Название: Der Ochsenkrieg
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
isbn:
Schweigen blieb an der Tafel, während Malimmes trank. Von seiner Geschichte, die ihn selber ernst gemacht, war’s wie der Hauch eines Wunders ausgegangen. Sogar Marimpfel schwieg. Aber sein Stolz auf den Herzbruder war im Schwinden. Hatte die Geschichte sich wirklich so zugetragen? Oder verstand sich Malimmes nur so fein aufs Lügen? So oder so — Marimpfel begann auf den Bruder eifersüchtig zu werden, begann es ihm zu neiden, daß diese Grübelnden am Tisch mit großen Augen und offenen Mäulern zu ihm aufstaunten.
Die Zärtliche hatte einen feuchten Schimmer unter den Wimpern und fragte leis: »Hast nimmer gesündiget?«
»Ein lützel schon. Weißt, Maidl, Mensch bleibt Mensch.« Malimmes schmunzelte. »Aber so grauslich wie selbigsmal im Clevischen ist’s niemals nimmer ausgefallen.« Er ließ die Bitsche kreisen. »Und wie sie mich das drittmal hätten hängen mögen, das ist bei Ulm gewesen, vor sieben Jahr. Da hab ich das feindliche Geläger ausspähen müssen. Und da haben sie mich hopp genommen.«
Marimpfel reckte sich. »Wirst es halt dumm gemacht haben!«
»So? Meinst?« Der Bruder blinzelte ihn heiter an. »Mach’s achtzehn Jahr lang mit, und nachher komm und sag mir, wie’s am besten ist.«
Ein Gelächter surrte um den langen Tisch, und Marimpfel tat, als wäre ihm das Mitlachen ein Vergnügen. Da erschien der junge Knecht des Runotter in der Tür und rief dem Gadniscben Hofmann zu: »Mein Bauer ist heimgekommen, jetzt kannst ihm Botschaft sagen.«
Marimpfel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die soll er sich holen! Der! Wo ich sitz, das siehst. Da kannst es ihm sagen. Fahr ab!«
Der Knecht verschwand.
Die am Tische guckten. Und verwundert sah Malimmes den Bruder an, beugte sich zu ihm hin und tuschelte: »Du! Es wird dir doch so ein Tröpfl Wein nit den Kopf verdösen! Hast mir nit gesagt, du hättest eilfertigen Herrendienst? Mensch, tu verständig, was deines Amtes ist!«
»Was meines Amtes ist, das weiß ich schon!« Marimpfel wurde verdrießlich. »Das weiß ein Herrschaftsreiter besser wie du, Herr Baurenfreund! Schau deine lieben Knospen an der Tafel an! Die gluren auf deine Possen —«
»Bruder!«
»Wie Kinder in der Fasnacht auf die Schembarter! Erzähl doch! Erzähl! Wie! hat’s denn gegangen mit dem dritten Strick?«
Auch die Ungeduldigen am Tische riefen: »Erzähl! Erzähl!«
Malimmes sah den Bruder schweigend an. Dann legte er sich mit breiten Ellenbogen über die Tafel.
»Also, die Ulmer haben mich hopp genommen! Und flink hat’s da geheißen: Ans Rappenholz, der Lump muß hängen! Aber der Ulmer Meister vom letzten Hanf ist ein junges Schaf gewesen. Hat gemeint, er verstünd was, und hat seine nötige Kunst traktiert wie der Sautreiber die Nachtigall. Und weil er allweil so dröselt an mir und bringt die Sache nit füreinand, da ist mir die Geduld vergangen. Und ich schlag dem Hammel eine Maulschelle über den Schnabel. Und schrei: ›Du! Richten muß flinke Barmherzigkeit sein. Komm her, du Lapp, ich will dir zeigen, wie man’s macht!‹ Da geht ein lustiges Lachen durch den Leuthaufen, der um uns her gewesen ist. Die Schwaben sind ein verständigs Völkl. Ein Sprüchl sagt: Der Schwab ist froh, und ist er arm, so tanzt er noch mit leerem Darm. Und wie die Leut so lachen, streckt sich ein junges, sauberes Maidl in die Höh und schreit: ›Um den wär schad, den sollt man gnadigen.‹ Und hundert Mannsleut schreien es gleich dem Maidl nach. Und richtig! Die Ulmer haben mich laufen lassen.«
Am langen Tisch erhob sich ein glückseliges Gelächter. Und Malimmes, während er gemütlich mitlachte, sagte zu Marimpfel: »Jetzt nimm mich in die Lehr, Herzbruder! Wärst du auf dem Ulmer Schrägen gestanden, wie hättst es denn du gemacht?«
Was Marimpfel brummte, war bei dem heiteren Rumor der Tafelrunde nicht zu hören. Die blonde Magd hatte ein heißes Gesichtl und lachte: »Für das schwäbische Maidl bet ich heut nacht drei Vaterunser!« Und viele sprangen von den Stühlen und Bänken auf, vergaßen das Selchfleisch und die billige Bitsche, drängten sich um Malimmes her und wollten aus nächster Nähe hören, wie die Geschichte des vierten Strickes ihr glückliches Ende finden würde.
