Название: DER ZAR
Автор: Ted Bell
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351318
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Da er Dianas Haus noch nie besichtigt hatte, war er sehr neugierig darauf. Vincent Astor hatte das legendäre Shadowlands 1930 erbaut. Angeblich war es riesig, und das lange Hauptgebäude führte an einem dicht bewaldeten Park auf einer Landzunge vorbei, der parallel zu den alten Schmalspurschienen verlief. Zu Hochzeiten soll es auf dem Gut, wie Hawke gelesen hatte, ein großes Salzwasseraquarium und Platz für Astors Privatbahn gegeben haben, eine Art Spielzeugzug mit dem Namen Scarlet Runner, der auf dem Gelände herumfuhr.
Beim Passieren des Tores legte er sich in die Kurve, beschleunigte noch einmal kräftig und sauste über einen Hügel. In dem Moment, als seine beiden Räder abhoben, bekam Hawke Shadowlands zum ersten Mal richtig zu sehen. Der Mond tauchte die aneinandergereihten Gebäude auf zauberhafte Weise in sanfteste Farbtöne aus Blau und Weiß.
Das Anwesen war ein Komplex aus miteinander verbundenen Häusern, alle mit weißen Dächern. Nahezu jeder für die Bermudas typische Konstruktionsstil war vertreten: Hawke sah Walmdächer, neumodische Brandgiebel mit niederländischem Einfluss, erhöhte Zinnen, Pultdächer und spitzwinklige V-Dächer. Unterschiedliche Schornsteine und Türme vervollständigten das Bild – ein architektonisches Wunderwerk, wie er zugeben musste.
Hawke lächelte, während er zu einen überdachten Säulenvorbau steuerte, den er für den Haupteingang hielt. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, stieg er vom Motorrad und klopfte den Straßenstaub von seinem weißen Offiziersjackett. Er hatte zu diesem Anlass die Gesellschaftsuniform der Royal Navy angezogen – Blue No. 2, so die Bezeichnung –, die für förmliche Dinner vorgesehen war. Außerdem ein weißes Wams, Miniaturmedaillen und die drei Goldbänder an den Ärmeln, die seinen Rang angaben, den des Commanders.
Als er den Helm abgenommen hatte, glättete er seine schmale Krawatte aus schwarzem Satin und besah Shadowlands mit schierer Verzückung. Das »Haus«, in das er geladen worden war, wirkte wie ein kleines Märchendorf an einer Klippe mit Blick aufs Meer.
Wie aus dem Nichts erschien Ambrose Congreve an der geöffneten Tür. Er sah prächtig aus in seinem geschmackvoll geschneiderten, schwarzen Abendanzug, zu welchem er flache Schuhe aus glänzendem Patentleder trug. Noch immer verwendete er seinen Gehstock aus Ebenholz mit Goldknauf. Dies zu sehen betrübte Hawke, doch ein Lächeln und die Art, wie die altgediente Pfeife im Mundwinkel des Mannes hing, gab zu erkennen, dass mit seinem ältesten und engsten Freund alles in Ordnung war.
Hawke überließ seine Maschine einem ebenfalls lächelnden, jungen Einheimischen in sichtlich gestärktem, weißem Dienstjackett, der versprach, nicht damit davonzurasen. Er beobachtete, wie der Mann sie wegschob, und kehrte sich schließlich dem legendenumwobenen Scotland-Yard-Agenten zu.
»Hallo, alter Krieger«, grüßte er. »Du benutzt immer noch den Korporalstock, wie ich sehe.«
Dies tat Congreve wegen einer Beinverletzung. Er war vor langer Zeit im Dschungel des Amazonas von zwei arabischen Bösewichten gefoltert worden. Sie hatten ihm systematisch fast alle Knochen im rechten Fuß gebrochen, zudem den Unterschenkel und das Knie. Die Ärzte im Londoner Krankenhaus King Edward VII, die sich für die Kniegelenkoperation verantwortlich zeichneten, waren zunächst nicht davon ausgegangen, dass er sein Bein je wieder gebrauchen könne, doch der zähe Bulle vom alten Schlag hatte sie Lügen gestraft. Nach einer monatelangen, qualvollen Therapie mit Dianas Liebe und Ansporn bei jedem schmerzhaften Schritt war er aus der Klinik entlassen worden. Er musste den Stock zur Hilfe nehmen, konnte aber letztlich wieder gehen.
