Название: Das adelige Nest
Автор: Иван Тургенев
Издательство: Public Domain
Жанр: Русская классика
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Das Gefühl der erfüllten Pflicht, des Triumphs, ein Gefühl des Stolzes erfüllte seine Seele: auch die Trennung von seiner Frau erschreckte ihn nicht so sehr; in großere Verlegenheit hätte ihn die Nothwendigkeit gebracht, beständig mit ihr leben zu müssen. Eine Sache war abgethan; jetzt mußte er sich um andere Sachen bekümmern.
Gegen seine eigene Erwartung glückte es ihm in Petersburg; die Fürstin Kubensky, welche Mr. Courtin schon verlassen hatte, die aber noch nicht Zeit gehabt hatte zu sterben, recommandirte ihn, um irgendwie ihre Schuld gegen ihren Neffen wieder gut zu machen, allen ihren Freunden, und schenkte ihm fünftausend Rubel, fast ihr letztes Geld und eine Uhr von Lepic mit seinem Namenszuge in einer Guirlande von Amorköpfen.
Keine drei Monate waren vergangen, so hatte er schon eine Stelle als Attachè bei der russischen Gesandschaft in London erhalten und reiste dorthin mit dem ersten abgehenden Schiffe ab. Nach einigen Monaten erhielt er einen Brief von Pestoff. Dieser gute Edelmann gratuliere ihm zu der Geburt eines Sohnes, welcher das Licht der Welt im Dorfe Pokrowskoie den 20. August 1807 erblickt hatte und Feodor, zu Ehren, des heiligen Feodor Stratilats, getauft worden war; wegen ihrer großen Schwäche fügte Melanie Sergeiewna nur einige Zeilen hinzu; aber auch diese wenigen Zeilen setzten Iwan Petrowitsch in Erstaunen; er wußte nicht, daß Maria Timotheewna seiner Frau hatte Schreiben gelehrt.
Uebrigens gab sich Iwan Petrowitsch nicht lange der süßen Wallung der Vatergefühle hin; er machte einer der berühmten damaligen Phrynen oder Lais die Cour (damals blühten noch die classischen Namen). Eben war der Friede von Tilsit geschlossen worden und Alles eilte, zu genießen, Alles drehte sich in einem rasenden Kreise; die schwarzen Augen einer gewandten Schönen hatten ihm den Kopf verdreht. Geld hatte er sehr wenig, aber er spielte sehr glücklich, schloß Bekanntschaften, nahm an allen möglichen Vergnügungen Theil, mit einem Worte er hatte alle Segel aufgezogen.
Neuntes Kapitel
Lange konnte der alte Lawretzky seinem Sohne die Hochzeit nicht verzeihen; wäre nach einem halben Jahre Iwan Petrowitseh zu ihm gekommen, um ihn um Verzeihung zu bitten, und hätte sich vor ihm aus die Knie geworfen, hätte er ihm wahrscheinlich verziehen, nachdem er ihn erst tüchtig ausgescholten, hätte vielleicht zum größeren Effect ihm ein paar leise Schläge mit seiner Krücke gegeben; so lebte aber Iwan Petrowitsch im Auslande und bekümmerte sich wenig um die Verzeihung. »Schweige! unterstehe Dich nicht, mir etwas zu sagen!« wiederholte Peter Andreiitsch seiner Frau jedesmal, wenn diese es wagte, ein Wort für ihren Sohn einzulegen; »der Lotterbube muß ewig Gott dafür danken; mein verstorbener Vater hätte ihn eigenhändig erschlagen und hätte Recht gethan.«
Bei solchen schrecklichen Reden kreuzigte Anna Pawlowna sich im Stillen, was aber die Frau Iwan Petrowitsch’s betrifft, so wollte Peter Andreiitsch nichts von ihr hören, und wollte selbst statt Antwort auf Pestoff’s Brief, in welchem dieser von seiner Schwiegertochter sprach, sagen, er kenne ganz und gar keine Schwiegertochter, daß aber die Gesetze es verbieten, flüchtige Leibeigene bei sich zu behalten, wovon ihn zu benachrichtigen er für seine Pflicht halte. Als er jedoch später von der Geburt seines Enkels hörte, ließ er sich erweichen, befahl, sich unter der Hand nach der Gesundheit der Mutter zu erkundigen, und schickte ihr, als käme es nicht von ihm, etwas Geld.
Fedia war noch nicht ein Jahr, als Anna Pawlowna tödtlich krank wurde. Einige Tage vor ihrem Tode, als sie das Bett nicht mehr verließ, sagte sie, mit furchtsamen Thränen in den verlöschenden Augen, ihrem Manne in Gegenwart des Beichtvaters, sie wünsche ihre Schwiegertochter zu sehen und von ihr Abschied zu nehmen und ihren Segen ihrem Enkel zu geben. Der betrübte Alte beruhigte sie und schickte sofort seine eigene Equipage nach seiner Schwiegertochter, sich zum ersten Male Melanie’s Ergebener nennend. Sie kam mit ihrem Sohne und mit Martha Timotheewna, die sie um keinen Preis allein zu ihrem Schwiegervater lassen wollte und nicht erlaubt hätte, sie zu beleidigen. Halb todt vor Furcht trat Melanie Sergeiewna in das Cabinet von Peter Andreiitsch; ihr folgte die Wärterin mit Fedia. Schweigend blickte Peter Andreiitsch auf sie; sie neigte sich zu seiner Hand hin, ihre zitternden Lippen konnten sich kaum zu einem lautlosen Kusse schließen.