»Das ist in Landshut gewesen, vor dritthalb Jahr«, erzählte Malimmes, »und Landshut, Leut, das ist eine gefährliche Stadt. Da haben einmal die Wolf den Schultheiß auf offenem Markt gefressen. Die Landshuter haben zugeguckt aus ihren Fenstern. Und wie der Ärmste gefressen war, hat ein barmherziges Kindl gesagt: ›Der Schultheiß ist mager gewesen, die lieben Wolf lein müssen noch Hunger haben.‹ Im selbigen Landshut, in so einer gefährlichen Stadt, hätt ich schier mein Leben lassen müssen. Da haben wir Nüremberger, nit weit von Regensburg, einem Ritter die Burg gebrochen. Der ist mit dem Landshuter Herzog Heinrich im Bund gewesen. Auf dem Heimweg hab ich mit zwölf braven Gnoten die Nachhut gedeckt. Wir kommen zur Donau. Die zwölfe hocken schon im Fährboot. Da sprengt ein Häufl von des Herzogs Reitern auf uns ein. Ich stoß das Fährboot ins Wasser und will nachspringen. Aber weil mein Binkel ein lützel schwer gewesen ist, bin ich zu kurz gesprungen. Das Fährboot rinnt davon, ich platsche ins Wasser hinein, und die Landshuter greifen mich.«
»Jesus!« stammelte die blonde Magd erschrocken. Und das magere Bäuerlein kreischte: »Gänsl, dummes! Ist ihm doch nichts geschehen! Er hockt doch bei uns und lacht.«
»Aber selbigmal ist mir nit zum Lachen gewesen. In meinem Binkel haben sie fünf goldene Becher und viel schönes Geschmeid gefunden. Drum haben sie mich mitgezarrt bis auf Landshut. Zwischen den Nürembergern und des Herzogs Räten hat’s eine endsmäßige Schreiberei um mein Leben abgesetzt. Und derweil sie viel gutes Papier verdorben haben, bin ich zu Landshut vom Juli bis zum Jänner im Turm gehockt. Selbigsmal hab ich min ein bayrisches Mäusl dressiert. Ist mir ein lieber Gesell gewesen bis zum Heiligdreikönigstag, an dem mir die Landshuter den Stab gebrochen haben. Am letzten Morgen hab ich mit dem bayrischen Mäusl noch meine Himmelfahrtswurst geteilt. Dann hat mich der Freimann zum Karren geholt. Die Richtstatt ist ein halbes Stündl weit vor der Stadt gelegen. Und eine schauderhafte Kält ist gewesen. Mir hat’s nit viel gemacht, im Turm gewöhnt sich einer ans Frieren. Aber dem Meister Freimann hat die schieche Kälte auf dem Karren gebeutelt, daß ihm die Zähne gescheppert haben. Und da hab ich lachen müssen. ›Freilich, du kannst lachen‹, sagte der Freimann, ›du hast es gut, du brauchst bei so einer Kält den weiten Weg heut nimmer heimfahren!‹«
Am Tisch ein heiteres Gelächter. Sogar die blonde Magd, obwohl sie zitterte vor barmherziger Sorge, mußte schmunzeln.
»An die tausend Leut sind um das Rappenholz hergestanden. Und auf den Herzog Heinrich hat ein kostbar Zelt mit einem Glutpfändl gewartet, daß der hohe Herr bei der schönen Lustbarkeit nit frieren müßt. Das Glöckl hat geläutet, und der Herzog, ein kleines, braunes, flinkes Manndl, ist dahergeritten mit stolzem Gefolge. ›Also, Freimann‹, sag ich, ›fangen wir an in Gottesnamen, fürnehme Herren därf man nit warten lassen.‹ Der Weg zum Schragen hinauf ist ganz vereist gewesen. Und da tut der Freimann einen Rutsch. ›Du‹, sag ich, ›das bedeutet nichts Gutes, heut wirst noch eine Dummheit machen!‹ Und richtig! Wie der Freimann auf dem Spreißel hockt und kletzelt mir den Hänfenen um das kitzlige Zäpfl, da tut die Leiter jählings auf dem hauen Eis einen Fahrer. СКАЧАТЬ