Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
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Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

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СКАЧАТЬ und machen den Menschen göttlicher. Ich will mir seine Reden abschreiben. Nur Bruchstücke sind sie, aber in sich ein Vollendetes. Man muß sie öfters lesen, öfters hören, um in das schöne Heiligtum ihres Sinnes einzudringen!«

      So schieden wir begeistert von einander. Die Morgenröte fand uns früher als wir den Schlummer.

      Zweites Buch.

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

      Als wir im Gartenzimmer beisammen waren, nahm der Abbé ein Heft hervor. »Hier,« sagte er, »ist Alamontades Erzählung, wie ich sie mit möglichster Sorgfalt zusammengetragen! Ich gab zu allem nur die vereinende Schnur; Alamontades Gedanken und Worte sind es, die ich darauf aneinander gereiht habe. Manches werdet Ihr darin sehr kurz, manches wieder umständlicher entwickelt finden, je nachdem den Erzähler Gegenstände seiner Vergangenheit mehr oder weniger berührten, oder meine Fragen dazu leiteten.«

      Dillon, beschattet vom spielenden Weinlaub am Fenster, las. Nie vergesse ich diese schöne Stunde.

      Ein kleines Dorf in Languedoc war meine Heimat und der Ort meiner Geburt, erzählte Alamontade. Ich verlor meine Mutter sehr früh. Mein Vater, ein armer Bauer, konnte, seiner Sparsamkeit ungeachtet, wenig auf meine Erziehung verwenden. Doch war er bei weitem nicht der Ärmste im Dorfe. Aber außer dem Zehnten von seinen Weinbergen, Ölbäumen und Äckern mußte er vom Übrigen seines mühseligen Gewinns den vierten Teil an Steuern und Abgaben hingeben. Unsere alltägliche Nahrung war Suppe mit schwarzem Brot und Rüben.

      Mein Vater versank in Not. Dies kränkte ihn sehr. »O Colas,« sagte er mehr als einmal zu mir in schmerzlichem Ton, indem er die Hand auf mein Haupt legte, »meine Hoffnung geht zugrunde! Ich werde im Schweiße meines Angesichts dennoch keinen schuldenfreien Sarg gewinnen. Wie will ich nun das Wort halten, welches ich mit dem letzten Kuß Deiner Mutter auf ihrem Totenbette gab? Ich versprach ihr heilig, Dich zur Schule anzuhalten und aus Dir einen Geistlichen zu machen. Du wirst ein Tagelöhner werden und Fremden dienen.«

      Dann tröstete ich wohl den guten, alten Mann, so gut ich's konnte. Aber mein kindlicher Trost beugte ihn nur tiefer. Er ward kränklicher und ahnte die Annäherung seiner letzten Tage. Oft sah er mich gerührt an, mit Besorgnis um meine Zukunft; und die bittere Thräne der Hoffnungslosigkeit netzte seine Augen. Ich verließ, wenn ich's sah, mein Spiel. Ich sprang zu ihm hinan, denn ich konnt' es nicht ertragen, ihn weinen zu sehen. Ich umklammerte seinen Hals, küßte ihm die Thränen von den Wimpern und rief schluchzend: O! mein Vater, weine doch nicht!

      Ich war achtzehn Jahre alt, da starb mein Vater. Es war ein heiterer Abend, die Sonne nahe dem Untergange. Mein Vater saß vor der Hütte im Schatten eines Kastanienbaumes. Er wollte noch einmal den Anblick einer Welt genießen, die ihm trotz aller Leiden lieb geworden war. Ich kam vom Felde. Er war sehr matt. Ich ging zu ihm. Er schloß mich in seine Arme. O mein Sohn! sagte er, jetzt ist mir wohl. Mein Feierabend kommt, ich gehe zur Ruhe. Doch werde ich Dich nicht vergessen. Ich werde mit Deiner Mutter vor Gott stehen; wir wollen über den Sternen für Dich beten. Denk an uns und sei der Tugend treu bis in den Tod! wir wollen für Dich beten. Gott sorget für Dich. Und weine nicht! Denn hast Du einst Dein Tagewerk beendet, so wird auch Deine Feierstunde schlagen. Dann findest Du uns, mich und Deine Mutter droben wieder. Ach! Colas, wie sehnsuchtsvoll wollen wir Dich dort erwarten und wie wohl wird uns sein, wenn die drei seligen Herzen der Eltern und des Kindes vor Gottes Thron aneinander schlagen!

