Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
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Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

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СКАЧАТЬ weiß nicht, ob Sie einander schon einmal begegnet sind«, sagte die große Dame.

      Herr Vladimir und der Kommissar wurden einander vorgestellt und nahmen jeder des anderen Dasein mit gemessener Höflichkeit zur Kenntnis.

      »Er hat mir Angst gemacht«, erklärte plötzlich die Dame, die neben Herrn Vladimir saß und deutete mit einer Kopfbewegung nach ihm. Der Kommissar kannte die Dame.

      »Sie sehen nicht verängstigt aus«, meinte er nach einem forschenden Blick aus seinen müden, gleichgültigen Augen. Dabei stellte er innerlich fest, daß man in diesem Hause früher oder später jedermann treffen mußte. Herrn Vladimirs rosiges Gesicht war von einem Lächeln durchfurcht, weil er eben witzig war; in seinen Augen aber stand noch der Ernst der Überzeugung.

      »Nun, er hat es wenigstens versucht«, gab die Dame zu.

      »Die Macht der Gewohnheit vielleicht«, sagte der Kommissar in unwiderstehlicher Eingebung.

      »Er hat der Gesellschaft alle Arten von Schrecken angedroht«, fuhr die Dame fort, in ihrer schleppenden, schmachtenden Redeweise. »Alles wegen der Explosion in Greenwich Park. Es scheint, daß wir alle in unseren Schuhen zittern müssen, beim Gedanken an das Kommende, wenn diese Leute nicht in der ganzen Welt unterdrückt werden. Ich hatte keine Ahnung, daß die Sache so ernst wäre.«

      Herr Vladimir gab sich den Anschein, als hörte er nicht, beugte sich zu dem Ruhebett und sprach höflich und halblaut weiter, doch hörte er den Kommissar sagen:

      »Ich zweifle nicht, daß Herr Vladimir die Wichtigkeit der Sache haargenau einzuschätzen weiß.«

      Herr Vladimir fragte sich, wo der verwünschte, hergewehte Polizeimann hinaus wollte. Als Abkömmling einer langen Geschlechterreihe von Untertanen einer unumschränkten Macht hatte er aus Rasse-, wie aus persönlicher Anlage Angst vor der Polizei. Es war eine ererbte Schwäche, die sich seinem Urteil, seiner Vernunft und seiner Erfahrung entzog. Sie war ihm angeboren. Aber das Gefühl, das mit dem unvernünftigen Abscheu mancher Leute vor Katzen Ähnlichkeit hatte, hielt vor seiner unendlichen Geringschätzung der englischen Polizei nicht stand. Er beendete den an die große Dame gerichteten Satz und wandte sich in seinem Stuhl leicht um.

      »Sie meinen wohl, daß wir die Leute genau kennen. Jawohl. Wir haben wirklich sehr viel zu dulden unter ihrer Tätigkeit, während Sie –« Herr Vladimir zögerte einen Augenblick und lächelte ratlos – »während Sie fröhlich ihre Anwesenheit in Ihrer Mitte dulden«, schloß er und zeigte Grübchen in jeder der glattrasierten Wangen. Dann fügte er ernsthafter hinzu: »Ich kann sogar sagen, weil Sie das tun.«

      Als Herr Vladimir zu sprechen aufhörte, schlug der Kommissar die Augen nieder, und die Unterhaltung stockte. Fast unmittelbar darauf empfahl sich Herr Vladimir. Sobald er dem Ruhebett den Rücken gekehrt hatte, erhob sich auch der Kommissar.

      »Ich dachte, Sie würden hier bleiben und Annie mitnehmen«, sagte die Schirmherrin von Michaelis.

      »Ich sehe doch, daß ich heute abend noch eine Kleinigkeit zu tun habe.«

      »In Verbindung –?«

      »Jawohl – gewissermaßen.«

      »Sagen Sie mir, was soll die grausige Sache bedeuten?«

      »Das ist schwer zu sagen, aber vielleicht wird es noch eine cause célèbre«, meinte der Kommissar.

