Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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»Ich habe doch immer damit gerechnet, dass ich davonkomme.«
»Was heißt das, davonkommen? Dass Sie freigesprochen werden?«
»Nein, an so was habe ich nie geglaubt. Ich habe gedacht, ich werde nicht gefasst.«
»Sie sehen, da haben Sie ein bisschen falsch gedacht. Ich glaube es Ihnen aber auch nicht, dass Sie so gedacht haben. So dumm sind Sie ja gar nicht, wie Sie sich jetzt stellen. Sie können gar nicht gedacht haben, dass Sie Ihre Verbrechen noch Jahre und Jahre ungestört fortsetzen könnten.«
»Ich glaube nicht an Jahre und Jahre.«
»Was soll das heißen?«
»Ich glaube nicht, dass es noch lange hält, das Tausendjährige Reich«, sagte Quangel, den scharfen Vogelkopf dem Präsidenten zuwendend.
Der Anwalt unten fuhr erschrocken zusammen.
Bei den Hörern lachte jemand wieder auf, und sofort wurde dort ein drohendes Murren laut.
»So ein Schwein!«, schrie einer.
Der Schutzpolizist hinter Quangel rückte an seinem Tschako, mit der anderen Hand fasste er nach seiner Pistolentasche.
Der Ankläger war aufgesprungen und schwenkte ein Blatt Papier.
Frau Quangel sah lächelnd auf ihren Mann und nickte eifrig.
Der Schutzpolizist hinter ihr fasste nach ihrer Schulter und drückte sie schmerzhaft.
Sie bezwang sich und schrie nicht.
Ein Beisitzer starrte mit weit offenem Munde auf Quangel.
Der Präsident sprang auf: »Sie Verbrecher, Sie! Sie Idiot! Sie Verbrecher! Sie wagen hier zu sagen …«
Er brach ab, auf seine Würde bedacht.
»Der Angeklagte ist erst einmal abzuführen. Wachtmeister, führen Sie den Kerl raus! Der Gerichtshof beschließt über eine angemessene Bestrafung …«
Nach einer Viertelstunde wurde die Verhandlung wieder aufgenommen.
Viel beachtet wurde, dass der Angeklagte jetzt nicht mehr richtig gehen zu können schien. Allgemein dachte man: Den haben sie unterdes hübsch in der Mache gehabt. Auch Anna Quangel dachte dies mit Angst.
Der Präsident Feisler verkündete: »Der Angeklagte Otto Quangel erhält für vier Wochen Dunkelarrest bei Wasser und Brot und völligem Kostentzug an jedem dritten Tag. Außerdem«, setzte Präsident Feisler erklärend hinzu, »sind dem Angeklagten die Hosenträger fortgenommen worden, da er, wie mir gemeldet wurde, sich in der Pause eben verdächtig mit ihnen zu schaffen gemacht hat. Es besteht Selbstmordverdacht.«
»Ich hab nur mal austreten müssen.«
»Sie halten das Maul, Angeklagter! Es besteht Selbstmordverdacht. Der Angeklagte wird sich von nun an ohne Hosenträger behelfen müssen. Er hat sich das selbst zuzuschreiben.«
Im Zuhörerraum wurde schon wieder gelacht, aber jetzt warf der Präsident einen fast wohlwollenden Blick dorthin, er freute sich selbst an seinem guten Witz. Der Angeklagte stand da, in etwas verkrampfter Haltung, immer musste er die rutschende Hose festhalten.
Der Präsident lächelte. »Wir fahren in der Verhandlung fort.«
63. Die Hauptverhandlung: Ankläger Pinscher
Während der Präsident des Volksgerichtshofes, Feisler, für jeden unvoreingenommenen Beobachter mit einem bösartigen Bluthund zu vergleichen war, spielte der Ankläger nur die Rolle eines kleinen kläffenden Pinschers, der darauf lauert, den vom Bluthund Angefallenen in die Wade zu beißen, während sein großer Bruder ihn bei der Kehle hatte. Ein paarmal hatte der Ankläger während der Verhandlung gegen die Quangels versucht loszukläffen, aber immer hatte ihn sofort wieder das Gebell des Bluthundes übertönt. Was gab es da auch noch groß für ihn zu kläffen? Der Präsident verrichtete ja von der ersten Minute an die Dienste des Anklägers, von der ersten Minute an hatte Feisler die Grundpflicht jedes Richters verletzt, der die Wahrheit ermitteln soll: er war höchst parteiisch gewesen.
Aber nach der Mittagspause, in der vom Präsidenten ein sehr reichhaltiges Mahl kartenfrei eingenommen war, zu dem es auch Wein und Schnaps gegeben hatte, war Feisler ein wenig müde. Was sollte auch noch alle Anstrengung? Die waren ja beide schon tot. Zudem war jetzt das Weib dran, diese kleine Arbeiterfrau – und die Weiber waren dem Präsidenten ziemlich gleichgültig, von seinem Richterstandpunkt aus. Die Weiber waren alle doof und nur zu einer Sache nütze. Sonst taten sie, was ihre Männer wollten.
Feisler litt es also gnädig, dass nun der Pinscher sich in den Vordergrund drängte und zu kläffen anhob. Mit halbgeschlossenen Augen lehnte er in seinem Richterstuhl, den Kopf in die Geierkralle gestützt, scheinbar aufmerksam zuhörend, in Wirklichkeit aber ganz seiner Verdauung hingegeben.
Der Pinscher kläffte: »Sie haben doch früher ein Amt in der Frauenschaft bekleidet, Angeklagte?«
»Ja«, antwortete Frau Quangel.
»Und warum haben Sie das denn aufgegeben? Hat Ihr Mann das von Ihnen verlangt?«
»Nein«, antwortete Frau Quangel.
»So, das hat er nicht von Ihnen verlangt? Erst legt der Mann sein Amt in der Arbeitsfront nieder und dann die Frau vierzehn Tage später ihr Amt in der Frauenschaft. Angeklagter Quangel, haben Sie das nicht von Ihrer Frau verlangt?«
»Sie wird wohl von selbst auf die Idee gekommen sein, als sie hörte, dass ich meinen Posten aufgegeben hatte.«
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