Название: Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk
Автор: Blum Hans
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066114466
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So irrig Blum hier über das Abrechnungssystem des deutschen Buchhandels urtheilt, so falsch urtheilt er wenige Zeilen nachher über die „in der letzten Zeit stattgefundene Anregung einer Eisenbahn nach Dresden.“ Er sagt, „man habe mit Recht gegen dieses Project eingeworfen, daß man eine Bahn in der Richtung anlegen müsse, wo sie Handelsvortheile gewährt, nicht aber in einer Richtung, wo sie, wie nach Dresden, als eine bloße Promenadenbahn zu betrachten sei, die nach klaren (?) Berechnungen nicht einmal das Anlagekapital decken, viel weniger einen soliden Gewinn geben könne[13]. Die Urheber des Planes scheinen jedoch darauf beharren zu wollen und streben durch einen unrichtigen Patriotismus ihre Landsleute zur Theilnahme zu bewegen, welche Mühe jedoch bis jetzt fruchtlos blieb, da noch kein Groschen zum Anlagekapital unterzeichnet ist. Ueberhaupt dürfte, wenn man auf dem bisher verfolgten Wege beharrt, die Bahn in den nächsten 25 Jahren nicht zu Stande kommen.“ Die Bahn wurde bekanntlich wenige Jahre später eröffnet, und erfreute sich unter dem wackeren Gustav Harkort, dem jüngst in Leipzig ein Denkmal gesetzt wurde, Jahrzehnte lang einer trefflichen Leitung. Seltsamerweise finden wir Robert Blum, der in dem obigen Urtheil die allgemeine öffentliche Meinung jener Tage sowohl, als die Ansicht kluger Volkswirthe aussprach, fast auf allen Generalversammlungen der Actionäre der Leipzig-Dresdner Bahn als Oppositionsredner gegen die Verwaltung[14].
Endlich enthält dieser Essay Blum’s über die Leipziger Messe am Schlusse noch folgendes bemerkenswerthe Urtheil über den Buchhändler-Meßkatalog von 1834: „er ist sehr arm, so voluminös er sein mag, und fast keine einzige ausgezeichnete literarische Erscheinung ist darin zu bemerken. Die Pfennig-Gelehrsamkeit scheint sich immer mehr auszudehnen, und das Pfennig-Magazin von Bossenge père, die erste Erscheinung in diesem Genre, welches jetzt 50,000 Abonnenten zählt, hat nach Ablauf seines ersten Jahrganges ein neues Reizmittel für die Leser erfunden, indem es ein historisches „Gratis-Magazin“ als Zugabe giebt, die jedoch auch allein für den Preis von 12 Gr. jährlich zu haben ist. Im Gebiete der Musik hat sich ebenfalls die Pfennigmanie — über die die Aerzte so wenig wie über die Cholera einig sind, ob sie contagiös oder epidemisch ist — verbreitet und wir zählen jetzt bereits drei musikalische Pfennig-Magazine, die manches Gute, aber auch manches höchst Mittelmäßige bringen, was nicht einmal einen Pfennig werth ist.“
Eifrige Selbstfortbildung, namentlich in Geschichte und Staatswissenschaften, und ebenso eifrige schriftstellerische und poetische Production füllen in diesen ersten Jahren seines Leipziger Aufenthaltes Robert Blum’s Mußestunden. An der Hochschule hörte er bei Drobisch Logik, bei dem Privatdocenten Dr. Burkhardt, seinem intimen Freunde, Geschichte der neuesten Zeit. Fast sämmtliche belletristische Zeitschriften jener Tage bringen lyrische Gedichte, Recensionen, auch größere Essays über literarische Tageserscheinungen von Robert Blum. Die Honorareinnahmen, die er von der „Aurora“, der „Abendzeitung“, den „Rheinblüthen“, „Unser Planet“, der „Zeitung für die elegante Welt“ u. s. w. von 1832 bis 1837 bucht, sind theilweise bedeutend, namentlich für damalige Honorarverhältnisse und den damaligen Geldwerth. Vortrefflich versteht er in diesen Artikeln seine politischen Ansichten und Tendenzen vorzutragen unter der Maske wissenschaftlicher oder harmlos plaudernder Recensionen epochemachender geschichtlicher und socialer Werke der Zeit, namentlich der Revolutionsgeschichte von Mignet und Adolf Thiers und der interessanten Schrift Bulwer’s „über Frankreich in socialer literarischer und politischer Beziehung“, so daß der Censor ihm nichts anhaben kann. Für seine Arbeit über die Geschichte der französischen Revolution allein erhielt er (1837) zehn Friedrichsd’ors bezahlt. Auch ist er einer der gesuchtesten Prologdichter der Zeit. „Vom Prinzen-Mitregent[15] 10 Thaler,“ bucht er am 31. Mai 1833. Aehnliche Honorare trugen ihm die wiederholten Prologe zum Sächsischen Constitutionsfest (1834, 35 u. s. w.), ein Festspiel für Meiningen und ein Prolog bei der Wiedereröffnung der Magdeburger Bühne (1834) ein. Seine finanziellen Verhältnisse waren sehr befriedigend geworden. Die Seinen daheim erhielten reichliche Unterstützungen und Geschenke von ihm.
Am Theater ist er schon um die Mitte der dreißiger Jahre die Seele des Unternehmens geworden. Bei den häufigen Reisen Ringelhardt’s und des Regisseurs Düringer dirigirt Blum den Musentempel mit weiser Oeconomie, großem Geschick und zur vollen Zufriedenheit der Künstler wie der Bürgerschaft. Ihn selbst führen Dienstreisen häufig von Leipzig fort, nach Frankfurt, Stettin, Danzig, Berlin u. s. w. Auch literarisch-polemisch stand er seinem Director treu zur Seite. Mit einem Herrn von Alvensleben, einem Theaterrecensenten Leipzigs, führte er unter dem Namen seines Directors schlagfertig und überzeugend eine kritische Fehde vor dem Publikum[16]. Sogar „Ein Hochlöbliches Ober-Censur-Collegium hierselbst“ rief Ringelhardt um Beistand an in einer von Blum verfaßten, mir im Concept vorliegenden Eingabe, die mit der Bitte schließt: „daß es E. H. O. C. C. gefallen möge, unbeschadet jeder wahren Kritik, die in den hiesigen Blättern häufig enthaltenen Schmähungen, persönlichen Beleidigungen und boshaften Pasquille gegen das hiesige Theater und die einzelnen Mitglieder desselben zu unterdrücken und dem Institute den zu seinem Bestehen nöthigen Schutz gütigst zu gewähren.“
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