»Nun, neugebackene Edelfrau,« sagte er endlich, – »guten Tag; komm zur Mutter.«
Er stand auf und beugte sich zu Fedia; das Kind lächelte und streckte zu ihm feine bleichen Aermchen aus. Der Alte hielt es nicht aus.
»Ach,« sagte er, »Du arme Waise. Du hast die Verzeihung Deines Vaters erfleht. Ich werde Dich nicht verlassen, armer Knabe.«
Kaum in die Stube Anna Pawlowna’s eingetreten, kniete Melanie Sergeiewna an der Thür nieder. Anna Pawlowna rief sie an das Bett, umarmte sie und segnete ihren Sohn, dann ihr von schmerzlicher Krankheit abgezehrtes Gesicht zu ihrem Manne wendend, wollte sie etwas sagen.
»Ich weiß, ich weiß, was Du sagen willst,« sprach Peter Andreiitsch, »sei ruhig, sie bleibt bei uns, und auch Iwan verzeihe ich um ihretwillen.«
Anna Pawlowna erhaschte mit Mühe die Hand ihres Mannes und drückte sie an ihre Lippen; denselben Abend war sie nicht mehr.
Peter Andreiitsch hielt sein Wort. Er benachrichtigte seinen Sohn, daß er wegen des Todes seiner Mutter, wegen des kleinen Feodor, ihm seinen Segen wiedergebe, und Melanie Sergeiewna bei sich behalte. Sie bekam zwei Zimmer in den Entresols, er stellte sie seinen geehrtesten Gästen, dem einäugigen Brigadier Skurechin und seiner Frau vor, schenkte ihr zwei Dienstmägde und einen kleinen Jungen zur Bedienung. Martha Timotheewna nahm von ihr Abschied; vom ersten Augenblick an haßte sie Glaphira und hatte sich im Laufe eines einzigen Tages mit ihr dreimal gezankt.
Schwer und unheimlich war es der armen Frau im Anfange; später aber fand sie sich in ihr Schicksal und gewöhnte sich an ihren Schwiegervater. Auch er gewöhnte sich an sie, gewann sie sogar lieb, obgleich in seinen Liebkosungen selbst immer etwas Verächtliches durchblickte, und er sehr selten mit ihr sprach. Am Meisten hatte aber Melanie Sergeiewna von ihrer Schwägerin zu leiden. Schon bei Lebzeiten ihrer Mutter hatte es Glaphira verstanden, die Zügel des Hauses in ihre Hände zu nehmen; Alle, vom Vater an, unterwarfen sich ihr; ohne ihre Erlaubniß erhielt Niemand selbst ein Stück Zucker; sie hätte den Tod vorgezogen, als mit einer andern Hausfrau die Gewalt zu theilen – und mit was für einer Hausfrau noch. Die Hochzeit ihres Bruders hatte sie noch mehr als ihren Vater aufgebracht, und sie nahm sich vor, die Erziehung des Emporkömmlings zu leiten; so wurde denn Melanie Sergeiewna vom ersten Augenblicke an ihre Sclavin. Wie konnte auch sie, die schweigsame, stets verlegene und erschrockene, schwache Frau mit der eigenwilligen, stolzen Glaphira ringen wollen? Kein Tag verging, ohne daß Glaphira sie an ihren früheren Stand erinnerte, ohne daß sie sie lobte: daß sie es nicht vergesse, wer sie sei. Melanie Sergeiewna hätte diese Mahnungen und Lobsprüche, so bitter sie auch waren, gern übersehen . . . man hatte ihr aber Fedia genommen und das schmerzte sie tief.
Unter dem Vorwande, sie sei nicht im Stande, sich mit seiner Erziehung zu befassen, ließ man sie fast nie zu ihm; das hatte Glaphira übernommen. Das Kind kam völlig in ihre Gewalt. Aus Kummer darüber begann Melanie Sergeiewna Iwan Petrowitsch anzuflehen, er solle doch zurückkehren; auch Peter Andreiitsch wünschte seinen Sohn zu sehen, doch fand dieser in seinen Briefen immer einen Vorwand, warum er nicht käme, er dankte dem Vater für die Sorge um seine Frau, für das Geld, das ihm geschickt wurde, versprach zu kommen, – und kam nicht, – Endlich rief ihn das Jahr 1812 aus dem Auslande. Sich nach einer sechsjährigen Trennung wiedersehend, umarmten sich Vater und Sohn und erwähnten mit keinem Worte ihre früheren Mißhelligkeiten; dazu war damals keine Zeit: ganz Rußland rüstete sich gegen den Feind und Beide fühlten, daß russisches Blut in ihren Adern rinne.
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