlaf auf und sieht beinah interessiert auf die kleine Arbeiterfrau mit der gedrungenen Gestalt, den roten Bäckchen, der vollen Brust.
Quangels dunkle Augen haben aufgeleuchtet, nun hat er die Lider wieder tief über sie gesenkt. Er sieht niemanden an.
Der Ankläger aber stottert völlig verwirrt: »Mit siebenundachtzig? Wieso grade mit siebenundachtzig?«
»Das weiß ich nicht«, sagt Anna Quangel ungerührt. »Mehr waren’s eben nicht.«
»So?«, sagt der Ankläger missmutig. »So!«
Er ist sehr missmutig, denn er hat die Angeklagte plötzlich zu einer interessanten Figur gemacht, was keineswegs in seiner Absicht lag. Auch ist er, wie die meisten Anwesenden, fest davon überzeugt, dass sie lügt, dass es vielleicht nur zwei oder drei Liebhaber waren, womöglich sogar keiner. Man könnte sie wegen Verhöhnung des Gerichts in Strafe nehmen lassen. Aber wie ihr diese Absicht beweisen?
Endlich entschließt er sich. Er sagt grämlich: »Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie maßlos übertreiben, Angeklagte. Eine Frau, die siebenundachtzig Liebhaber gehabt hat, wird sich wohl kaum der Zahl erinnern. Sie wird antworten: viele. Aber Ihre Antwort beweist grade Ihre Verkommenheit. Sie rühmen sich noch Ihrer Schamlosigkeit! Sie sind stolz darauf, eine Hure gewesen zu sein. Und aus der Hure sind Sie dann das geworden, was aus allen Huren gemeiniglich wird, Sie sind eine Kuppelmutter geworden. Den eigenen Sohn haben Sie verkuppelt.«
Jetzt hat er Anna Quangel doch gebissen, der Pinscher.
»Nein!«, schreit Anna Quangel und erhebt bittend die Hände. »Sagen Sie doch das nicht! So etwas habe ich nie getan!«
»Das haben Sie nicht getan?«, kläfft der Pinscher. »Und wie wollen Sie das nennen, dass Sie der sogenannten Braut Ihres Sohnes mehrfach nachts Unterkunft gewährt haben? Da haben Sie wohl Ihren Sohn unterdes ausquartiert? He? Wo hat denn diese Trudel geschlafen? Sie wissen doch, sie ist tot, ja, das wissen Sie doch? Sonst säße dieses Frauenzimmer, diese Mithelferin Ihres Mannes bei seinen Verbrechen, auch hier auf der Anklagebank!«
Aber die Erwähnung der Trudel hat Frau Quangel neuen Mut eingeflößt. Sie sagt, nicht zum Ankläger, sondern zum Gerichtshof hinüber: »Ja, gottlob, dass die Trudel tot ist, dass sie diese letzte Schande nicht miterlebt hat …«
»Mäßigen Sie sich gefälligst! Ich warne Sie, Angeklagte!«
»Sie war ein gutes, anständiges Mädchen …«
»Und trieb ihr fünf Monate altes Kind ab, weil sie keine Soldaten zur Welt bringen wollte!«
»Sie hat das Kind nicht abgetrieben, sie war unglücklich über seinen Tod!«
»Sie hat es selber eingestanden!«
»Das glaube ich nicht.«
Der Ankläger schreit los: »Was Sie hier glauben oder nicht, das ist uns gleich! Aber ich rate Ihnen dringend, Ihren Ton zu ändern, Angeklagte, sonst erleben Sie noch etwas sehr Unangenehmes! Die Aussage der Hergesell ist СКАЧАТЬ