Название: Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор: Фридрих Шиллер
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027204274
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Marquis. Sie hassen ihren Vater!
Karlos. Nein! o Gott! ich hasse meinen Vater nicht – doch Schauder (kann ich dafür?) und Höllenangst ergreifen bei den zwo fürchterlichen Silben mich als hört ich alle Sünden meines Lebens am Tag des Weltgerichts herunterlesen. Kann ich dafür, wenn eine viehische Erziehung schon in meinem jungen Herzen der Kindesliebe zarten Keim zertrat? Mein Vater sagst du? Recht! mit diesem Namen erschröckten meine Ammen mich – das war von allen Künsten ihrer Kinderzucht die wirksamste, wenn alle Ruthenstreiche an mir verloren waren – Sieben Jahre hatt’ ich gelebt, als mir zum erstenmal der Fürchterliche, der, wie sie es nannten, mein Vater war, vor Augen kam – es war an einem Morgen, wo er steh’nden Fußes vier Bluturtheile unterschrieb – nach diesem sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergeh’n Bestrafung angekündigt ward – o Gott! hier fühl ich, daß ich bitter werde, weg, weg, weg von dieser Stelle.
Marquis. Nein! sie sollen, jezt sollen sie sich öfnen Prinz. In Worten verblutet sich der stille Gram so gern.
Karlos. Oft hab ich mit mir selbst gerungen, oft um Mitternacht, wenn meine Mohren schliefen, mit heißen Tränengüßen vor das Bild der Hochgebenedeiten mich geworfen, sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne Erhörung, eißkalt stand ich wieder auf. Was ist das? Wer erklärt mir das? – Sonst ist die Welt zu eng, die Liebe aufzufassen, die hier in meinem Busen für sie quillt – – Hier schlägt ein Herz, wie keins in allen Ländern, die meinem Vater zinsbar sind. Diß Herz, groß wie mein Rang, der Menschheit aufgethan, und weit genug, die Schöpfung zu umschließen, diß Herz allein – nicht meine Erstgeburt, nicht meiner Ahnen pralerische Kette, die tief im Heidenthum sich untertaucht – diß Herz allein ist mein Beruf zum Tron, und dieses Herz – O weint um mich ihr Armen – verschließt sich einem Menschen nur – nur einem – und wer ist das?
Marquis. Abscheulich!
Karlos. Rodrigo, enthülle du diß wunderbare Räzel der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern just eben diesen Vater mir? und ihm just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen? Zwei unversöhnlichere Gegentheile fand die Natur in ihrem Umkreis nicht, wie mochte sie die beiden lezten Enden des menschlichen Geschlechtes – mich und ihn durch ein so heilig Band zusammen schmieden? Furchtbares Loos! warum mußt es gescheh’n? Warum zween Menschen, die sich ewig meiden, in einem einz’gen eigensinn’gen Wunsch, auf einem Brett, das keine Theilung duldet, in unglücksel’ger Harmonie sich finden? Hier Rodrigo siehst du zwei feindliche Gestirne, die, im ganzen Lauf der Zeiten ein einzigmal, in scheitelrechter Bahn zerschmetternd sich berühren, dann auf immer und ewig auseinander flieh’n!
Marquis. Mir ahndet ein schreckenvoller Augenblick.
Karlos. Mir selbst. Wie Furien des Abgrunds folgen mir die schauerlichsten Träume – Zweifelnd ringt mein guter Geist mit gräßlichen Gelüsten, durch labirinthische Sophismen kriecht mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis er plözlich vor eines Abgrunds gähem Rande stuzt – – – O Rodrigo, wenn ich den Vater je in ihm verlernte – Rodrigo – ich sehe dein todenblasser Blick hat mich verstanden – Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, was würde mir der König seyn?
(Der Marquis beschwört den Prinzen, seiner Leidenschaft keinen Schritt zu erlauben, den er nicht zuvor der Freundschaft anvertraut hätte. Der Prinz wirft sich ganz in seine Arme, und fodert ihn bei dem heiligen Gelübd seiner Liebe auf, ihm eine Zusammenkunft mit der Königin zu bewirken. Die Königin ist zur nämlichen Zeit in Aranjuez; die Einsamkeit der Gegend, die zwanglose Sitte des Landlebens machen eine solche Zusammenkunft hier leichter möglich, als zu Madrid. Der Marquis hat Gelegenheit in den flandrischen Angelegenheiten Audienz bei der Königin zu erhalten, und verspricht dem Prinzen, ihre Empfindungen für ihn zu erforschen, und sie zu dieser Unterredung zu stimmen. Die Königin pflegte sich die meiste Zeit, daß der Hof zu Aranjuez war, in einer Eremitage aufzuhalten, die sie vorzüglich liebte. Dahin geht jezt der Marquis, nachdem er zuvor dem Prinzen gerathen hatte, in der Nähe dieses Plazes versteckt zu seyn, damit er sogleich auf das gegebene Zeichen erscheinen könnte.)
Zwote Verwandlung
(Eine Einsiedelei im Garten zu Aranjuez.)
Dritter Auftritt
Die Königin. Die Fürstin von Eboli. Die Marquisin von Mondekar, (welche sich mit kleinen Gärtnerarbeiten beschäftigen.) Der Marquis von Posa (tritt auf, und wird durch die Fürstin der Königin vorgestellt; nach einer kurzen Unterredung schickt die leztere die Fürstin weg, und die Marquisin verliert sich in die andere Gegend der Eremitage.)
Vierter Auftritt
Die Königin und der Marquis.
Königin. Hier zeig ich ihnen meine Welt. Diß Pläzchen hab ich mir längst zum Liebling ausgesucht. Wie schön ists hier – wie herzlich – wie vertraulich – hieher – so scheint es – hat sich die Natur vor den Verfolgungen der Kunst geflüchtet. In unbelauschter Freiheit wohnt sie da von wenigen empfunden – o wie gerne verzeih ich hier dem König sein gerühmtes Aranjuez – die prächtige Verstümmlung der Werke Gottes.
Marquis. So verächtlich spricht die Königin vom achten Erdenwunder?
Königin. Bewundern sie die glatten Buchenwände, der Bäume banges Zeremoniell, die starr und steif, und zierlich wie sein Hof, in trauriger Parade um mich gähnen. Hier grüßt mich meine ländliche Natur, die Busenfreundin meiner jungen Jahre, hier find ich meine Kinderspiele wieder, und meines Frankreichs Lüfte wehen hier. Wird mein Gemahl die Sehnsucht mir verargen? Ich bin in Spanien – so schnell vergessen Parisermädchen ihre Heimat nicht.
Marquis. Doch, wenn sie darum nur Paris verließen, um Königinnen hier zu seyn?
Königin. O stille! Deßwegen bin ich ja dem Plaz so gut, weil ich das hier vergesse.
Marquis. Königin?
Königin. Weil diese friedliche Umschattung mir den freudelosen Rang verhehlt, in welchen ihr mich lebendig einzumauren wußtet. Betrübter Rang, der von der ganzen Welt durch einen unglücksvollen Spalt mich scheidet, der zwischen meinen königlichen Gram und eines Freundes offne Brust sich lagert, der mir die Träne zum Verbrechen macht, die ich so gern an5 seinem Halse weinte! – – Einsiedlern auf einem öden Tron, СКАЧАТЬ