Название: Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор: Фридрих Шиллер
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027204274
isbn:
Karlos. (an Rodrigo’s Busen sich lehnend) Laß mich weinen an deinem Herzen blut’ge Tränen weinen, du einzger Freund – – Ich habe niemand, niemand, auf dieser großen weiten Erde niemand. So weit das Zepter meines Vaters reicht, so weit die Schiffarth unsre Flaggen sendet, ist keine Stelle, keine, keine, wo ich meiner Tränen mich entlasten darf, als diese! (mit einer feierlichen Heftigkeit) O! bei allem, Rodrigo, was du und ich dereinst im Himmel hoffen, von dieser Stelle, Rodrigo, verjage, verjage mich von dieser Stelle nicht.
Marquis. (neigt sich gegen ihn in sprachloser Rührung)
Karlos. Sieh mein Lippen brennen heiß auf dir, heiß fällt der Tränenstrom auf deine Seele; dein künft’ger Fürst geht betteln um dein Herz, arm ohne dich, bei sieben Diademen, Berede dich, ich wär ein Waisenkind das du am Tron mitleidig aufgelesen. Ich weiß ja nicht, was Vater heißt – ich bin ein Fürstenknabe –
Marquis. Schrecklicher Gedanke, doch allzuwahr! –
Karlos. O wenn es eintrifft, was mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen herausgefunden bist, mich zu verstehn – Wenns wahr ist, daß die schaffende Natur den Rodrigo im Karlos wiederhohlte, und unsrer Seelen zartes Saitenspiel am Morgen unsers Lebens gleich bezog, wenn eine Träne, die mir Lindrung gibt dir theurer ist, als meines Vaters Gnade – –
Marquis. O gern will ich sie weinen.
Karlos. Sieh! so tief bin ich gesunken – bin so arm geworden, daß ich an unsre frühen Kinderszenen dich mahnen muß, daß ich dich bitten muß, die längst gestrichne Schulden heimzuzahlen, die du noch2 in der Ammenstube machtest. Als du und ich, zween Knaben wilder Art, so brüderlich zusammen aufgewachsen, als mein Gewissenswurm kein andrer war, als mich von dir beschämt zu sehn3, ich endlich mich kühn entschloß, dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Mut verließ, dir gleich zu seyn. Da fieng ich an, mit tausend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe dich zu quälen, Du, stolzes Herz, gabst sie mir kalt zurück. Ich stand, und sah den Kuß, wornach ich geizte, vorbei an mir auf fremde Wangen fallen, oft stand ich da, und – doch, das sahst du nie – und heiße schwere Tränentropfen hiengen in meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend, Vasallenkinder in die Arme drücktest. „Warum nur diese? rief ich weinend aus, bin ich dir nicht auch herzlich gut?“ – Du aber, du schieltest mich bedaurend an: „Nimm du mit deinem Tron vorlieb – – Monarchenknabe!“
Marquis. O stille, Prinz, von diesen kindischen Geschichten, die mich jezt noch schaamroth machen.
Karlos. Ich hatt es nicht um dich verdient. Verschmähen, zerreißen konntest du mein Herz, doch nie von dir entfernen – dreimal wiesest du den Fürsten von dir, dreimal stand er wieder als Bettler da, um Liebe dich zu flehn, und dir gewaltsam Liebe aufzudringen. Ein Zufall that, was Karlos nie gekonnt. Einmal geschah’s, bei unsern Kinderspielen, daß meines Vaters zahmer Pavian dich ärgerte, der Pavian sein Liebling, den er mit eigner Hand zu füttern pflegte. Ein Messer warfest du nach ihm, das Thier lief heulend zu dem König und blieb tod zu seinen Füßen liegen. Rasend sprang der König auf, ein schrecklicher Befehl beruft die ganze Dienerschaft des Hofes den Thäter zu erfragen. Der Monarch schwört einen fürchterlichen Schwur, den Mord des Thiers, und wärs an seinem eignen Kinde, barbarisch zu bestrafen. – Damals sah ich dich zitternd in der Ferne stehn, und jezt, jezt trat ich vor, und warf mich zu den Füßen des Königs hin „Ich that es, rief ich aus, an deinem Sohn erfülle deine Rache.“
