Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ Grad von Maßgeblichkeit nicht zu versagen. Doch der Gewaltige bemerkte:

      »Das alles klingt so phantastisch.«

      »Nicht wahr? Man möchte an einen grausamen Scherz denken. Aber unser Mann nahm es ganz fraglos ernst. Er fühlte sich bedroht. Seinerzeit einmal, müssen Sie wissen, war er in unmittelbarer Verbindung mit dem alten Stott-Wartenheim selbst und hatte sich gewöhnt, seine Dienste für unentbehrlich zu halten. Es war ein außergewöhnlich rauhes Erwachen. Ich stelle mir vor, daß er den Kopf verloren hat. Er geriet in Wut und Angst. Auf mein Wort, ich hatte den Eindruck, daß er diese Gesandtschaftsleute sehr gut für fähig hielt, ihn nicht nur fallen zu lassen, sondern auch so oder so zu verraten –«

      »Wie lange waren Sie mit ihm zusammen?« unterbrach der Gewaltige, hinter seiner großen Hand hervor.

      »Etwa vierzig Minuten, Sir Ethelred. In einem verrufenen Hause, das sich Continental Hotel nennt, in einem Zimmer eingeschlossen, das ich, nebenbei bemerkt, für die Nacht genommen hatte. Ich traf ihn gerade unter dem Einfluß des Rückschlags, der der Willensanspannung des Verbrechens zu folgen pflegt. Der Mann ist durchaus kein verhärteter Verbrecher zu nennen. Es liegt auf der Hand, daß der Tod dieses unglücklichen Jungen, seines Schwagers, durchaus nicht in seiner Absicht lag. Es hat ihn erschüttert – das konnte ich merken. Vielleicht ist er ein sehr empfindsamer Mensch. Vielleicht hatte er den Jungen sogar gerne – wer weiß das. Er mochte gehofft haben, daß der Bursche glatt durchkommen würde, wobei es nahezu unmöglich gewesen wäre, den Anstifter herauszubringen. Keinesfalls hat er mehr als Verhaftung für den Jungen wagen wollen.«

      Der Kommissar unterbrach seine Ausführungen zu kurzer Überlegung.

      »Zwar, wie er im letzten Fall hoffen konnte, seinen Anteil an der Sache verborgen zu halten, ist mehr, als ich sagen könnte«, fuhr er fort, in seiner Unkenntnis von des armen Stevie Ergebenheit für Herrn Verloc (der ja gut war), und von der wirklich eigenartigen Gestörtheit des Jungen, die doch in der alten Geschichte vom Feuerwerk auf den Stiegen durch lange Jahre alle Drohungen, Bitten und sonstigen Untersuchungsmittel seiner geliebten Schwester zunichte gemacht hatte. Denn Stevie war treu … »Nein, ich kann mir’s nicht vorstellen. Es ist möglich, daß er daran überhaupt nicht gedacht hat. Es mag etwas ungewöhnlich klingen, Sir Ethelred, aber angesichts seines Seelenschmerzes mußte ich an einen etwas vorschnellen Mann denken, der Selbstmord begangen hat, im Glauben, daß damit alles zu Ende sein würde und nachher dahinter kommt, daß dem durchaus nicht so ist.«

      Der Kommissar machte diese Feststellungen in entschuldigendem Ton. Tatsächlich aber hat gerade die bildhafte Sprache ihre eigene Deutlichkeit, und der große Mann war nicht erzürnt. Ein leichtes Zucken des großen Körpers, der sich in dem grünen Dämmer fast verlor, des mächtigen Hauptes, das sich auf die große Hand lehnte, wurde von einem unterdrückten, doch immer noch kraftvollen Geräusch begleitet. Der große Mann hatte gelacht.

      »Was haben Sie mit ihm gemacht?«

      Der Kommissar gab schnell zurück:

      »Da er es sehr dringlich zu haben schien, zu seiner Frau in den Laden zurückzukommen, so ließ ich ihn gehen, Sir Ethelred.«

      »Taten Sie das? Aber der Bursche wird sich ja dünn machen!«

      »Verzeihung, das glaube ich nicht. Wohin sollte er gehen? Dann bitte ich Sie auch zu bedenken, daß er ja auch die Gefahr von Seiten seiner eigenen Genossen im Auge behalten muß. Er ist hier auf Posten. Wie könnte er es erklären, wenn er ihn verließe? Doch selbst, wenn seine Handlungsfreiheit nicht gehemmt wäre, würde er nichts unternehmen. Im Augenblick hat er nicht genügend Entschlußkraft, um sich zu irgend etwas aufzuraffen. Gestatten Sie mir, auch noch hervorzuheben, daß wir durch seine Festnahme in eine Handlungsweise hineingedrängt worden wären, über die ich zuvor doch Ihre genaue Meinung einholen wollte.«

      Der große Mann erhob sich wuchtig, eine gewaltige, schattenhafte Form im grünen Dämmer des Zimmers.

