Das adelige Nest. Иван Тургенев
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Название: Das adelige Nest

Автор: Иван Тургенев

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ Gut zurückkehren. Schmutzig, arm, elend, schien ihm sein heimathliches Nest; die Einsamkeit und der Schmutz des Steppenlebens beleidigten ihn auf jedem Schritte; es nagte an ihm die Langeweile, aber auch alle im Hause, seine Mutter ausgenommen, blickten unfreundlich auf ihn. Seinem Vater gefielen nicht seine Residenzgewohnheiten, seine Fracks, Chapeaux seine Flöte, seine Reinlichkeit, in welcher er nicht ohne Unrecht Ekel ahnte; auch klagte und brummte er oft auf den Sohn. – »Nichts will ihm hier gefallen,« sagte er, – »bei Mittag spielt er den Ekeln, ißt nicht, kann den üblen Geruch, die dumpfe Luft nicht ertragen; er ist außer sich, wenn er Betrunkene sieht; in seiner Gegenwart darf man es auch nicht wagen, Jemanden durchzuprügeln, dienen will er auch nicht; er sagt, er hätte eine zu schwache Gesundheit: Pfui Teufel, welch zärtliche Puppe! Und das Alles kommt daher, weil Voltaire in seinem Kopfe sitzt.« Der Alte liebte weder Voltaire noch auch den »ungläubigen« Diderot, obgleich er keine Zeile aus ihren Werken gelesen hatte: das Lesen war nicht seine Sache.

      Peter Andreiitsch hatte Recht; wirklich saßen im Kopfe seines Sohnes Diderot und Voltaire – und nicht sie allein – auch Rousseau und Raynal und Helvetius und viele andere ihnen ähnliche Schriftsteller saßen in seinem Kopfe, – doch in seinem Kopfe allein. Der gewesene Lehrer Iwan Petrowitsch’s, der verabschiedete Abbé und Encyelopädist begnügte sich, die ganze Masse der Weisheit des achtzehnten Jahrhunderts in ihn hineinzuschütten, und er ging umher, von ihr voll; und sie befand sich in ihm, ohne sich aber mit seinem Blute zu vermischen, ohne in seine Seele zu dringen, ohne zur festen Ueberzeugung geworden zu sein. Ja, – konnte man aber vor fünfzig Jahren auch Ueberzeugung von einem jungen Manne fordern, wenn wir noch jetzt nicht zu derselben herangewachsen sind? Iwan Petrowitsch genirte auch die Gäste seines väterlichen Hauses; er ekelte sich vor ihnen, sie fürchteten ihn. Mit seiner Schwester Glaphira, welche zwölf Jahre älter war, als er, konnte er sich nicht befreunden. Diese Glaphira war ein besonderes Geschöpft häßlich, bucklig, mager, mit breit ausgeschlitzten strengen Augen und einem feinen, zusammengedrückten Munde, erinnerte sie durch ihr Gesicht, durch ihre Stimme, durch ihre eckigen schnellen Bewegungen an ihre Großmutter, die Zigeunerin, Andrei’s Gemahlin. Fest ihrem Ziele nachstrebend, herrschsüchtig, wollte sie nichts von Heirath hören. Die Rückkehr Iwan Petrowitsch’s wollte ihr ganz und gar nicht gefallen; so lange die Fürstin Kubensky ihn bei sich hatte, hoffte sie wenigstens die Hälfte des väterlichen Erbtheiles zu erhalten. Was den Geiz betrifft, war sie ihrer Großmutter ganz ebenbürtig.

      Uebrigens war Glaphira auf ihren Bruder neidisch; er war so wohlerzogen, sprach so schön französisch und sie konnte kaum: »Bongschur« und »kommang wu portewu?« sagen. Freilich verstanden ihre Aeltern kein französisch«, – aber deshalb war sie nicht glücklicher. – Iwan Petrowitsch wußte nicht, was er vor Gram und Langweile thun sollte; nicht ganz ein Jahr hatte er im Dorfe zugebracht und ihm schien’s, er lebe dort über zehn Jahre. Nur gegen seine Mutter erleichterte er sein Herz und stundenlang saß er in ihren niedrigen Gemächern, das nicht allzukluge Geplauder der alten Frau anhörend, und übegaß sich an Eingemachtem.

      Unter den Stubenmädchen von Anna Pawlowna befand sich ein sehr hübsches Mädchen mit hellen sanften Aeugelein, gut und bescheiden, Malania oder deutsch Melanie genannt. Sie war Iwan Petrowitsch schon aufgefallen, als er sie das erste Mal sah; er liebte sie, liebte sie ihres schüchternen Ganges, ihrer bescheidenen Antworten, ihrer sanften Stimme, ihres sanften Lächelns wegen; täglich erschien sie ihm reizender. Auch sie liebte Iwan Petrowitsch von ganzer Seele, wie nur russische Mädchen lieben können, und gab sich ihm hin.

      Auf einem Landgute kann nichts lange geheim bleiben, bald wußten Alle von der Verbindung des Junkers mit Melanie; die Kunde von dieser Verbindung drang endlich auch bis zu Peter Andreiitsch. Zu einer andern Zeit hätte er wahrscheinlich solch eine unwichtige Sache nicht beachtet; er war aber schon lange seinem Sohne graut und freute sich jetzt auf die Gelegenheit, den Petersburger Weisen und Modenarren zu beschämen. Ein furchtbarer Sturm erhob sich; Melanie wurde in ein dunkles Zimmer gesperrt, man forderte Iwan Petrowitsch zu seinem Vater, Anna Pawlowna eilte auf den Lärm herbei. Sie suchte ihren Mann zu beruhigen, Fedor Andreiitsch hörte aber auf nichts mehr; gleich einem Geier stürzte er aus seinen Sohn los, warf ihm Sittenverderbniß, Gottlosigkeit und Heuchelei vor, ließ an ihm den langverhaltenen Groll gegen die Fürstin Kubensky aus, überschüttete ihn mit Schimpfworten.