      Der letzte Sonnenstrahl erblich an den Gebirgsgipfeln; die Erde versank in Dämmerungsschein. Der Geist meines Vaters war von der gebrechlichen Hülle des Körpers frei. Die teuern Überreste desselben lagen in meinen Armen.

      2.

       Inhaltsverzeichnis

      Der treue Knecht – sein Name ist mir entfallen – welcher mich zu Etienne, meiner Mutter Bruder in Nismes, nach dem letzten Willen meines Vaters bringen sollte, hielt mich an der Hand, als wir durch die dunkeln, engen Straßen der Stadt Nismes gingen. Ich zitterte. Ein unwillkürlicher Schauder faßte meine Seele.

      »Du bebst, Colas?« sagte der Knecht. »Du siehst blaß und finster aus. Ist Dir nicht wohl?«

      »Ach,« rief ich, »bringe mich nicht hierher in dieses schwarze Gefängnis. Mir ist so bange, als sollte ich hier sterben. Laß mich tagelöhnern in der grünen, freien Heimat! Sieh' doch diese Mauern: sie sehen wie Kerkerwände aus. Und diese Menschen! Sie sind so unstät, so düster, als wären sie Verbrecher!«

      »Dein Oheim, der Müller,« antwortete er, »wohnt nicht innerhalb der Stadt; sein Haus ist vor dem Karmeliterthore, im Freien und Grünen.«

      Vor dem Karmeliterthor war das Haus meines Oheims und daneben seine Mühle. Der Knecht wies mit der Hand auf das artige Gebäude, und sprach: »Herr Etienne ist ein reicher Mann, aber leider . . .«

      »Was denn leider?«

      »Ein Calvinist, wie die Leute sagen.«

      Ich verstand ihn nicht. Wir traten in das schöne Gebäude. Meine Angst verging beim Eintritt. Ein stiller, liebreicher Geist sprach mich aus allem an, was ich erblickte, und mir ward wohl wie in der Heimat. In dem saubern Zimmer voll Einfachheit und Ordnung saß die Mutter, mit häuslicher Arbeit beschäftigt, am Tische, umgeben von drei blühenden Töchtern. Ein zweijähriger Knabe saß spielend auf dem Schooße der Mutter. Güte und Ruhe wohnten in jedem Angesicht. Sie schwiegen alle und schlugen die Augen zu mir auf. Mein Oheim stand am Fenster und las in einem Buche. Schon waren seine Locken grau, eine jugendliche Heiterkeit aber glänzte aus seinen Blicken. Seine Mienen waren die der Frömmigkeit.

      Der Knecht sprach zu ihm: »Dieser ist Euer Neffe Colas, Herr Etienne! Sein Vater, Euer Schwestermann, ist in Armut gestorben und befahl mir, Euch seinen Sohn zu bringen, daß Ihr sein Vater sein möget.«

      »Sei mir willkommen und gesegnet, Colas!« sagte Herr Etienne, indem er seine Hand auf mein Haupt legte. »Ich will Dein Vater sein!«

      Dann stand die Frau auf, reichte mir die Hand und sprach: »Ich will Deine Mutter sein!«

      Diese Güte bewegte mein Herz Ich weinte und küßte die Hand des neuen Vaters und der neuen Mutter, ohne ein Wort sprechen zu können. Da umringten mich die drei Töchter und sagten: »Weine nicht, Colas, wir sind Deine Schwestern.«

      Von dieser Stunde an war ich wie eingewohnt in der neuen Heimat, als wär' ich nie Fremdling drin gewesen. Ich glaubte in einer Familie stiller Engel zu wohnen, von denen mir oft mein Vater erzählt hatte. Ich ward so fromm wie sie alle, doch nie der Frömmste.

      Ich wurde zur Schule angehalten. Nach einem halben Jahr trat Herr Etienne zu mir und sagte mit freundlichem Blick: Colas, Du bist arm, aber Gott hat Dich mit schönen Anlagen gesegnet! Deine Lehrer rühmen mir Deinen Fleiß und sagen, daß Du Deine Mitschüler alle an Kenntnissen wunderbar übertriffst. Darum habe ich beschlossen, Du sollst den Wissenschaften obliegen, und ein Gelehrter werden. Hast Du in Nismes Deine Lehrjahre vollbracht, so sende ich Dich auf die hohe Schule zu Montpellier. Du sollst die Rechte studieren, dann kannst Du ein Verteidiger unserer unterdrückten Kirche СКАЧАТЬ