Название: Der Ochsenkrieg
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Malimmes streckte dem Reiter die Hand hinauf. »Gott grüß dich, Bruder! Ich hab dich schon gesucht im Gaden draußt. Hätt gern zum Einstand ein Häflein mit dir gelupft. Und hab gehört, du wärst in der Ramsau. Bist bei der Mutter gewesen? Wie geht’s dem guten Weibl?«
Marimpfel erkannte in den Augen des Bruders die ehrliche Sehnsucht, wurde ein bißchen verlegen und sagte: »Es geht der Mutter nit schlecht. Allweil schnauft sie noch.«
Das Gesicht des andern strahlte. »Gute Botschaft! Will dem lieben Herrgott danken dafür. Am Sonntag werf ich dem Meßpfaffen einen Goldpfennig in den Bettelsack. Ich hab’s. Einen Winter lang kann ich mich auf die Faulhaut legen und kann der Mutter ein gutes Leben machen. Komm, Bruder, kehr um! Laß uns selbander heim!«
»Ich kann nit, hab eilfertigen Herrendienst. Aber auf ein Ständerlein beim Leutgeb hab ich Zeit.«
»So komm! Ein Bruder ist auch ein kostbar Ding. Dreh dich, Schätzlein, dreh dich!« Malimmes faßte lachend den Zügel und wandte den Gaul des Bruders. »Auftragen laß ich dir, als wärst ein römischer Delegat. Friß und sauf und tu mich anlachen! Not und Hader sind draußen in der Welt. Daheim ist daheim. Und was ich anguck, ist liebreich und friedsam.« Er schrie einen Jauchzer in die sonnige Luft hinaus, so gellend, daß Marimpfels Gaul einen scheuenden Sprung machte.
Auf dem Wege zum nahen Leuthaus schwatzte Malimmes in seiner frohen Laune immerzu. Marimpfel war nachdenklich geworden. Und plötzlich, den Bruder von der Seite musternd, fragte er: »Einen Winter lang willst feiern? Bist in Ehren ledig worden von Herr und Dienst? Oder mußt dich verstecken? Hat’s eine Sauerei gegeben?«
Malimmes sah ernst an dem Reiter hinauf. »Da wär alleweil ein andrer die Sau gewesen.«
»Meine Frag war nit schiech gemeint.«
»Muß ich halt dumm gehört haben.« Malimmes lachte schon wieder. »Ich will einmal für ein Zeitl mein eigner Herr sein. Viel Grund sind gewesen, daß ich gegangen bin. Der letzte war, daß mich das Heimweh angefallen hat, derweil ich sechs Wochen im Spittel gelegen bin. Wegen dem da!« Er deutete auf den frischen Narbenriß, der wie ein roter Feuerstrich in dem braunen Gesichte glomm.
»Ein böser Streich! Bruder, da mußt dich schlecht gedeckt haben?«
Lustig zwinkerte Malimmes mit den Augen und schüttelte den Kopf. »Es hätt ein feiner Hieb sein können! Hätt aus meinem Hirndach schier zwei Äpfelschnitten gemacht. Aber grad, wie der Hieb schön kunstvoll ansetzt, hat der ander, ein Pegnitzer Heckenreiter, meinen Spieß in der Seel gehabt. Seine Faust hat nur noch ein lützel rutschen können. Für sechs Wochen hat’s bei mir noch ausgegeben. Aber der ander ist nimmer aufgestanden. Ist ein braver Kerl gewesen, mit dem ich oft gebechert und geknöchelt hab. Hat mir’s nit schlecht vermeint, hat halt auch nur seinem Fähnl die Treu gehalten. Wegen sieben Ballen flandrisch Tuch, die sein Edelherr gekrapst hat.« Malimmes lachte nimmer.
Verwundert guckte Marimpfel auf den Bruder hinunter.