      »Ich muß heute noch mit dem Oberstaatsanwalt sprechen und werde morgen früh nach Ihnen schicken. Haben Sie mir jetzt noch irgend etwas zu sagen?«

      Der Kommissar war ebenfalls aufgestanden, schlank und biegsam.

      »Ich denke nicht, Sir Ethelred. Sonst müßte ich auf Einzelheiten eingehen, die –«

      »Nein, keine Einzelheiten, bitte.«

      Die große, schattenhafte Masse schien zusammenzuschrumpfen wie in körperlicher Angst vor Einzelheiten; kam dann wieder vorwärts, breitete sich aus, wuchs ins Ungeheure und bot eine riesige Hand. »Und Sie sagen, daß der Mann eine Gattin hat?«

      »Jawohl, Sir Ethelred«, sagte der Kommissar und drückte ehrfurchtsvoll die ausgestreckte Hand. »Eine richtige Gattin, die ihm richtig und gesetzmäßig angetraut ist. Er gestand mir, daß er nach der Auseinandersetzung auf der Gesandtschaft alles hinter sich geworfen, den Laden verkauft und das Land verlassen hätte, hätte er nicht sicher gewußt, daß sein Weib von einer Auswanderung nicht einmal reden hören wollte. Nichts kennzeichnet die gut bürgerliche Bindung besser als dies«, fuhr der Kommissar mit einem Anflug von Grimm fort, denn auch seine eigene Gattin hatte es ja abgelehnt, von Auswanderung reden zu hören. »Ja, eine richtige Gattin. Und das Opfer war sein richtiger Schwager. Von einem gewissen Gesichtspunkt aus gesehen, bietet sich uns hier ein häusliches Drama dar.«

      Der Kommissar lachte kurz; doch des großen Mannes Gedanken schienen weit weg zu sein, vielleicht bei der Innenpolitik seines Landes, dem Schlachtfeld, auf dem sich sein Kreuzzug gegen den Heiden Cheeseman abspielte. Der Kommissar zog sich ruhig zurück, unbemerkt, als wäre er schon vergessen.

      Auch in ihm steckte etwas vom Kreuzfahrer. Diese Sache, die aus dem oder jenem Grunde dem Hauptinspektor so widerlich war, erschien ihm ein von der Vorsehung gegebener Ausgangspunkt für einen Kreuzzug, den er von Herzen gern beginnen wollte. Er ging langsam nach Hause, überdachte unterwegs sein Vorhaben und auch Herrn Verlocs Charakter, in einer Stimmung, die zwischen Widerwillen und Genugtuung schwankte. Er ging die ganze Strecke zu Fuß. Da er im Wohnzimmer kein Licht fand, so ging er in den Oberstock und brachte einige Zeit zwischen dem Schlaf-und Ankleidezimmer damit hin, seine Kleider zu wechseln und wie ein grübelnder Traumwandler auf und ab zu gehen. Doch nahm er sich fest in die Hand, bevor er wieder ausging, um mit seiner Frau im Hause von Michaelis’ großer Gönnerin zusammenzutreffen.

      Er wußte, daß er dort willkommen sein würde. Als er das kleinere der beiden Wohnzimmer betrat, gewahrte er seine Frau in einer kleinen Gruppe nächst dem Piano. Ein junger Komponist, der auf der Schwelle der Berühmtheit stand, unterhielt sich vom Klaviersessel aus mit zwei dicken Männern, deren Rücken alt, und mit drei schlanken Frauen, deren Rücken jung aussahen. Hinter dem Wandschirm hatte die große Dame nur zwei Leute bei sich: einen Mann und eine Frau, die nebeneinander in Armstühlen zu Füßen des Ruhebetts saßen. Sie streckte dem Kommissar die Hand entgegen.

      »Ich hätte nie gehofft, Sie heute abend hier zu sehen. Annie sagte mir –«

      »Jawohl. Ich hatte selbst keine Ahnung, daß meine Arbeit so schnell beendet sein würde.«

      Der Kommissar fügte halblaut hinzu: »Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, daß Michaelis mit der Sache gar nichts zu tun hat –«

      Die Schirmherrin des entlassenen Sträflings nahm diese Zusicherung mit Entrüstung auf.

      »Warum? Wart Ihr denn dumm genug, ihn damit in Verbindung zu bringen? –«

      »Nicht dumm,« unterbrach der Kommissar in ehrehrbietigem Widerspruch, »geschickt genug – wirklich geschickt genug dazu.«

      Es СКАЧАТЬ