Название: Jane Eyre
Автор: Шарлотта Бронте
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: 99 Welt-Klassiker
isbn: 9783954180196
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»Ist Miss Temple ebenso streng gegen dich, wie Miss Scatcherd?« fragte ich wieder.
Bei der Nennung von Miss Temples Name flog ein sanftes Lächeln über ihr sonst so ernstes Gesicht.
»Miss Temple ist voller Güte; es bereitet ihr Schmerz, gegen irgendjemanden strenge sein zu müssen, selbst gegen die schlechteste Schülerin der ganzen Schule. Sie sieht meine Fehler und belehrt mich mit Sanftmut über dieselben; wenn ich aber irgend etwas lobenswertes tue, so ist sie sehr freigebig mit ihren Lobeserhebungen. Ein starker Beweis für meine unglückselig elende, fehlerhafte, schwache Natur ist es, dass sogar ihre Vorstellungen, so milde, so vernünftig, nicht genug Einfluss haben, um mich von meinen Fehlern zu kurieren. Und sogar ihr Lob, obgleich ich es so hoch schätze, kann mich nicht zu andauernder Sorgsamkeit und Überlegung anspornen.«
»Das ist seltsam«, sagte ich, »es ist doch so leicht, sorgsam zu sein.«
»Für dich ist es das ohne Zweifel. Ich habe dich heute Morgen in deiner Klasse beobachtet und sah, wie unverwandt aufmerksam du warst. Deine Gedanken schienen niemals abzuschweifen, während Miss Miller die Lektion erklärte und dich befragte. Und die meinen wandern fortwährend; wenn ich Miss Scatcherd zuhören und mit Sorgfalt alles in mich aufnehmen sollte, was sie sagt, höre ich oft sogar den Laut ihrer Stimme nicht mehr; ich versinke in eine Art von Traum. Manchmal glaube ich, dass ich in Northumberland bin und dass der Lärm, den ich um mich herum höre, das Plätschern und Rieseln eines kleinen Baches ist, der durch Deepden, ganz nahe unserem Hause, fließt: – – wenn dann die Reihe an mich kommt zu antworten, muss ich erst geweckt werden, und weil ich dann von allem, was gelesen wurde, nichts gehört habe, weil ich dem Rauschen des imaginären Baches lauschte, so habe ich niemals eine Antwort in Bereitschaft.«
»Aber du hast doch heute Nachmittag so gut geantwortet.«
»Das war ein reiner Zufall. Der Gegenstand, über den wir gelesen, hatte mein ganzes Interesse geweckt. Anstatt von Deepden zu träumen, dachte ich heute Nachmittag verwundert darüber nach, wie ein Mann, der so innig wünschte, das Gute zu tun, oft so ungerecht und unklug handeln konnte wie Karl I. es getan; und ich dachte, wie traurig es gewesen, dass er bei all seiner Rechtschaffenheit und Gewissenhaftigkeit nicht weiter blicken konnte, als bis zu den Prärogativen der Krone. Wenn er nur im stande gewesen wäre, in die Ferne zu blicken und zu sehen, wohin das, was man den Geist der Zeit nennt, eigentlich strebte! Und doch – ich liebe Karl – ich achte ihn – ich bedauere ihn, den armen gemordeten König! Ja, seine Feinde waren die schlimmsten; sie vergossen Blut, welches zu vergießen sie kein recht hatten! Wie konnten sie es wagen, ihn zu töten!«
Helen sprach jetzt mit sich selbst; sie hatte ganz vergessen, dass ich wohl kaum im stande war, sie zu verstehen – dass ich unwissend war, dass der Gegenstand, über den sie diskutierte, mir fast unbekannt war. Ich rief sie wieder auf meinen Standpunkt zurück.
»Wandern deine Gedanken auch, wenn Miss Temple dich unterrichtet?«
»Nein, gewiss nicht, oder doch nur selten. Miss Temple hat immer etwas zu sagen, das für meine eigenen Reflexionen noch neu ist. Ihre Sprechweise ist mir seltsam angenehm, und die Belehrung, welche sie erteilt, ist meistens grade das, was ich zu lernen wünschte.«
»Also mit Miss Temple bist du gut?«
»Ja, in einer passiven Weise. Ich mache keine besondere Anstrengung, ich folge nur, wohin meine Neigung mich führt. In solcher Güte liegt doch kein besonderes Verdienst.«
»Ein großes Verdienst! Du bist gut mit denen, die gut mit dir sind. Wahrhaftig, ich wünschte nur, dass ich das sein könnte. Wenn die Menschen stets gut und gehorsam den Ungerechten gegenüber wären, so ginge den bösen Menschen ja alles nach ihrem Kopfe; sie würden vor nichts zurückschrecken und sich niemals bessern, sondern immer schlechter und schlechter werden. Wenn man uns ohne Grund schlägt, so sollten wir mit aller Macht wieder schlagen. Ganz gewiss – das sollten wir tun, so kräftig, dass die Person, welche es getan hat, sich wohl hüten würde, es jemals wieder zu tun.«
»Ich hoffe, du wirst anderen Sinnes werden, wenn du älter wirst, bis jetzt bist du ja nur ein kleines, unwissendes Mädchen, das es nicht besser gelernt hat.«
»Aber das fühle ich doch klar, Helen, dass ich die hassen muss, die fortfahren mich zu hassen, trotzdem ich alles tue, was ihnen Freude machen kann; ich muss mich auflehnen gegen die, welche mich ungerecht bestrafen. Es ist ebenso natürlich, wie dass ich jene liebe, die mir Liebe zeigen oder dass ich mich ruhig einer Strafe unterwerfe, wenn ich fühle, dass sie verdient ist.«
»Heiden und wilde Stämme huldigen solcher Doktrin, aber Christen und zivilisierte Nationen erkennen sie nicht an.«
»Wie? Ich verstehe das nicht.«
»Nicht Heftigkeit oder Gewalt vermag den Hass am besten zu besiegen – nicht befriedigtes Rachegefühl heilt die geschlagenen Wunden.«
»Was sonst?«
»Lies das Neue Testament und merke, was Christus sagt, wie er handelt – mache sein Wort zu deiner Richtschnur, sein Tun zu deinem Beispiel.«
»Was sagt er?«
»Liebet eure Feinde, segnet die, so euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen und euch beleidigen.«
»Dann müsste ich Mrs. Reed lieben und das kann ich nicht; ich müsste ihren Sohn John segnen, und das ist unmöglich.«
Ihrerseits bat Helen Burns nun, mich ihr zu erklären, und sofort begann ich in meiner eigenen Weise ihr die ganze Geschichte meiner Leiden und Qualen, das ganze Register der mir widerfahrenen Unbill zu erzählen. Wild und bitter, wenn ich erregt war, sprach ich, wie ich fühlte, ohne Beschönigung, ohne Zurückhaltung.
Geduldig hörte Helen mir bis zu Ende zu. Ich erwartete dann, dass sie irgend eine Bemerkung machen werde, aber sie verharrte schweigend.
»Nun«, fragte ich ungeduldig, »ist Mrs. Reed nicht ein herzloses, böses Weib?«
»Sie ist nicht gütig gegen dich gewesen, ohne Zweifel, weil sie – das musst du begreifen lernen – deinen Charakter ebenso widerlich findet wie Miss Scatcherd den meinen. СКАЧАТЬ