»Kriegsmann sein, war ein gutes Handwerk!« sagte Malimmes. Er hob den belasteten Spieß auf die andre Schulter. Die Eisenstücke klirrten. »Man sollt nur allweil wissen, daß es hergeht um eine Sach, die nötig und ehrlich ist. Da war das Dreinhauen eine Freud. Aber die meisten Händel müßten nit sein. Und geht’s nit um einen städtischen Pfeffersack, so geht’s um einen herrischen Hennendreck. Mich freut’s schon lang nimmer. Im Ausland solden, wie’s andere tun, das mag ich nit. Ich mag nit welschen, hab das Deutsche lieb. Aber bei uns im Reich, da ist’s ein Elend. Der König, sagen die Leut, wär bloß ein Schatten noch. Die Fürsten reißen ihm den letzten Fetzen aus dem Mantel. Von denen trachtet ein jeder nach dem wärmsten Hosenfleck für seinen eignen Hintern. Jeder ist seines Nachbarn Feind und Neider. Daß man zusammengehört im Reich, das weiß man nimmer. Ein Grausen, wo man hinschaut! Hab mir’s oft schon denken müssen. Und jetzt, derweil ich sechs Wochen im Spittel gelegen bin und es hat der Feldscher so grob geschustert an meinem Hirnkastl, da hat mich allweil gedürstet nach einer Hand, die linder nähen tat.« Nun lachte Malimmes wieder. »Da ist mir die Mutter nimmer aus dem Sinn gefallen. Und jetzt bin ich daheim. Und will meinen lustigen Fried haben ein Zeitl.«
Marimpfel gab dem Bruder einen Puff. »Ein Kerl wie du! Wirst doch kein Sinniervogel sein! Elend im Reich? Was geht denn uns das an? Wie mehrer das Gold, so fester der Sold, wie feiner der Brei, so besser die Treu, wie größer die Ehr, so blanker die Wehr! Die als Kriegsleut anders denken, sind Rindviecher.«
Malimmes lachte. »So bin ich halt eins.«
»Geh, Bruder, sei ein lützel stolzer! Aber ich weiß schon, wo’s fehlt bei dir. Als Stadtknecht bis du gut bei Gold und Brei gewesen, aber mager bei der Ehr. So was wurmt einen festen Kerl, der aufwärts möcht. Tu den Kopf heben! Ich schaff dir einen fürnehmen Herren. Hofmann sein bei guter Farb, das ist allweil das Beste. Da kannst herunterspeien auf die, wo minder sind.«
Die beiden lenkten von der Straße in den Hof des Leuthauses ein. Und wieder hob Malimmes das braune, von dem feurigen Strich durchsägte Gesicht und sah hinauf zu dem höfischen Reiter. »Du!« Er schmunzelte. »Ich hab einmal einen Frosch gesehen. Der ist der stolzeste gewesen unter allen Fröschen. Und weißt, warum? Weil ihn der Ochs getreten hat. Und die andern Frösch, die haben nur den Tritt der Kuh gespürt. Drum sind sie minder gewesen.« Heiter lachend trat Malimmes in den Flur des Leuthauses und machte lustige Späße über Bauch und Doppelkinn des Wirtes, der den Kriegsknecht unterwürfig begrüßte. »Und jetzt trag auf, du Gauner! Bring Wurst und Selchfleisch! Her mit dem besten aus deinem Keller! Nimm die größte von deinen Bitschen! Ich weiß wohl, Saufen ist der Deutschen Spott vor der Welt wie auch vor Gott! Aber wenn mich halt dürsten tut! Was soll ich machen? Ist nit der liebe Gott dran schuld, wenn an siedheißem Sommertag dem Menschen die Leber brandig wird?«
Der heitere Rumor, den Malimmes anhub, brachte gleich das ganze Haus in vergnügten Aufruhr. Die Wirtin kam gezappelt, die zwei jungen Mägde kicherten und sprangen. Und der Knecht, der den Gaul Marimpfels versorgen mußte, trug die Freudenbotschaft in den Stall: »Der lustige Malimmes vom Taubensee ist heimgekommen!«
In der großen Leutstube ließ der Soldknecht seine schwere Last auf eine Tischplatte hinklirren. Marimpfel trat mißmutig zur Tür herein; des Bruders Gleichnis von den Fröschen hatte ihn geärgert, und er schien nicht recht zu wissen, wie er den Heimgekehrten nehmen sollte. Doch als er prüfend den Spieß des Bruders mit der daranhängenden Last zu lupfen versuchte, wandelte sich sein Verdruß in ehrliches Staunen. »Gotts Teufel und Bohnenstroh! Herzbruder! Da hast dich aber schuftig schleppen müssen! Und hast bei solcher Hitz kein Tröpfl Wasser auf deiner Näs!«
Malimmes rückte hinter den Nachbartisch. »Die hurtig schwitzen müssen, sind leichtfertige Leute und Schwächlinge. Wer mannsfest lebt, dem bleibt auch in harter Mühsal das Häutl trocken.«
Für diese Lebensweisheit hatte Marimpfel kein hörendes Ohr. Er musterte neugierig den strotzenden Lederbinkel am Spieß, statzte ihn fest auf die Tischplatte hin und öffnete weit die Augen, ah er dieses leicht zu deutende Geklirr vernahm.
»Gelt«, rief Malimmes lachend, »da drin, da klingelt’s?«
Der Wirt und seine Leute begannen aufzutragen, als wären zwei große Hansen zu Gast gekommen. Malimmes, immer schwatzend, immer lachend, schnitt dem Bruder das Selchfleisch und die Würste in großen Brocken vor und füllte ihm fleißig den zinnernen Becher. Auch der Leutgeb, sein Weib und die zwei jungen Mägde mußten mithalten. Jeder Knecht und Stallbub, der kudernd zur Tür hereinguckte, wurde fröhlich zu dem gastfreien Tisch herangewunken, und jeder Bauer wurde angerufen, der draußen auf der Straße vorüber wollte — mancher schüttelte den Kopf und СКАЧАТЬ