Die Inseln der Weisheit. Alexander Moszkowski
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Название: Die Inseln der Weisheit

Автор: Alexander Moszkowski

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ System beruht auf der berühmten, von aller Welt gefeierten, aber nur von uns voll begriffenen »Ideenlehre«. Sie gibt uns die Idee als Begriff außerhalb der Erscheinung und, tiefer erfaßt: im Gegensatz zur Erscheinung. Aus dem Zufallsding, das wir Mensch nennen, abstrahieren wir die Idee der Menschigkeit, aus dem Löwen die Leonitas, aus dem Esel die Asinität, aus den Gesetzen die Gesetzigkeit. Unsere Aufgabe war es, den eben erwähnten Gegensatz zu betonen und zu verschärfen; also die Gesetzigkeit so zu gestalten, daß sie sich vom Gesetz möglichst loslöst, und die Gerechtigkeit so, daß sie dem konkreten Recht widerspricht. Gelingt dies, so nähern wir uns dem Platonischen Staatssystem, welches verordnet, daß nur Philosophen, das sind Menschen, welche jene Ideenlehre begriffen haben, die Herrschaft ausüben dürfen.

      Darin erschöpft sich aber ihre Sendung noch nicht. Sie haben vielmehr dafür zu sorgen, daß die Philosophie im Allgemeinen und ihre Philosophie im Besonderen alle Schichten des Volkes durchdringt. Es gibt ein lateinisches Sprichwort »primum vivere, deinde philosophari« – erst muß man leben, nachher philosophieren. Da wir das Prinzip des Kontrastes befolgen, so erklären wir dieses Wort für einen Unsinn und verordnen: zuerst philosophieren, dann erst leben! Der überaus glückliche Zustand, in dem sich unser Eiland befindet, beweist deutlich genug, daß wir mit dieser Umkehrung das Rechte getroffen haben.

      Schon heute, beim Feste, darf ich es ankündigen, daß wir demnächst über das erreichte sehr erhebliche Maß hinaus neue Lehrkurse einrichten werden. So für Bartscheergehilfen einen Kursus über die philosophische Methode des Parmenides und für Rollkutscher eine propädeutische Einführung in die Plato-Sokratische Ethik.

      Einige obere Verwaltungsstellen sollen neu besetzt werden. Wo viel Licht, da darf es uns nicht Wunder nehmen, daß wir auch etliche Schatten bemerken. Es sind uns einige Klagen zu Ohren gekommen darüber, daß unser Postdienst nicht ganz exakt funktioniert, und daß beispielsweise im vorigen Monat achtzig Prozent aller ausgelieferten Briefe spurlos verschwunden sind. Um auch in dieser Hinsicht die größtmöglichste Vollendung zu gewinnen, wird das Postressort demnächst großzügig erweitert und einem Fachminister für Transzendental-Aesthetik anvertraut werden.

      Betreffs der Volksmoral herrscht bei uns nur eine Stimme – wenn ich das Häuflein der anarchistischen Plato-Gegner ausnehme, die wir zerschmettern, wo sie uns entgegentreten. Die Kriminalität ist, statistisch genommen, fast auf den Nullpunkt gesunken, seitdem unsere Gerichte gelernt haben, den Plato-Sokratischen Grundsatz richtig anzuwenden: »Unrecht leiden ist besser als Unrecht tun.« Hier kam alles auf Konsequenz an, und zu unserer Ehre sei es gesagt, die Tribunale dieser Insel arbeiten konsequent, indem sie das Unrecht leiden. Als äußerst vorteilhaft für die Gesamt-Sittlichkeit hat es sich auch erwiesen, daß wir die Verherrlichung der Knabenliebe aus Platos Symposion und Phädros in unser Staatswesen übernommen haben. Diese zwei Elemente, die Päderastie einerseits und die Verlosung des Jungfernschaftsbeischlafs andererseits, diese zwei echtplatonischen Elemente, sagte ich, haben sich bei uns zur allgemeinen Befriedigung als eine Segensquelle erwiesen, um die uns die ganze Außenwelt beneiden wird, wenn erst einmal die Ausländer ungetrübten Einblick in unsere Zustände erhalten.

      Hierzu ist nun ein erster Anfang gemacht, und ich entledige mich einer angenehmen Pflicht, wenn ich hier als Festredner die ersten Fremdlinge begrüße. Sie weilen heut unter uns als Entdecker des Eilands, das für sie eine »ultima Thule« darstellt, um mit Vergil zu reden, der zwar als Dichter ein nichtsnutziges Subjekt war, aber mit dieser Bezeichnung ein auch für anständige Prosa brauchbares Wort geschaffen hat. Ich hoffe, daß die fremden Gäste, für deren gastfreie Aufnahme unsere Stadtverwaltung gesorgt hat, bedeutende Eindrücke davontragen werden, zum späteren Heil der Länder, denen sie entstammen. Sie werden erzählen, daß sie hier eine Verfassung angetroffen haben, die innerlich gefestigt sich seit Urzeit vollkommen bewährt; im Gegensatz zu den Verfassungen ihrer Länder, die von Pfuscherhänden geformt, fortdauernder Quacksalberei unterliegen. Jetzt zum ersten Mal werden sie erkennen, woher es rührt, daß bei ihnen zu Haus keine Stetigkeit waltet, und alles in endlosen Experimenten drunter und drüber geht. Es rächt sich an ihnen fortgesetzt und bitter, daß kein Philosoph mit tiefdurchdachtem System bei ihren Staatsorganismen Pate gestanden hat. Vielleicht ist es auch für jene Kontinente schon zu spät, um sich zu unserem Ideal zu bekennen, und sie werden in diesem Fall aus der Verelendung nicht mehr herausfinden. Immerhin, wenn sie auch nur einige unserer Platonischen Einrichtungen zu sich überpflanzen, werden sie daraus etliche Öltropfen gewinnen, um ihren verrosteten Staatsmaschinen über die ärgsten Reibungen hinwegzuhelfen.