Hawke wollte ihm die Hand geben, doch Ambrose schüttelte sie nicht, sondern trat weiter vor, um ihn in den Arm zu nehmen. Dann standen sie einen Augenblick lang fest umschlungen da, ohne etwas zu sagen. Zwei Männer voller Überschwang, weil sie einander wiedersahen.
»Alex«, begann Congreve schließlich, indem er seinem Freund beherzt auf die Schulter klopfte und zurücktrat, um ihn zu betrachten. »Gott, es ist schön, zu sehen, dass du so gut in Schuss bist.«
»Bist du auch«, erwiderte Hawke mit belegter Stimme, als sie das Haus betraten. »Wo sind denn alle?«
»Diana kommt gleich runter. Sie ist noch oben und macht sich schick. Gehen wir schon mal auf die Terrasse und genehmigen uns einen Dark 'n' Stormy. Oder was möchtest du, Alex?«
»Rum, bitte. Gosling's, falls du welchen hast.«
Hawke folgte Congreve durchs Hauptgebäude. Sie gingen gemächlich durch einen langen Flur mit Bogendecke, der von Fackeln beleuchtet wurde und zu einer Terrasse mit weißem Marmorboden führte. Von dort aus sah man die mondbeschienene See. Überall schienen Diener in weißen Jacketts zu stehen, ein jeder mit funkelnden Messingknöpfen und blank polierten, schwarzen Schuhen. Ambrose hatte sich definitiv zu einer behaglichen Bleibe verholfen, denn dieses Haus war im Vergleich zu seinem urigen Cottage in Hampstead Heath eine ganz andere Marke.
»Habe ich. Und du willst wirklich keinen Dark 'n' Stormy?«, hakte Ambrose nach.
»Nie davon gehört.«
»Wirklich nicht? Ist lokal sehr beliebt, das Nationalgetränk von Bermuda. Rum – dunkler natürlich – mit Ingwerlimonade.«
Hawke nickte zustimmend.
»Desmond«, sagte Ambrose zu einem sympathisch wirkenden Alten, der in der Nähe stand. »Zwei Dark 'n' Stormy, falls Sie einen Moment Zeit haben … mit nicht allzu viel Eis. Ah, da wären wir! Eine tolle Nacht für diesen Anlass, findest du nicht auch?«
Die beiden hatten eine Brüstung erreicht, die aus Kalkstein gemeißelt war und den unteren Teil der Terrasse umgab, einen rund angelegten Patio direkt über dem Meer. Es wehte kein Wind an diesem Abend, sodass sich das Wasser bis zum Horizont kaum kräuselte. Das Licht des Vollmonds spiegelte sich auf der glasartigen Oberfläche in einem bezaubernd schönen Blau.
Desmond kehrte mit einem Silbertablett zurück, von dem sich die beiden Männer je einen eiskalten Becher aus Sterlingsilber nahmen.
»Nun denn«, sagte Hawke. »Lass mich einen Toast aussprechen.« Er hob seinen Becher. »Auf die Gesundheit – und den Frieden.«
»Friede und Gesundheit«, wiederholte Congreve mit gleicher Geste. »Mögen sie lange halten.«
»Bist du glücklich?«, fragte Hawke seinen Freund, während sein Blick über den Ozean wanderte.
»Bin ich«, beteuerte Congreve mit funkelnden Augen. »Sehr glücklich.«
Hawke lächelte. »Gut. Dann lass uns zur Sache kommen, hast du Lust? Erzähl mir, wie sieht's aus?«
»Wie sieht was aus?«
»Ach komm. Das Geglitzer.«
»Das Geglitzer?« Congreve sah ihn an, als habe Hawke den Verstand verloren. »Du sprichst in Rätseln.«
»Ich meine den Stein. Den Klunker. Hochfeines Weiß, Reinheitsgrad D.«
»Oh, du willst was über den Ring wissen? Den Diamanten meiner Mutter?«
»Ja, worüber sonst, Schnellmerker. Den Diamantverlobungsring. Hat er ihr die Sprache verschlagen? Jede Wette, ihr ist sofort die Spucke weggeblieben.«
»Bedaure, kein trockener Mund. Ich muss ihr das Ding erst noch geben.«
»Du zögerst es hinaus? Im Ernst? Nach dem, was du bei unserem letzten Abendessen im Blacks in London erzählt hast, ging ich davon aus, СКАЧАТЬ