Das adelige Nest. Иван Тургенев
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Название: Das adelige Nest

Автор: Иван Тургенев

Издательство: Public Domain

Жанр: Русская классика

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СКАЧАТЬ sich zu langweilen, wieder zog es ihn hin in die Ferne, in jene Welt, mit der er verwachsen war, und wo er sich zu Hause fühlte. Melanie Sergeiewna konnte ihn nicht zurückhalten, so bedeutungslos war sie für ihn. Selbst ihre Hoffnungen gingen nicht in Erfüllung. Auch ihr Mann fand, es sei viel schicklicher, Fedia’s Erziehung Glaphiren anzuvertrauen. Iwan Petrowitsch’s arme Frau brach unter diesem Schlage, unter dem Schmerze der zweiten Trennung zusammen. Ohne ein Wort des Vorwurfs zu sprechen, verlosch sie in einigen Tagen; während ihres ganzen Lebens hatte sie Niemandem zu widerstehen verstanden, so kämpfte sie auch mit ihrer Krankheit nicht; sie hatte schon die Sprache verloren, schon legten sich Grabesschatten auf ihr Antlitz, ihre Züge aber drückten, wie immer, noch den Zweifel der Geduld und sanfte Ergebung aus; mit derselben stummen Ergebung blickte sie auf Glaphiren, und wie Anna Pawlowna auf ihrem Todtenbette Peter Andreiitsch die Hand geküßt hatte, so drückte sie Glaphirens Hand an ihre Lippen, indem sie ihr, Glaphiren! – ihren einzigen Sohn anvertraute.

      So endigte dieses stille und gute Wesen seine irdische Laufbahn, das, Gott weiß es warum, aus dem heimischen Boden gerissen und sofort wieder weggeworfen worden war, weggeworfen wie ein aus dem Erdboden gerissener Baum, die Wurzeln hin zur Sonne gekehrt; dieses Wesen welkte hin, es verschwand spurlos, – und niemand weinte um dasselbe. Melanie Sergeiewna wurde nur von ihren Kammermädchen und von Peter Andreiitsch bedauert. Dem Alten fehlte ihr gutes Gesicht, ihre schweigsame Gegenwart. – »Leb’ wohl, mein stummes Schäfchen,« murmelte er, sie zum letzten Male grüßend. Er weinte, als er eine Hand voll Erde auf ihren Sarg warf.

      Er selbst überlebte sie nicht lange, nicht mehr als fünf Jahre. Er starb sanft in Moskau, wohin er mit Glaphiren und seinem Enkel sich übergesiedelt hatte, und befahl, man solle ihn neben Anna Pawlowna und Melanie begraben. Iwan Petrowitsch befand sich damals in Paris, zu seinem Vergnügen; er hatte seine Entlassung bald nach 1815 genommen. Als er vom Tode seines Vaters hörte, entschloß er sich, nach Rußland zurückzukehren. Er mußte daran denken, das Vermögen in Ordnung zu bringen, auch mußte er an Fedia denken, der, Glaphirens Briefe zu Folge, schon zwölf Jahre zählte, so daß es höchste Zeit war, ernstlich an seine Erziehung zu denken.

      Zehntes Kapitel

      Iwan Petrowitsch kehrte als Angloman nach Rußland zurück, trug kurz geschorene Haare, ein steifgestärktes Jabot, einen langen erbsenfarbigen Ueberrock mit einer Menge kleiner Kragen, sein Gesicht hatte einen sauren Ausdruck, sein Umgang war schneidend und zugleich gleichgültig, er sprach durch die Zähne, sein Lachen kam unerwartet und klang hohl, seine Unterhaltung drehte sich ausschließlich um Politik und politische Oeconomie; er hatte eine Leidenschaft für bluttriefende Rostbeefs und Portwein – von ihm wehte, so zu sagen, nur Großbrittannien, er war von dessen Geiste ganz durchdrungen; aber – sonderbar zu sagen, – zu derselben Zeit, als er sich in einen Angloman verwandelt hatte, war Iwan Petrowitsch Patriot geworden, wenigstens nannte er sich Patriot, obgleich er Rußland schlecht kannte, sich an keine russische Gewohnheit hielt und ein sonderbares Russisch sprach. In den gewöhnlichen Unterhaltungen strotzte seine Rede von Gallizismen; kaum aber drehte sich die Unterhaltung um ernste Gegenstände so gebrauchte Iwan Petrowitsch sofort Ausdrücke wie: »neue Beweise des Selbsteifers darbieten,« »dieses stimmt mit der Natur selbstesfalles nicht überein,« und so weiter.

      Iwan Petrowitsch hatte einige Manuscripte von Entwürfen zur Regelung und Vervollkommnung der Regierung mitgebracht; er war mit Allem, was er sah unzufrieden, besonders erregte Mangel an System seine Galle. Als er mit seiner Schwester zusammentraf, waren seine ersten Worte: er wolle s gründliche Reformen einführen, Alles würde künftig bei ihm nach einem neuen Systeme gehen. Glaphira Petrowna gab keine Antwort, preßte die Zähne zusammen und murmelte vor sich hin: »wohin soll ich aber dann?« Als sie jedoch ins Dorf mit ihrem Bruder und ihrem Neffen gekommen war, beruhigte sie sich bald. – Wirklich fanden im Hause einige Veränderungen statt. Die Schmarotzer und alle nicht zum Hause Gehörigen wurden sofort verbannt; leider litten in ihrer Zahl zwei alte Frauen – eine Blinde und eine, die vom Schlage gelähmt war, und noch ein alter Major aus den Zeiten von Otschakoff, den man wegen seines in der That bemerkenswerthen Heißhungers nur mit Commisbrod und Linsen fütterte. Auch wurde der Befehl erlassen, die früheren Gäste nicht mehr zu empfangen, sie Alle ersetzte ein blonder, an Scropheln leidender Baron, ein entfernter Nachbar und sehr gebildeter und trotzdem sehr dummer Mensch.

