Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke - Heinrich Zschokke страница 98

Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke

Автор: Heinrich Zschokke

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788027214945

isbn:

СКАЧАТЬ Deinen Fleiß gerühmt, und wie Deine Lehrer Dich stützen. Fahre fort, Colas, fahre fort, Dich zu waffnen, denn unsere Leiden sind groß, und das Trübsal der Gläubigen hat kein Aufhören! Gott ruft Dich. Werde sein auserwähltes Rüstzeug, die Macht des Widersachers der Gläubigen zu brechen, und das in den Staub getretene Evangelium triumphierend aufzurichten!«

      Die Besorgnisse meines Oheims waren seit einiger Zeit besonders durch harte Äußerungen der ersten Magistrats-Person der Provinz wider die geheimen Protestanten vermehrt worden. Der Marschall von Montreval wohnte in Nismes, und um so mächtiger und furchtbarer wurde dieser Mann, da er des Königs ungemessenes Vertrauen besaß. Seine Drohungen gegen die Hugenotten gingen von Mund zu Mund; einer raunte sie dem andern zu. Mich aber quälte eine andere Sorge. Vergeblich hatte ich alltäglich die Straße von Albertas' Hause, vergebens das Amphitheater durchirrt. Klementine war nirgends sichtbar. Auf der Straße begegnete mir eines Morgens der alte Diener, welcher mich auf Befehl der Frau de Sonnes im Landhause an der Vidourle bewirtet hatte. Er erkannte mich; er schüttelte mir freundlich die Hand, und erzählte mir nach tausend andern Dingen, Frau de Sonnes und ihre Tochter wären schon seit einigen Monaten nicht mehr in Nismes, sondern in Marseille, um durch die Zerstreuungen dieser großen Handelsstadt ihren Schmerz über den Verlust einer zärtlich geliebten Tochter und Schwester zu beruhigen.

      Mit vernichteter Hoffnung, Klementinen, wenn auch nur einen Augenblick und aus der Ferne, zu sehen, ging ich traurig nach Hause. Die freudige Erwartung, welche ich durch die volle Hälfte eines Jahres genährt hatte, war getäuscht. Niederschlagen betrat ich wieder das Haus des Herrn Etienne.

      Mit Befremden ward ich hier in allen Gesichtern eine ungewöhnliche Verlegenheit und Unruhe gewahr. Die Mutter trat zu mir, legte ihre Hände auf meine Schultern und küßte mich mit einem Blicke des Mitleids; Marie und Antonie und Susanne nahmen meine Hände freundlich in die ihrigen, als wollten sie mich damit trösten. Ich gab meine Verwunderung über dies alles zu erkennen. »Du hast Recht, Colas,« sagte der Alte, »und es verdrießt mich das Zagen der Weiber. Der Herr Marschall von Montreval hat vor einer Stunde hierher gesandt, und Dir gebieten lassen, morgen um die zehnte Stunde ins Schloß hinauf zu kommen. Da hast Du's. Weiter nichts! Ist Dein Gewissen ruhig, so gehe ohne Furcht zum Marschall, und wäre sein Schloßhof die aufgesperrte Hölle!«

      Die Mutter hatte mit zitternden Händen am andern Morgen meinen Anzug geordnet. Ich beruhigte mit allem Troste die lieben Bekümmerten. »Es ist zehn Uhr!« rief Herr Etienne. »Geh' in Gottes Namen! Wir beten für Dich.«

      Ich ging. Der Marschall von Montreval war in seinem Zimmer. Nach mehr denn anderthalb Stunden wurde ich durch eine Reihe von Zimmern und Sälen zu ihm geführt. »Ich wollte Sie sehen, Alamontade,« sagte der Marschall, »weil Sie auf der Liste der Universität Montpellier so sehr mit Lob ausgezeichnet sind! Bilden Sie Ihre Talente aus. Sie können ein nützlicher Mann werden, und ich will in Zukunft für Sie sorgen! Meine Aufmunterung wird Sie nicht stolz, sondern fleißiger machen. Ich werde mich ferner nach Ihnen erkundigen. Wenden Sie alles an, die Freundschaft des Herrn Bertollon, Ihres Gönners, sich zu erhalten, und sagen Sie ihm, daß ich Sie habe zu mir rufen lassen!«

      Dies war es, was mir der Marschall sagte. Er schien, nach einer kleinen Unterredung mit mir, Wohlgefallen an mir zu haben. Ich empfahl mich seiner Gnade, und eilte, meine in Bangigkeit schwebende Familie zu trösten. Die Freude war groß. Bald mußten es nun alle Nachbarn und die ganze Stadt erfahren, welcher Ehre mich der Marschall gewürdigt.

      7.

       Inhaltsverzeichnis

      Herr Bertollon war auf's Land zu seiner Gattin gereist, als ich in Montpellier ankam. Nicht ohne Betrübnis stand ich in meinem Dachstübchen vor dem verwelken Kranze. Ich seufzte Klementinens Namen, und küßte die dürren Blumen, welche einst unter ihren zarten Fingern geblüht hatten. Ich wollte mich der Thränen schämen, die mir getäuschte Hoffnung in's Auge trieb, und doch ward mir durch sie leichter.