Marquis. Nichts mehr, um Gotteswillen Prinz –
Karlos. Sie wards. Im Angesicht des ganzen Hofgesindes, das mitleidsvoll im Kraise stand, ward sie auf Sklavenart an deinem Karl vollzogen. Ich sah auf dich und weinte nicht. Mein Blut, das Blut von dreißig königlichen Ahnen floß schändlich unter unbarmherzgen Streichen, ich weinte nicht – des Schmerzens Uebermaaß schlug meine Zähne knirschend aneinander, ich sah auf dich, und weinte nicht. Mein Stolz empörte sich, ich sagte zu mir selbst: „Bin ich nicht ein gebohrner Fürst? Ists nicht der Boden meines Erbreichs, wo ich jezt gleich einem Wurm mich winden muß? Wer sind sie, die diese knechtische Begegnung sehn? Wie heißen sie, wenn ich ein Mann seyn werde?“ Jezt fühlt ich keine Ruthe mehr, nur diese zermalmende Erinnerung – ein Blick – ein Blick auf dich, ich war vergnügt. Den König erbitterte des Knaben Heldenmut. Drei fürchterliche Stunden zwang er mich auf hartem Holz ihn knieend abzubüßen. So hoch kam mir der Eigensinn zu stehn, von Rodrigo geliebt zu seyn – Du kamst, lautweinend sankst du mir zu Füßen: „Ja, Ja! – riefst du aus – Mein Stolz ist überwunden – ich will bezahlen, wenn du König bist.“
Marquis. (in der heftigsten Aufwallung) Und mich verleugne zwischen Tod und Leben die himmlische Barmherzigkeit – das Thor des Paradieses schlage eilend zu, wenn einst mein abgeschiedner Geist dort landet, die Auferstehung misse mein Gebein, Gott meine Seele, wenn ich je – –
Karlos. Halt ein, du sollst nicht schwören –
Marquis. Wenn ich je vergesse, was Karl für seinen Rodrigo gethan, was Rodrigo dem Karlos zugeschworen – Auch meine Stunde schlägt vielleicht.
Karlos. Jezt, jezt, O zögre nicht – jezt hat sie ja geschlagen. Die Zeit ist da, wo du vergelten kannst, ich brauche Liebe.
Marquis. Liebe, bester Prinz, ists ja allein, woran Dom Rodrigo nicht ärmer ist, als seines Königs Sohn.
Karlos. Ein unerträgliches Geheimniß brennt auf meiner Brust – es soll – es soll heraus, ich will und muß das Urtheil meines Todes in deinen todenbleichen Mienen lesen. Hör an – erstarre – doch erwiedre nichts – ich liebe meine Mutter.
Marquis. O mein Gott!
Karlos. Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprichs aus, sprich, daß auf diesem großen Rund der Welt kein Elend an das meine gränze – sprich, gesteh, daß eines Rasenden Gelüste, der sich an seiner Kette Klang ergözt, bescheidener, als meine Wünsche lauten. Was du mir sagen kannst, errath ich schon – der Sohn liebt seine Mutter – Weltgebräuche, die Tafeln der Natur und Roms Geseze verklagen diese Leidenschaft. Mein Wunsch stößt fürchterlich auf meines Vaters Liebe, Ich fühls und dennoch lieb ich. Dieser Weeg führt nur zu Wahnsinn oder – Blutgerüste, ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft – mit Todesangst, und mit Gefahr des Lebens, das seh ich ja, und dennoch lieb ich.
Marquis. Weiß die Königin um diese Neinung?
Karlos. Konnt ich mich ihr entdecken? – Sie ist Philipps Frau und Königin, und das ist spanscher Boden – von meines Vaters Eifersucht bewacht, von Etikette rings um eingeschlossen, wie konnt ich ohne Zeugen mich ihr nahn? Acht höllenbange Monde sind es schon, daß von der hohen Schule mich der König an seinen Hof zurückberief – daß ich sie täglich anzuschauen4, anzuhören verurtheilt bin, und – wie das Grab zu schweigen. Acht höllenbange Monde, Rodrigo, daß dieser Brand in meinem Busen wüthet, daß tausendmal sich das entsezliche Geständniß schon auf meinen Lippen meldet, doch scheu und faig zurück zum Herzen kriecht. O Rodrigo – nur wen’ge Augenblicke, nur soviel Zeit als Menschen nöthig haben mit Gott sich zu vergleichen, schenke mir allein mit ihr – und nimm dafür die ganze Unsterblichkeit des Karlos zur Verschreibung.
Marquis. СКАЧАТЬ