      Aus Moskau kamen neue Meubel an; Spucknäpfe, Klingeln, Waschtischchen wurden eingeführt; das Frühstück wurde anders servirt; ausländische Weine ersetzten die verschiedenen Branntweine und Ratasias; die Diener bekamen neue Livreen; zu dem Familienwappen kam noch das Motte: in recto virtus.

      In der That war die Gewalt von Glaphira nicht im Geringsten vermindert worden; alle Ausgaben und Einkäufe hingen wie früher von ihr ab. Der aus dem Auslande mitgebrachte Kammerdiener, ein gebotener Elsässer, versuchte es zwar, mit ihr zu ringen, – verlor aber seinen Platz, obgleich der Herr selbst ihn begünstigte. Was die Landwirthschaft, die Verwaltung der Güter (auch in diese Sachen mischte sich Glaphira Petrowna) betrifft, so blieb Alles beim Alten, obgleich Iwan Petrowitsch oft seine Absicht aussprach: nettes Leben in dieses Chaos zu bringen. Der Pachtzins nur wurde hier und da gesteigert und die Robottarbeiten wurden schwerer, ja es wurde den Bauern sogar verboten, sich an Iwan Petrowitsch selbst zu wenden. Der Patriot hegte große Verachtung für seine Mitbürger; Iwan Petrowitsch’s System wurde in seiner ganzen Kraft nur auf Fedia angewandt: seine Erziehung, in der That, ward einer »gründlichen« Reform unterworfen, – mit ihm beschäftigte sich sein Vater ausschließlich.

      Elftes Kapitel

      Bis zur Rückkehr von Iwan Petrowitsch aus dem Auslande befand sich, wie wir schon gesagt haben, Fedia unter der Obhut von Glaphira Petrowna. Er war noch nicht acht Jahre, als seine Mutter starb; er sah sie nicht jeden Tag und liebte sie leidenschaftlich. Das Andenken an sie, an ihr sanftes und bleiches Antlitz, an ihre traurigen Blicke und schüchternen Liebkosungen grub sich auf ewig in sein Herz; dunkel ahnte er ihre Lage im Hause; er fühlte, zwischen ihm und ihr sei eine Grenze, die sie nicht zu überschreiten wage, die sie nicht, vernichten könne. Es zog ihn nicht zu seinem Vater, auch liebkoste ihn Iwan Petrowitsch selten; sein Großvater streichelte ihm von Zeit zu Zeit den Kopf und erlaubte ihm, seine Hand zu küssen, nannte ihn aber einen kleinen Bären und hielt ihn für dumm. Nach dem Tode von Melanie Sergeiewna nahm ihn seine Tante völlig in ihre Hände. Fedia fürchtete sie, fürchtete ihre hellen, scharfen Augen, ihre schneidende Stimme; in ihrer Gegenwart wagte er keinen Laut von sich zu geben; wenn er zuweilen sich kaum auf seinem Stuhle rührte, hörte er sie schon zischen: »wohin? Sitz ruhig.« – Sonntags, nach der Messe, war es ihm erlaubt, zu spielen, das heißt matt gab ihm ein dickes Buch, ein geheimnißvolles Buch, das Werk eines gewissen Maximowitsch-Ambodyk, unter dem Titel; »Symbole und Embleme.« In diesem Buche befanden sich an tausend räthselhafte Bilder, mit noch räthselhafteren Erklärungen in fünf Sprachen. In diesen Bildern spielte Cupido mit einem nackten dicken Körper eine große Rolle. Zu einem derselben unter dem Titel: »Safran und Regenbogen,« war die Erklärung: »Ihre Wirkung ist groß;« unter einem andern Bilde, welches einen fliegenden Reiher mit einem Veilchen im Schnabel darstellte, stand das Motiv: »Dir sind sie Alle bekannt.« – »Cupido und ein Bär, der seine Kleinen leckt,« bedeuteten »nach und nach.«

      Fedia betrachtete diese Zeichnungen, alle waren ihm bis ins Kleinste bekannt: einige, immer ein und dieselben, machten ihn nachdenken und weckten seine Einbildungskraft; eine andere Zerstreuung kannte er nicht. Als die Zeit kam, ihm Sprachen zu lehren, miethete Glaphira Petrowna für einen Spottpreis eine alte Demoiselle, eine Schwedin mit rothen Kaninchenaugen, die sehr fehlerhaft französisch und deutsch sprach, kaum Clavier spielen konnte, aber vortrefflich Gurken einzusalzen verstand. In der Gesellschaft dieser Lehrerin, seiner Tante und noch einer alten Dienstmagd, Wassiljewna, verbrachte Fedia vier lange Jahre.

      Zuweilen sitzt er in einem Winkel mit seinen »Emblemen,« – er sitzt; . . . in der niedrigen Stube riecht es nach Geranium, trübe brennt ein einziges Talglicht, ein Heimchen zirpt einförmig, als langweile es sich, die kleine Wanduhr pickt eilig an der Wand, verstohlen kratzt und nagt eine Maus hinter der Tapete und die drei alten Jungfern bewegen СКАЧАТЬ