      Er verließ das Wohnzimmer eilig und fand Herrn Vladimir noch in der Halle, wie er sich gerade ein großes Seidentuch sorgsam um den Hals wickelte. Hinter ihm wartete ein Lakai mit seinem Mantel. Ein anderer stand bereit, um die Türe zu öffnen. Man half dem Kommissar sofort den Mantel anziehen und ließ ihn hinaus. Nachdem er die Stufen vor dem Eingang hinuntergeschritten war, blieb er stehen, als überlegte er, welchen Weg er nehmen solle. Als er dies durch die offen gehaltene Tür sah, verweilte Herr Vladimir in der Halle, zog eine Zigarre heraus und verlangte Feuer. Ein alter Mann ohne Livree bot es ihm mit ruhiger Höflichkeit. Doch das Zündholz erlosch; da schloß der Lakai die Tür, und Herr Vladimir zündete sich bedächtig seine Havanna an. Als er schließlich aus dem Hause trat, sah er den »verdammten Polizeimann« immer noch auf der Straße stehen.

      »Kann er etwa auf mich warten?« dachte Herr Vladimir und spähte links und rechts nach einer Droschke aus. Er sah keine. Einige Kutschen warteten längs des Randsteins; ihre Laternen brannten ruhig, die Pferde standen ganz still, wie in Stein gehauen, die Kutscher saßen so reglos in ihren Pelzmänteln, daß nicht einmal die Spitzen ihrer großen Bogenpeitschen zuckten. Herr Vladimir ging vorwärts, und der »verdammte Polizeimann« nahm an seiner Seite gleichen Schritt. Er sagte nichts. Nach dem vierten Schritt fühlte Herr Vladimir wütende Unruhe. Dies konnte nicht andauern.

      »Sauwetter«, knurrte er böse.

      »Milde«, sagte der Kommissar. Er schwieg eine Zeitlang. Dann bemerkte er obenhin: »Wir haben einen gewissen Verloc festgenommen.«

      Herr Vladimir strauchelte nicht, fuhr nicht zurück, behielt seinen Schritt. Doch konnte er sich nicht enthalten, auszurufen: »Was!« Der Kommissar wiederholte seine Bemerkung nicht. »Sie kennen ihn«, fuhr er in gleichem Ton fort.

      Herr Vladimir blieb stehen und bekam seinen Kehlton.

      »Wie kommen Sie dazu, das zu sagen?«

      »Ich sage es nicht. Verloc sagt es.«

      »Irgend ein lügnerischer Hund«, sagte Herr Vladimir in plötzlich orientalischer Ausdrucksweise. Sein Herz aber war fast von Ehrfurcht erfüllt angesichts der wunderbaren Geschicklichkeit der englischen Polizei. Der Wechsel seiner Ansicht in diesem Punkt war so unvermittelt, daß er einen Augenblick lang Übelkeit empfand. Er warf seine Zigarre fort und ging weiter.

      »Was mir bei der Sache am meisten gefällt,« fuhr der Kommissar langsam fort, »ist, daß sie eine so vorzügliche Handhabe zu einem Unternehmen bietet, das meiner Überzeugung nach unbedingt begonnen werden muß – das ist, zu der Säuberung dieses Landes von all den ausländischen Spitzeln, Polizisten und – Hunden dieser Art. Meiner Ansicht nach sind sie unerhört schädlich; und auch eine ständig drohende Gefahr. Noch können wir sie nicht gut einzeln heraussuchen. Der einzige Weg ist, denen, die sie verwenden, ihre Verwendung zu verleiden. Die Sache wird ja anstößig! Und auch gefährlich für uns hier.«

      Wieder blieb Herr Vladimir einen Augenblick stehen.

      »Was meinen Sie?«

      »Der Prozeß gegen diesen Verloc wird der Öffentlichkeit sowohl die Gefahr, wie die Anstößigkeit dartun.«

      »Niemand wird glauben, was ein Mann dieser Sorte sagt«, meinte Herr Vladimir verächtlich.

      »Die Unzahl genauer Einzelheiten wird für das Publikum zwingende Beweiskraft haben«, gab der Kommissar freundlich zu bedenken.

      »Sie haben das also ernstlich im Sinn?«

      »Wir haben den Mann. Uns bleibt keine Wahl.«

      »Sie werden damit nur dem Lügengeist unter den revolutionären Schuften neue Nahrung geben«, widersprach Herr Vladimir. »Warum wollen Sie denn Skandal? – Wegen der Moral – oder weswegen?«

      Herrn Vladimirs Unruhe war unverkennbar. Da der Kommissar sich so überzeugt hatte, daß in den gedrängten Angaben Herrn Verlocs einige Wahrheit liegen mußte, fügte er gleichgültig hinzu:

      »Es СКАЧАТЬ