Название: Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk
Автор: Blum Hans
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066114466
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Man vergegenwärtige sich aber weiter auch die Niedrigkeit und Widerwärtigkeit der Dienste, aus denen Robert Blum seinen Lebensunterhalt gewann. Mit jenem unverwüstlichen Humor, der dem Manne in allen Lagen des Lebens treu geblieben ist, hat er selbst später seine damaligen Leistungen für die Kölner Schaubühne also geschildert: er mußte als Theaterdiener alle Bestellungen des Directors und der Schauspieler besorgen — sie enthielten nicht immer Liebenswürdigkeiten — Rollen, Geld austragen, Vorstellungen und Proben ansagen und dabei alle Anmaßungen und Plackereien der „Künstler“ ruhig und lammfromm hinnehmen. Er mußte „dem überstolzen Schauspieler die Grobheiten des Directors“ — möglicherweise, schalten wir ein, auch der Frau Directorin, denn Madame Ringelhardt war eine sehr energische und geschäftseifrige Dame — „dem zweiten Liebhaber die Ungezogenheiten des dritten Bösewichts hinterbringen, bald der Primadonna den Hund bewachen, bald einer anderen Dame einen andern Dienst besorgen.“ Zudem behandelte und benutzte ihn Ringelhardt zwar ohne jede herrische und verletzende Form, doch nur als Theaterdiener, das heißt als einen der untersten Angestellten seiner Bühne.
Dem stolzen Gefühl, Berather und Mitarbeiter des Chefs zu sein, das Blum in den letzten Jahren seiner Stellung bei Schmitz hegen durfte, war hier schlechthin zu entsagen. Der üble Geschäftsgang in Köln hat zudem den Director jedenfalls nicht mit der rosigsten Laune erfüllt. Gleichwohl hat Blum auch diesem Brodherrn mit größter Treue und Dankbarkeit gelohnt. Ohne ein Wort vorher zu verrathen, schrieb Blum anonym gegen Ende des Jahres 1830 in einem der gelesensten Kölner Blätter mehrere Zeitungsartikel unter der Ueberschrift „Ein Wort zu seiner Zeit“, in welchen er den schweren Druck, der auf dem Theaterunternehmer durch die enorme Armenabgabe von einem Zehntel jeder Brutto-Einnahme, die fast unerschwingliche Miethe von zwanzig Thalern pro Abend, die vielen Freibillets &c. lastete, mit warmen Worten und großer Sachkenntniß darlegte. Als Ringelhardt erfuhr, aus welcher Feder die tapfere Vertheidigung seiner Interessen geflossen war, hat er seinem Theaterdiener alles Liebe und Gute gethan, was er konnte, vor Allem ihm die Theaterbibliothek zu freiester Benutzung angeboten und ihn für außergewöhnliche Arbeiten durch Geld besonders entschädigt, auch später bei seiner Uebersiedelung nach Leipzig dafür gesorgt, daß Robert ihm dahin nachfolgte.
In dieser Stellung und Lage fand nun Robert Blum die Freude und den Muth zu dem eifrigsten poetischen Schaffen.
Schon in Berlin, vom Jahre 1829 an, hatte er sich schriftstellerisch versucht. Sein erstes Werk war freilich der reinsten Geschäftsprosa gewidmet, der Straßenbeleuchtung[9]. Aber hauptsächlich war seine schriftstellerische Thätigkeit doch auf „poetische Versuche“ gerichtet. Die Gedichte, die er unter diesem Titel selbst zusammengestellt, umfassen im Manuscript 308 Ouartseiten und vertheilen sich auf die Jahre 1829 bis mit 1834. Einige derselben sind schon 1829 und 1830 in der von Saphir herausgegebenen „Schnellpost“ erschienen, andere von 1831 an in Kölnischen Zeitungen, das Meiste erst später in der „Abendzeitung“, der „Eleganten Welt“ von G. Kühne, in „Unser Planet“ und anderen belletristischen Blättern.
