Название: DER ZAR
Автор: Ted Bell
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958351318
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Hawke hatte den temperamentvollen Greis überreden wollen, in seinem Londoner Haus in Belgravia zu bleiben, doch Pelham, ein Diener der Familie und praktisch sein Ziehvater von Kindesbeinen an, war strikt dagegen gewesen. Darum weilten sie nun beide hier und genossen den Reichtum eines kargen Daseins, zwei überzeugte Junggesellen im Paradies. Die Tatsache, dass zwischen ihnen ein Altersunterschied von einem halben Jahrhundert bestand, bedeutete überhaupt nichts. Der eine erfreute sich von jeher der Gesellschaft des jeweils anderen und hatte sich längst an die Eigenarten seines Mitbewohners gewöhnt.
Jetzt war es 18 Uhr. Hawke sollte um 20 Uhr zum Dinner ins Shadowlands kommen. Die Turteltauben Ambrose und Diana waren erst wenige Tage zuvor aus England eingetroffen. Er freute sich auf einen ruhigen Abend im Beisein zweier lieber Bekannter.
Draußen wurde es kühl, während langsam die Sonne unterging. Hawke stand im Badezimmer vor angelaufenem Spiegel und rasierte sich. Er hatte seinen Bartwuchs mehrere Tage vernachlässigt, war sich aber sicher, dass sein Freund Congreve wenig begeistert wäre, falls er unrasiert bei Madame Mars antanzen sollte. Er würde zweifellos auch an seiner Frisur Anstoß nehmen. Die widerspenstigen, schwarzen Locken reichten Hawke fast bis auf die Schultern. Sollten sie noch länger werden, musste Pelham mit seiner Küchenschere ran.
Im dichten Bananenwald hörte er durchs offene Fenster das Zirpen und Klappern nachtaktiver Insekten, ein Begleitkonzert zu seiner Rasur. Noch etwas, das er an dieser Insel mochte: Naturgeräusche als einfache Musik des Alltags. Die Vögel und Bienen, die Einheimischen … Jeder, dem man in Bermuda begegnete, schien entweder den ganzen Tag irgendwelche Lieder zu singen oder zu pfeifen. Die Menschen hier waren zufrieden. Hawke war es auch.
Nachdem er sein Rasiermesser aufs Waschbecken gelegt hatte, betrachtete er sich im Spiegel.
Da klopfte es an die Tür des Bads. »Bitte um Verzeihung, Sir«, hörte er von draußen.
»Was ist los?«
»Telefon für Sie, Sir.«
»Wer ist dran?«
»Eine junge Lady, wenn ich mich nicht irre.«
»Hat sie gesagt, wie sie heißt?«
»Nein, M'lord, hat sie nicht.«
»Was will sie denn von mir?«
»Das habe ich nicht so richtig begriffen, Sir. Es geht um ein Gemälde, Sir.«
»Ein Gemälde? So was brauchen wir nicht.«
»Richtig, Sir. Sie meint aber, sie würde dafür bezahlen, allerdings nicht mehr als 100 Bermuda-Dollar die Stunde.«
Hawke fluchte und spritzte sich heißes Wasser ins Gesicht. Mit einem Handtuch, das er vom Haken an der Tür zog und um sein Becken wickelte, ging er zügig durch den kurzen Flur in den Wohnbereich. Ein altmodisches, schwarzes Bakelite-Telefon war das einzige im Haus und stand seit je am Ende der Bartheke.
Pelham war ihm durch den Gang gefolgt und trat nun schnell hinter den Tresen. Er schickte sich an, einen Rum einzuschenken – Gosling's auf Eis, ein abendliches Stärkungsmittel –, wozu er einer Limette, von der fast nichts mehr übrig war, noch eine Scheibe abgewann.
Hawke schaute ihm verhalten lächelnd zu. Sie wussten beide, es war noch ein wenig zu früh für einen Absacker, und dieses Gemisch war nur ein listiger Vorwand des Alten, um ganz unverfroren zu lauschen.
