Название: Robert Blum: Ein Zeit- und Charakterbild für das deutsche Volk
Автор: Blum Hans
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066114466
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Noch ehe Blum diese Antwort besitzen konnte, schrieb er am 20. Juli 1830, daß er sich wundere und erstaunt sei, daß Schmitz auf einen Brief von Blum’s Eltern „ganz kaltblütig einige Bemerkungen niedergeschrieben habe, ohne es der Mühe werth zu halten, über meine Erhaltung nur ein Wort zu erwähnen, und man braucht doch gewiß keine großen logischen Kenntnisse zu haben, um zu wissen, daß der Lebensunterhalt, den Sie als eine nicht bemerkenswerthe Nebensache zu betrachten scheinen, zum Fortbestehen durchaus nothwendig ist.... Es scheint mir die Pflicht eines jeden Mannes zu sein, für die in seinen Diensten stehenden Leute zu sorgen ... und ich glaube, daß es gewiß gegen die Billigkeit ist, einen Menschen mit in der Welt herumzuführen und ihn dann plötzlich an einem fremden Ort brod- und hoffnungslos sitzen zu lassen, wenn er sich keines Fehlers schuldig machte, der solches Verfahren rechtfertigen könnte.“
Um diese Rechtsdeductionen zu würdigen, muß auf Grund der mir vorliegenden Abrechnung Blum’s für die Jahre 1828 bis 1830, die Schmitz später anerkannte, constatirt werden, daß Blum schon am 30. März 1830 ein Guthaben von acht Thaler elf Silbergroschen zwei Pfennig an Schmitz hatte, welches neuerdings auf fast siebenundzwanzig Thaler gestiegen war, wie Schmitz später gleichfalls anerkannte. Der Gehalt, den Blum bescheiden immer „Lohn“ nennt, war am 30. März 1830 seit sechszehn ein viertel Monaten nicht mehr baar gezahlt worden! Daher war das weitere Verlangen Blum’s in diesem Briefe, in Zukunft möge pünktlicher gezahlt werden, gewiß gerechtfertigt; „sonst müsse er seine Stelle aufgeben, da er gar nichts besitze, um zuzusetzen.“ Er verlangte deshalb schriftlichen Vertrag und betonte, daß er Arbeitsüberstunden bisher nie berechnet habe.
Die Antwort (etwa vom 28. Juli) auf diesen Brief war überschrieben: „N. für R. Blum“ und lautete: „Wenn man Leute zu ernähren hat, die nichts verdienen, und von denen, die man für schönen Vortheil betheiligt, hinterrücks verlassen wird, bis man ihnen mit eignem Fond wieder Courage macht, so bieten sich leicht viele Schwierigkeiten.... Sie sind eben aus dem Dienst entlassen worden. Ich erneuere Ihnen Solches hierbei.... Ich finde es auch nicht für gut, für die Dienste, die Sie mir bis heran zu leisten fähig waren, mehr als das nothwendige Unterhalt zu geben. Auch bin ich weit entfernt, Ihnen einen schriftlichen Vertrag als Sinecure zu geben.“ Wenn Blum für Ueberstunden keine besondere Vergütung gefordert habe, „so mögen Sie dies gegen Monate müßig sitzen compensiren, während welchen mancher Sie entlassen hätte. Geht es Ihnen bei anderen gut, so werde ich diesen Verlust, sowie den eines anderen Jungen Mannes, den ich früher erzogen hatte, gern ersehen.... Später können Sie einmal bei mir anfragen, nachdem Sie eine bessere Schule der Erfahrung durchgegangen seyn werden, als die, deren Sie sich jetzt rühmen. Hr. Grebin wird Ihnen zustellen, was Ihnen gebürt. Schmitz.“
Robert war zu arm, das schnöde hingeworfene Almosen auszuschlagen. Am 5. August quittirte er Herrn A. L. Grebin in Berlin über sechsunddreißig Thaler, mit welchen der „Lohn“ vom 18. Mai bis „ultimo July d. J.“ und die „Reisekosten von hier nach Cölln“ beglichen waren, und machte sich am 9. August über Potsdam, Brandenburg, Genthin, Magdeburg, Helmstedt, Braunschweig, Hildesheim, Hameln, Paderborn, Soest, Lennep zu Fuß auf den Heimweg nach Köln. Am 22. August langte er hier an, nachdem er neunundsiebenzig ein halb Postmeilen in dreizehn Tagen zurückgelegt.
Das Verhältniß zu Schmitz war für immer gelöst, der Riß unheilbar geworden. Es nützte nichts, daß Robert auf die Rückseite einer leeren Schulheftseite seiner ältesten Stiefschwester, die sich auf der Vorderseite abmühte, den Worten: „Mit dem Maß, womit ihr messet, wird auch euch gemessen werden“ einen bedenklich unkalligraphischen Ausdruck zu geben, das Concept eines rührend-versöhnlichen Briefes schrieb.