Das einzige unübersteigliche Hinderniß der Herausgabe dieser Gedichte war jene fluchwürdige Einrichtung, welche in Deutschland damals noch auf fast jeglichem literarischen Schaffen, mindestens aber auf der Presse lastete: die Censur. Denn der bei weitem größte Theil dieser Gedichte ist politischen Inhalts. Und so maßvoll uns Deutschen von heute die Freiheitsbegeisterung, so natürlich uns die Vaterlandsliebe des dreiundzwanzigjährigen Dichters erscheinen muß, so war doch der Censor, der über diese Blüthen der Dichtkunst sein maßgebendes Urtheil abzugeben hatte, ganz anderer Meinung. Er strich Blum’s politisch-poetische Offenbarungen unbarmherzig zusammen und gerieth über die Unermüdlichkeit, mit welcher der junge Dichter immer neue Kinder seiner patriotischen Muse überreichte, schließlich in solche Wuth, daß er Allem, was nur Blum’s verhaßte Handschrift trug, schlechthin die Druckerlaubniß versagte. Um sich volle Gewißheit über das parteiische Vorurtheil und die leidenschaftliche Pflichtwidrigkeit dieses Wächters des Staatswohls zu verschaffen, beging Blum die Bosheit, ihm, von seiner Hand geschrieben, unter einem recht verdächtigen Titel einige Gesangbuchsverse zur Censur zuzuschicken — und richtig, der Censor strich auch diese Verse als staatsgefährlich und wiederholte dasselbe noch zweimal, als Blum ihm die nämlichen Verse, die in jeder Kirche zur Erbauung der Gemeinde gesungen wurden, noch zweimal unter anderer Ueberschrift zusendete. Von solchen Menschen hing damals die Entscheidung darüber ab, was das deutsche Volk gedruckt sollte lesen dürfen.
Von den politischen Ereignissen der damaligen Zeit stehen dem Dichter die französische Revolution, dann die große Erhebung Polens und natürlich die Verhältnisse des eigenen Vaterlandes im Vordergrunde des Interesses. Doch verfolgt er auch ferner liegende Dinge mit größter Aufmerksamkeit. Eine der schwungvollsten Dichtungen der Sammlung ist z. B. die ergreifende Klage um den Tod Bolivar’s, des Befreiers Südamerikas vom spanischen Joche († 10. December 1830):
Bolivar ist nicht mehr! klagte der Glockenton,
Bolivar ist nicht mehr! brauste der Ocean,
und von den Andes rückhallte die Klage
Ueber den Erdball.
Sinkt denn der Gott dahin, fragt’ ich erschüttert mich,
So wie der Wurm des Staub’s? Ist Er, der seinem Volk
Mehr gab als Leben: die heilige Freiheit!
Sklave des Todes?
So übertrieben, wie alle liberalen Zeitgenossen, pries auch Blum die Helden der Pariser Julitage. Vom gesündesten politischen Urtheil zeugt dagegen das Scherzgedicht über Griechenland, das er unter dem Titel „Literarische Anzeige“ schrieb, und von dem so Vieles noch heute auf den Staat der Hellenen paßt:
„Im Jahre ein Tausend acht Hundert und dreißig
Erschien, nachdem man erst lange und fleißig
Zu London daran war, mit Drucken und Pressen —
— Auch hat man es nicht zu beschneiden vergessen —
Ein Werkchen, betitelt: Neugriechischer Staat, In einem sehr niedlichen Taschenformat. Dasselbe ist ganz nach der neuesten Mode, So zierlich als möglich, und kurz, die Methode, Nach der man zu Werk ging, ist eigener Art, Und überall Ordnung mit Schönheit gepaart. Zwar wagte der Neid schon von manchen Gebrechen Und Fehlern, die drinnen sein sollen, zu sprechen; Doch können dies höchstens nur Druckfehler sein, Und diese sind dann um so mehr zu verzeih’n, Da mehrere Setzer am Werkchen gezimmert, Und Niemand um die Correctur sich gekümmert. Man suchet nun Jemanden, der den Verlag Des Werkchens gleich zu übernehmen vermag.“
Ganz überraschend klar und kräftig tritt aber bei Blum der deutsch-nationale Gedanke hervor. In einer Zeit, in der fast Alle, gelegentlich auch er selbst, berauscht waren von einem unbestimmten Freiheitsdrang und kosmopolitischer Schwärmerei und die Erkenntniß, daß erst auf dem Boden eines festen, einigen, deutschen Staatslebens alle höheren Güter der Nation, vor allem die Freiheit, errungen werden könnten, höchst vereinzelt, von Männern wie Pfizer und Dahlmann ausgesprochen wurde, während Männer wie Börne und Heine nur Hohn und Spott für ihr Vaterland hatten, in dieser Zeit erscheint ein Gedicht wie dasjenige, das Blum 1831 „an Germania“ schrieb, als ein hervorragendes Zeugniß politischer Einsicht und nationaler Klarheit. Es heißt darin unter Anderem:
„Völker siehst Du auferstehen,
In des Freiheitsodems Wehen,
In der Zeiten hehrem Lauf;
Erntend längst gestreute Saaten.
Treten sie im Feld der Thaten