»Hallo? Wer ist da?«, fragte Hawke sofort, als er sich das Sprechteil an den Kopf hielt.
»Spreche ich mit Mr. Hawke?«
»Kann sein? Wer sind Sie?«
»Anastasia Korsakowa. Sie haben mich heute Nachmittag kennengelernt. Ich erklärte Ihrem … Freund gerade, dass ich Sie gerne malen würde. Ich zahle meinen Modellen gutes Geld, lasse mir aber nichts vorschreiben.«
»Wovon zum Geier sprechen Sie?«
»Von Ihnen. Ich will Sie malen.«
»Mich malen? Grundgütiger, warum das denn?«
»Ich bin Künstlerin, Mr. Hawke. Im Frühjahr stelle ich mein Projekt in der Royal Academy in London aus. Es soll eine Reihe männlicher Figuren beinhalten – lebensgroß.«
»Warum gehen Sie mir damit auf die Nerven?«
»Es gibt keinen Grund für eine solche Wortwahl. Ich halte Sie für ein gutes Motiv, das ist alles, und mit Bezug auf Ihre ziemlich dürftige … Behausung, darf man annehmen, dass Sie ein Mann sind, der das Geld gebrauchen kann. Sie haben doch bestimmt schon einmal Modell gestanden, Mr. Hawke, oder? 100 die Stunde verdient man sonst nirgendwo auf dieser Insel.«
Modell gestanden? Er widerstand dem Drang, laut loszulachen, und sagte: »Miss Korsakowa, ich fühle mich von Ihrem Angebot zutiefst geschmeichelt, fürchte aber, dass ich es ausschlagen muss.«
»Warum?«
»Warum? Nun, dafür gibt es so einige Erklärungen. Erstens bin ich ein vielbeschäftigter Mensch. Ich gehe davon aus, wenn man sich malen lässt, muss man lange still sitzen, aber das ist ganz und gar nicht mein Ding.«
»Heute Nachmittag schienen Sie nicht unter Zeitdruck zu leiden. Sie haben am Strand geschlafen.«
»Das war bloß ein Nickerchen.«
»Also, ich könnte Sie auch im Liegen malen, wenn Sie möchten. Schlafen Sie meinethalben sogar auf einem Diwan. Das würde mich nicht stören.«
»Darf ich fragen, woher Sie meine Nummer haben?«
»Von Freunden.«
»Freunden von mir?«
»Wohl kaum. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass wir in denselben gesellschaftlichen Kreisen verkehren, Mr. Hawke. Nein, Freunde von mir fanden die Nummer für mich heraus, die zu Ihrem Haus gehört.«
»Sie haben demnach Freunde, die meine Telefonnummer kennen?«
»Meine Freunde wissen alles.«
»Nun gut, passen Sie auf. Es war nett, mit Ihnen zu plaudern, Miss Korsakowa, aber ich muss leider los, sonst komme ich zu spät zu einer Verabredung zum Dinner.«
»Werden Sie noch einmal über mein Angebot nachdenken, Mr. Hawke? Ich würde wirklich ungeheuer gern mit Ihnen arbeiten.«
Er zog das Telefon kurz von seinem Ohr weg, um sich einen vor Kälte beschlagenen Silberbecher mit Minzblatt von Pelham reichen zu lassen. Es war tatsächlich noch ein bisschen früh … aber egal. Er trank einen Schluck. Köstlich. Vor seinem geistigen Auge erschien plötzlich das Bild einer nackten Göttin, die aus dem Meer steigt, wobei das Wasser an ihrem Körper hinunterläuft – und verschwand genauso schnell wieder.
Mit mir arbeiten?
»Entschuldigen Sie«, nuschelte er und nippte noch einmal. »Ich bekam gerade Rum an die Haustür geliefert.«
»Also was jetzt?«, drängte Korsakowa hörbar ungeduldig.
»Ich СКАЧАТЬ