Die Geschäfte des Beleuchtungsmannes gingen noch zu schlecht. Das Rüböl war soeben auf’s Haupt geschlagen. Das Gas triumphirte. Das war der Grund von Roberts Entlassung, alles Andere Vorwand.
Nichts charakterisirt aber wohl den Egoismus und die unedle Empfindung des Herrn Schmitz besser als die Thatsache, daß er nach einer solchen Behandlung Blum’s es wagte, schon nach einem halben Jahr, als Blum literarische Verbindungen in Köln gewonnen hatte, sich unverfroren an den mißhandelten jungen Mann zu wenden, um von diesem eine Reclame für eine von Schmitz neu herausgegebene Zeitschrift zu erlangen. Blum war großmüthig genug, die Unterstützung des Unternehmens zuzusagen.
Vorläufig aber, d. h. im August 1830, verdankte Blum dem nämlichen Herrn Schmitz den Blum leider nicht mehr ganz unbekannten Zustand der Brodlosigkeit.
5. Theaterdiener und Dichter.
In tiefster Kümmerniß sahen wir Robert Blum jene Julitage des Jahres 1830 verleben, welche für die geistige Bewegung von ganz Europa im Laufe der folgenden achtzehn Jahre tonangebend werden sollten. Während der Thron der Bourbonen zusammenstürzte und das Triumphlied des siegreichen Bürgerthums in allen Landen ein frohes Echo weckte, weil hier zum ersten Male seit fünfzehn Jahren die geistlose Metternich’sche Politik des absoluten Stillstandes, die den Continent beherrschte, eine furchtbare Niederlage erlitt, sahen wir Robert Blum mit seinem harten Brodherrn um die nothwendigsten Bedürfnisse des Lebens kämpfen; die Jubelwochen des Bürgerkönigthums fanden Robert auf einer mühsamen Fußreise von Berlin nach Köln begriffen, hier brodlos. Aus purer Barmherzigkeit warf J. W. Schmitz dem jungen Manne, dem er in seinem Dienstzeugnisse nachrühmte, daß er „fleißig und willig zu jeder Arbeit sei, und daß seine erprobte Treue, Gehorsam, bescheidenes und gesittetes Betragen das ausgezeichnetste Lob und Empfehlung verdienen“, in Köln noch vier Thaler zu. Das war aber auch Alles, was Robert vom 22. August bis 1. October 1830 einnahm. Und an diesem Tage trat er mit einem Monatsgehalt von acht Thalern (vom December ab von zehn Thalern) und fünf Thalern Neujahrsgeschenk in die Dienste des Schauspieldirectors Ringelhardt als Theaterdiener.
Man sollte kaum für möglich halten, daß ein Mann in solcher Lage, so schwer gefesselt an die niedersten Erdensorgen, so tief gestellt in der menschlichen Gesellschaft, den sittlichen Muth und die kühne Schwungkraft besessen hätte, in den wenigen Stunden seiner Muße rein geistig, ja dichterisch zu schaffen, und allen Wandlungen der großen Zeitgeschichte mit gespanntestem Interesse zu folgen. Und doch hat Robert Blum dies gethan. Um die Charakterstärke völlig zu würdigen, die dazu gehörte, einen so tiefen Gegensatz zwischen der Wirklichkeit und der Welt des Dichters zu überwinden, muß man die traurige Lage, in der Robert Blum damals lebte, doch etwas näher in’s Auge fassen. Nach seinen eigenhändigen Buchungen[7] hatte er in Berlin an Kostgeld durchschnittlich acht Thaler pro Monat bezahlt, einschließlich des Logisgeldes elf Thaler. Daß er für diesen Preis nichts Vorzügliches erhielt, haben wir früher in einem seiner Briefe an Schmitz von ihm selbst erfahren. Hier in Köln aber hatte er seinen Eltern für Kost und Logis bis October 1830 nicht mehr als — einen Thaler pro Monat zu bieten. Von der Zeit seines Engagements bei Ringelhardt an konnte er anfangs vier, 1831 bis 1832 (bis 20. Juli) fünf Thaler und schließlich sechs Thaler an seine Eltern pro Monat zahlen. Wir sind aber wohl berechtigt anzunehmen, daß in diesem Betrage mehr gegeben wurde, als er dagegen empfing[8]. Denn zu allen Zeiten hat er Eltern und Geschwister nach Kräften unterstützt, und gerade damals war seine Familie der Unterstützung bedürftiger als je: der Stiefvater und die Mutter kränklich, die Stiefschwesterchen noch nicht erwerbsfähig; sogar zu gerichtlichen Klagen scheint es gekommen zu sein, denn im Monat Mai 1829 bucht Robert drei Thaler „an meine Eltern für Gerichtskosten“. Man kann sich also denken, wie kümmerlich Robert in jenen Jahren für seine materiellen Bedürfnisse sorgen konnte — ohne deren reichliche Fülle nach Ansicht unserer heutigen Materialisten nicht einmal СКАЧАТЬ