      Anfangs schwieg Iwan Petrowitsch und hielt sich zurück, doch als ihm fein Vater mit einer erniedrigenden Strafe drohte, hielt er es nicht mehr aus. »Der Gottesverächter Diderot ist wieder auf der Scene,« dachte er, »so schicke ich ihn denn zur Attaque, wartet nur; staunen sollt Ihr alle.« Und mit ruhiger, gleicher Stimme, obgleich innerlich an allen Gliedern zitternd, sagte er seinem Vater, er hätte Unrecht ihn der Sittenverderbniß zu zeihen; er hätte nicht im Geringsten die Absicht, seine Schuld zu beschönigen, doch wolle er sie sühnen, und mit desto größerem Vergnügen, da er allen Vorurtheilen fern stehe, nämlich – er sei bereit, Melanie zu heirathen.

      Als er diese Worte aussprach, erreichte er, zweifelsohne sein Ziel; es erstaunte nämlich Peter Andreiitsch dergestalt, daß er die Augen weit aufsperrte und auf einige Augenblicke die Sprache verlor; doch bald kaut er wieder zu sich und, wie er war, in einem mit Grauwert gefütterten Schlafrock und mit Babuschen auf bloßen Füßen, warf er sich mit vorgestreckten Fäusten auf Iwan Petrowitsch, der, als wäre es absichtlich, diesen Tag die Haare à la Titus und einen neuen englischen blauen Frack, Stiefeln mit Quasten und elegante enge lederne Hosen trug.

      Laut schrie Anna Pawlowna auf und bedeckte sich das Gesicht mit den Händen; ihr Sohn aber lief davon, lief durch das ganze Haus, sprang in den Küchengarten, lief dann in den Garten, aus dem Garten auf die Landstraße und lief ohne sich umzusehen, bis er seines Vaters schwere Tritte und sein lautes, oft unterbrochenes Geschrei nicht mehr hinter sich hörte.

      »Halt Spitzbube!« schrie dieser, »halt, sonst verfluche ich Dich!« Iwan Petrowitsch verbarg sich bei Nachbarn und Fedor Andreiitsch kehrte nach Hause, matt und schweißtriefend, zurück, und kaum athmen könnend, sagte er, er enterbe seinen Sohn und versage ihm seinen Segen, befahl alle seine dummen Bücher zu verbrennen und die Magd Melanie sofort in ein entferntes Dorf zu schicken. Es fanden sich gute Leute, die Iwan Petrowitsch aufsuchten, und ihn von Allem benachrichtigten.

      Beschämt, wüthend, schwor er, sich an seinem Vater zu rächen; und noch in derselben Nacht lauerte er dem Bauernkarren, auf welchem Melanie in die Verbannung geschickt wurde, auf, raubte sie mit Gewalt, sprengte mit ihr in die Stadt und ließ sich trauen. Mit Geld hatte ihn ein Nachbar, ein ewig betrunkener, aber sehr guter, verabschiedeter Seemann, ein großer Liebhaber von jeder, wie er sich ausdrückte, edlen Historie, versorgt.

      Den folgenden Tag schrieb Iwan Petrowitsch seinem Vater einen giftig-kaltem doch in den artigsten Ausdrücken gehaltenen Brief, und reiste auf das Gut, wo sein Vetter Dmitri Pestoff, mit seiner Schwester, der den Lesern schon bekannten Martha Timotheewna, lebte. Er erzählte ihnen Alles, sagte, er beabsichtige nach Petersburg zu reisen, um sich ein Amt zu suchen, und bat sie, auf einige Zeit seine Frau aufzunehmen. Bei dem Worte: »Frau« – fing er bitterlich an zu weinen, und trotz seiner Philosophie und seiner Erziehung in der Residenz, warf er sich demüthig, nach russischer Weise auf die Knie vor seinen Verwandten und schlug selbst die Diele mit seiner Stirn. Die Pestoffs, mitleidige und gute Leute, willigten gern in seine Bitte ein; er blieb fast drei Wochen bei ihnen, im Geheimen eine Antwort von seinem Vater erwartend. Doch keine Antwort kam – und konnte nicht kommen. Als Peter Andreiitsch die Hochzeit seines Sohnes erfahren hatte, legte er sich krank in’s Bett und verbot in seiner Gegenwart den Namen Iwan Petrowitsch’s zu nennen; nur die Mutter hatte, im Geheimen von ihrem Manne, beim Erzpriester fünfhundert Rubel Assignation geborgt und schickte sie, sowie ein kleines Gottesbild der jungen Frau. Zu schreiben fürchtete sie sich, doch ließ sie Iwan Petrowitsch durch einen magern Bauer, der das Talent hatte, an zehn Meilen in vierundzwanzig Stunden zu gehen, sagen, er solle nicht zu traurig sein; so Gott wolle, würde sich Alles zum Besseren wendete und der Vater seinen Zorn in Gnade umwandeln; daß auch sie eine andre Schwiegertochter lieber gesehen hätte, doch wahrscheinlich hätte es Gott so gewollt, und sie schicke an Melanie Sergeiewna ihren mütterlichen Segen. Der magere Bauer bekam einen Rubel, bat СКАЧАТЬ