      Der Kranz und der schmale Teil des prächtigen Hauses de Sonnes sollten nun den Winter hindurch wieder die stummen Zeugen meiner Freuden, meiner Hoffnungen werden. Vielleicht führt der Frühling mit seinen Blüten auch sie nach Montpellier! sagte ich zu mir und sah hinüber nach dem Palast, der sie dann aufnehmen sollte.

      Da stand an einem der hohen Fenster drüben eine weibliche Gestalt, in schwarzen Flor gehüllt, den Rücken gegen mich gewandt. Meine Pulse stockten, mein Athem verging, meine Augen verdunkelten sich. Es kann nur Klementine sein! dachte ich, aber ich war, im Fenster liegend, kraftlos zusammengesunken, und hatte weder den Mut, noch die Macht, aufzusehen und Überzeugung zu suchen. Als ich meine Kräfte wieder gesammelt hatte, richtete ich mich empor, und warf zitternd einen Blick hinüber. Ihr Gesicht, vom schwarzen Schleier umweht, war mir zugewandt. Die Lüfte spielten in des Schleiers Falten; er hob sich ich sah Klementinen und zwar in einem Augenblicke, wo ich ihre Aufmerksamkeit erregt zu haben schien. Ich schlug die Augen nieder. Eine nie empfundene Glut brannte in meinen Adern. Ich glaubte, vergehen zu müssen. Und als ich abermals hinübersah, war sie vom Fenster verschwunden, aber nicht vor meinem inneren Blick.

      »Sie ist's!« sagte mein Herz, und ich stand auf der Höhe irdischer Seligkeit, einsam, nur Klementinens Bild vor mir.

      Es war Klementine. Am Abend strahlten die Fenster erleuchtet; ich sah ihren Schatten daran vorüberschweben. Als es spät ward, nahm ich die Harfe, und bei ihren Tönen besänftigten sich allmälich meine Gefühle.

      Am andern Morgen erwachte ich spät. Schlummerlos war mir die Nacht verflogen. Als ich an das Fenster trat, lag Klementine im Morgengewande schon im ihrigen. Ich verneigte mich gegen sie – mein Gruß ward kaum merklich erwidert. Aber sie sah doch wieder freundlich auf. So lange sie da lag, war auch ich an's Fenster gebannt. zuweilen begegneten sich unsere schüchtern vorüberstreifenden Blicke. Meine Seele redete zu ihr, und mir war es, als vernähme ich leise Antworten.

      Am Abend nahm ich die Harfe aus dem Winkel und ließ die Saiten rauschen. Ich spielte die Leiden des Grafen Peter von Provence und der geliebten Magelone, damals eine der neuesten und rührendsten Balladen, voll ausdrucksvoller Melodie. Als ich die erste Strophe beendet hatte, und die Hände einen Augenblick ruhten, gaben Harfenklänge laut denselben Gesang in der Stille der Nacht leise zurück. Wer konnte es anders sein, als Klementine, die das Echo meiner Empfindungen werden zu wollen schien? Als sie geendet hatte, hob ich nun wieder an. So wechselten wir gegenseitig. Musik ist die Sprache der Seele. Welch' eine unnennbare Wonne für mein Herz: Klementine würdigte mich des Gesprächs!

      Ach tausend namenlose Kleinigkeiten, die nur ihren unermeßlichen Wert durch den Sinn empfangen, in welchem sie gegeben und angenommen werden, muß ich verschweigen: allein sie sind unvergessen. Die bloße Erinnerung an den schönen, längst verflogenen Jugendtraum ist noch immer entzückend schön.

      Und so dauerte der Traum zwei Jahre lang. Zwei Jahre lang sahen wir uns schweigend und liebend, und redeten zusammen durch Saitenstimmen, und näherten uns nie. Ich kannte die Kirche, in der sie betete. Da war auch ich, und betete mit ihr. Ich wußte die Tage, wann sie, von ihrer Mutter und ihren Freundinnen begleitet, unter schattigen Bäumen lustwandelte; da war auch ich. Ihr Blick erkannte mich dann und belohnte mich schüchtern.

      Ohne einander in diesem langen Zeitraume gesprochen zu haben, waren wir nach und nach die innigsten Vertrauten geworden. Wir entdeckten uns unsere Freude und unsern Kummer; wir baten und gewährten, und hofften und fürchteten, wir schworen einander Gelübde, und brachen sie nie. Niemand ahnte den Umgang unserer Seelen, unsere schuldlose Vertraulichkeit. Nur Herrn Bertollons Güte setzte mich oft in Gefahr, meine Freuden alle einzubüßen. Er wollte durchaus mir bessere Zimmer einräumen; nicht ohne Mühe erkämpfte ich mir den ferneren Besitz des Dachstübchens.

СКАЧАТЬ