Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk. Blum Hans
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Название: Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk

Автор: Blum Hans

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066114466

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СКАЧАТЬ Kampfe, den in dieser „deutschen Sahara“ das preußische Volk mit der Ungunst der Elemente durch Jahrhunderte geführt, um den Boden überhaupt culturfähig zu machen, und wie durch diesen Kampf nicht am wenigsten die Entwickelung des Charakters jenes deutschen Volksstammes möglich wurde, der vereint mit seinem hochsinnigen Fürstenhause die ebenso feindseligen Naturgewalten bändigte, welche der Gründung eines deutschen Nationalstaates entgegenstanden, davon konnte der heißblütige junge Rheinländer freilich damals noch keine Ahnung haben. Er urtheilte vorläufig so herb und verächtlich über Preußen, wie die meisten seiner Heimathsgenossen damals thaten. Und noch nachdem er Berlin kennen gelernt, und dieser Stadt die wichtigste Förderung seiner Kenntnisse verdankte, schrieb er, allerdings in tiefster gemüthlicher Depression, in Oranienburg in sein Reisejournal: „Die Gegend ist sandig, traurig und einförmig, kurz preußisch.“

      Noch in ganz anderem Maße als in München wurde ihm in Berlin Gelegenheit geboten, seine Kenntnisse zu vervollkommnen, alle Lücken seiner Bildung zu ergänzen. Mancherlei Ursachen wirkten hierfür zusammen. Trotz seiner noch nicht 200,000 Einwohner und der gegen die „Präsidialmacht“ Oesterreich in deutschen Angelegenheiten — mit Ausnahme der Zoll- und Handelspolitik — äußerst vorsichtigen Politik der Regierung Friedrich Wilhelm’s des Dritten, war Berlin doch schon damals unzweifelhaft die geistige Hauptstadt Deutschlands. Solche Vielseitigkeit von Interessen vertrat keine Stadt in so vorzüglicher Weise wie Berlin. Es ist ein schönes Zeugniß sowohl für die Klarheit der Beobachtung, wie für die Gerechtigkeit Robert Blum’s, daß er sehr bald nach seiner Ankunft in Berlin in sein Reisejournal schrieb: „Prächtige Haupt- und Residenzstadt, ohnstreitig die schönste in Deutschland.“ So schrieb der junge Mann, der noch begeistert war von den Kunstschätzen und Kunstbauten Münchens und sehr gering dachte vom „traurigen preußischen Wesen“. In der That hatte aber auch Berlin damals eben durch Schinkel’s und Rauch’s geniale Schöpfungen auch in künstlerischer Hinsicht ein ganz neues Gepräge gewonnen. Alle die monumentalen Bauten und Bildwerke, die sie bis zu Robert’s Ankunft in Berlin geschaffen, feiert dieser begeistert in seinem Journal. Ebenso entzückt ist er von den älteren Meisterwerken Schlüter’s und Anderer, dem Brandenburger Thor, den Kunstsammlungen Berlins, für deren Schätzung sein Verständniß in München geschärft war. Freudig ergeht er sich in den einzig-schönen Anlagen des Thiergartens, die Lenné kurz zuvor in einen der herrlichsten Parks der Welt umgeschaffen hatte. Hier überkommt ihn auch ein Begriff von der gewaltigen, fast heroischen Arbeit, die dazu gehörte, auf solchem Boden diese Stadt und Umgebung zu schaffen. „Man wähnt sich in diesen Pflanzungen wirklich auf einen ganz anderen Boden versetzt,“ schreibt er, „es macht daher einen ganz eigenen Eindruck, wenn man aus dieser künstlichen Ueppigkeit heraustritt und auf einmal die mageren, einförmigen Sandflächen vor sich sieht.“ Bei einem Besuche in Charlottenburg spricht er gerührt von dem Grabmal „der verewigten Königin Louise“.

      Zu dieser Freude an den Kunstschöpfungen, die seinen in München gebildeten Schönheitssinn vollauf befriedigten, trat nun hinzu die Wahrnehmung, daß der Volkscharakter der Berliner weit entgegenkommender, redelustiger, in Vielem mit seinem eigenen Naturell weit übereinstimmender sich erwies, als der Münchener. Den energischen Fleiß, den durch keine Widerwärtigkeit zu störenden fröhlichen, immer zu einem Scherz bereiten Gleichmuth, die durchaus realistische, immer kritische und vorsichtige Beobachtungsgabe des Berliners gewahrte er mit Vergnügen an dem Völkchen der Hauptstadt. Er fühlte sich wohl da, wie zu Hause, denn er fand hervorragende Eigenthümlichkeiten seines Wesens hier allgemein verbreitet. Daß er alle Bildungselemente, die Berlin bot, so vollständig und segensreich in sich aufnahm, verdankt er außerdem der Länge seines dortigen Aufenthaltes. In München hatte er nicht ein halbes Jahr zugebracht. In Berlin blieb er mit kurzen Unterbrechungen fast zwanzig Monate, bis zum 9. August 1830.