      Hierauf verkündete der Vizepräsident der Akademie die Verleihung der zum Jubiläum fälligen Staatspreise. Mit Medaillen und Ehrendiplomen wurden unter anderen die Urheber folgender Druckwerke bedacht: »Die Homöomerien des Anaxagoras in ihrer Anwendung auf die Prüfung der Konsistenz des weiblichen Busens.«

      »Warum ist Glaukon, der bei Plato hohnvoll von einer »Schweinerepublik« redet, nicht hingerichtet worden?«

      »Wenn Plato fordert, daß der Staatsbeschützer schlechterdings Philosoph sein muß, wenn er andererseits feststellt, er müsse sich benehmen »wie ein tüchtiger Hofhund«, – welche Merkmale ergeben sich hieraus für den Logos, die Dialektik und die Syllogismen der Hofhunde?«

      »Entwurf einer buntillustrierten Kinderfibel mit den Anfangsgründen der Aristotelischen Topik und Metaphysik.«

      Im Anschluß hieran gab der Sprecher bekannt, daß den Anwesenden besonders gute Plätze auf den Straßentribünen zur Verfügung ständen. Der Festzug begänne morgen nachmittag um vier Uhr nach mittelpolynesischer Zeit. Er fügte hinzu: Wie alle unsere Veranstaltungen wird auch dieser Zug vom Geiste der Philosophie durchweht sein, das Wort im Sinne der Fakultät genommen, also mit Einschluß der Physik, Mathematik und Astronomie. Er wird dartun, daß auf diesen Gebieten die hohe Einsicht sich sehr wohl mit einer liebenswürdigen, eleganten, ja sogar heiteren Darstellung verträgt. Dieser Festzug der Wissenschaft soll also zugleich ein Zug der Fröhlichkeit werden. Unsere verehrten Gäste werden hier wiederum Anlaß zu Vergleichen finden. Es ist uns aus den Berichten unserer Emissäre, wie aus bildlichen Darstellungen, die sie mitbrachten, bekannt geworden, daß auch in Europa gewisse Züge mit launigem Anstrich veranstaltet werden, insonderheit zu Zeiten, die sie wegen des Nahrungsmangels Fleischabschied nennen, Carnevale. Derartige karnevalistische Umzüge spielen dort namentlich in Rom eine Rolle, wie auch in einer hierorts fast unbekannten Stadt Colonia-Agrippina, die neuerdings Köln heißt. Es bleibt unverständlich, wieso die Europäer daran Gefallen finden können, da sie ihren Gruppen grundsätzlich ein ganz verfehltes Programm unterlegen: sie glossieren und verspotten darin ihre eigenen politischen und sozialen Zustände, mithin Dinge, die gar nicht karikiert werden können, da sie ja schon an sich und in natura Karikaturen sind. Eine sinnvolle Beziehung ermöglicht sich erst dann, wenn ernste, edle, als gültig anerkannte Themen der Parodie und Travestie untergelegt werden, also wissenschaftliche Dinge, denen wir eine volksmäßig derbe Physiognomie abgewinnen, und die gleichsam vom Genius der Heiterkeit bestrahlt, humoristische Schatten werfen. – Herr Yelluon machte uns darauf aufmerksam, daß wir gar nicht nötig hätten, uns in eine Tribüne einpferchen zu lassen, da wir den Zug weit bequemer von den Fenstern unserer Wohnung aus betrachten könnten, bei der er in voller Ausdehnung vorbeikäme. Das war uns natürlich sehr erwünscht, schon unserer Dame wegen, die auf der freien Tribüne unter den grellen Sonnenstrahlen gelitten hätte.

      Ich beabsichtige keineswegs, den ganzen Verlauf des Zuges reporterhaft zu schildern. Nur einige wenige Einzelheiten seien herausgegriffen.

      Da kam auf einem geschmückten Wagen Demokrit, der lachende Philosoph, umgeben von den Bürgern seiner Vaterstadt, den Abderiten, welche pappene Schafsnasen trugen, während sich die schönen Abderitinnen im Federkleid der Gimpel präsentierten. Hier sollte in einem sinnvollen Auftakt gezeigt werden, wie sich ein echter Philosoph aus den Nöten der menschlichen Torheit in göttlichem Gelächter befreit. Dieser Demokrit (im Zivilberuf Komiker des Staatstheaters von Balëuto) verstand nun in der Tat so anhaltend und dröhnend zu lachen, daß er mit seinen Explosionen die ganze Bevölkerung ansteckte. Und mit dem Krimstecher nahm ich wahr, daß eine der СКАЧАТЬ