      Den allerbedeutendsten Einfluß aber dankte er der Berliner Hochschule. Sie war in den schlimmsten Jahrzehnten, welche die Reaction über Deutschland gebracht hat, immer der Freistuhl der deutschen Wissenschaft und Forschung geblieben. Kein Censor und kein Demagogenriecher durfte es wagen, das freie Wort des Katheders in Fesseln zu schlagen. Die Redefreiheit, die heute für die deutschen parlamentarischen Versammlungen gewährleistet ist, bestand damals eigentlich nur für die Lehrstühle der Hochschulen, gewiß für die Berliner. In allen Facultäten lehrten die gefeiertsten Namen deutscher Wissenschaft. Im Jahre 1829 hatte man in Berlin auch formell gebrochen mit dem System argwöhnischer Ueberwachung, welches die unseligen Karlsbader Beschlüsse seit einem Jahrzehnt auch Preußen scheinbar zur Pflicht gemacht hatten. Von da ab übten Rector und Universitätsrichter die Ueberwachung, die bis dahin einem Regierungsbeamten übertragen war. Von 1830 an wurde auch Nichtstudenten der Besuch der Vorlesungen gestattet: vierhundertsechsundfünfzig machten sofort davon Gebrauch, unter ihnen Robert Blum. Die systematische und rein wissenschaftliche Behandlung der Lehrfächer, zu denen Robert sich besonders hingezogen fühlte, machten seine fleißigen nächtlichen Studien erst wahrhaft fruchtbar.

      In dieses über alle Erwartung glückliche Leben schlug plötzlich wie ein Wetterstrahl aus heiterem Himmel die Ordre, Robert solle sich unverzüglich zur Ableistung seiner Militärpflicht in Prenzlau beim vierundzwanzigsten Infanterieregiment stellen. Selbstverständlich mußte er Ordre pariren, obwohl dieser Gehorsam voraussichtlich gleichbedeutend war mit dem Verluste seiner Stellung und dadurch auch mit der plötzlichen Vernichtung seiner schönsten Fortbildungshoffnungen. Damals, auf der Fußwanderung von Berlin nach Prenzlau (30. März 1830) schrieb er das „traurig und einförmig, kurz preußisch“ in sein Reisejournal. In Prenzlau erging es ihm weit besser, als er erwartet hatte — denn er sehnte sich niemals darnach, zu untersuchen, ob er einen Marschallsstab im Tornister trage — nach sechs Wochen schon (15. Mai 1830) hatte man sich überzeugt, daß der Rekrut Blum zu schwache Augen habe, um einen ordentlichen Vierundzwanziger abzugeben, und entließ ihn daher zur Reserve. Er hat des Königs Rock nie wieder angezogen.

      Am 17. Mai schon traf er wieder in Berlin ein. Er hoffte Schmitz so vernünftig zu finden, ihn nicht für die allgemeine Wehrpflicht — die einem holländischen Gemüth allerdings ein Gräuel war und heute noch ist — verantwortlich zu machen. Aber Schmitz war in Geschäften eben in Holland und Frankreich abwesend. Seine Geschäfte gingen schlechter und schlechter. So beging er die Ruchlosigkeit, seinen treuesten Mitarbeiter gänzlich mittellos in Berlin zu lassen, ohne auf seine Briefe zu antworten. Robert wußte freilich von der mißlichen Lage des Principals nichts. Alles, was der treue Mensch eingenommen, hatte er, selbstlos denkend, und Anderen vertrauend wie immer, dem Principal vorher eingesendet. Endlich, nachdem in zwei Briefen Schmitz’ die dringende Bitte Robert’s um Geld ganz unberücksichtigt gelassen, schrieb Robert am 1. Juli 1830 unter Anderem: „Es wird überflüssig sein, Ihnen eine Schilderung von meinen jetzigen Umständen zu entwerfen, da Sie sich selbst leicht vorstellen können, wie dem zu Muthe ist, der bei einem, wie Sie selbst wissen, impertinenten Wirthe eine Zeit lang seine Bedürfnisse borgte, und nun am Ende des Monats nicht im Stande ist zu zahlen. Außerdem daß ich schlechtes Essen für einen zu theueren Preis“ — er zahlte für Kost und Logis elf Groschen pro Tag — „nehmen muß, wird mir nun jede Mahlzeit mit verächtlichen und mißtrauischen Blicken vorgesetzt und Spottreden und Sticheleien als Gewürze aufgetragen. Denn ohne Geld ist es unmöglich auszuziehen. — Hätten Sie die Güte gehabt, mir nach Prenzlau zu melden, daß Sie hier mit Niemandem wegen meines Unterhaltes ausdrücklich gesprochen hatten, so hätte ich mir die mich hier erwartenden Unannehmlichkeiten eher vorstellen können und würde auf militärische Kosten meine Reise nach Köln gemacht haben; ich hatte alsdann pro Meile einen Groschen, und wenn auch Dürftigkeit mich auf der Reise drückte, so war ich doch jetzt der Gefahr nicht ausgesetzt, die mich nun bedroht, nämlich: daß mein Wirth mir den ferneren Unterhalt verweigert und mir die Thür weist. Wenn ich durch Ausschweifungen in Vorschuß gerathen wäre oder durch Nachlässigkeit der Gesellschaft einen Schaden von einigen tausend Thalern verursacht hätte, so würde ich das jetzige Verfahren als eine Vorsichtsmaßregel von Ihrer Seite und als Strafe für meine Fehler betrachten; da ich mir aber nichts dergleichen vorzuwerfen habe, &c.“

      Darauf antwortete Schmitz von Köln am 18. Juli: „Lieber Blum. Ihre Klagen vom 1. dieses thun mir sehr leid und sind gegründet. Ihr früheres Schreiben schien mir Vorwürfe СКАЧАТЬ