Die Inseln der Weisheit. Alexander Moszkowski
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Название: Die Inseln der Weisheit

Автор: Alexander Moszkowski

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ und Verwundeten, ein schönes Zeugnis ablegte für die Zweckmäßigkeit und Kalokagathie eines Gelächters, wie es nur aus den seelischen Gründen eines gereiften Weltweisen entströmen kann.

      Die Hauptfigur eines anderen Wagens war der Philosoph Empedokles aus Agrigent, der sich bekanntlich um die profundesten Tiefen des Seins und Werdens zu erforschen, anno 430 vor Chr. in den glühenden Schlund des Ätna gestürzt hat. Dieser epochale Vorgang wurde auf dem Gefährt durch einen Miniaturvulkan wiedergegeben, in dessen Inneren der Staatspyrotechniker ein sprühendes und seiner Versicherung nach gänzlich unschädliches Feuerwerk (flamma frigida) angebracht hatte. Der große Empedokles sprang also periodisch oben hinein, kroch unten aus einer Klappe wieder hervor und setzte diese erkenntniskritische Übung fort, so lange der Zug währte. Oder wenigstens beinahe so lange. Denn eine Viertelstunde vor Schluß des Festes zog man ihn verkohlt aus dem hübschen, aber, wie sich herausstellte, doch nicht ganz ungefährlichen Ätna. Und die Duplizität der Ereignisse fügte es, daß sich auf einem anderen Wagen, der den Feuertod des Philosophen Giordano Bruno ebenfalls mit flamma frigida versinnbildlichte, eine ähnliche Episode ereignete.

      Sehr lustig ging es dagegen auf einem Aufbau zu, der das Platonische »Gastmahl« in einer lebensechten, dem Texte Platos nachgeformten Gruppe abbildete. Da saßen sie, die pokulierenden Wahrheitsfinder des Altertums, bei denen sich zum ersten Mal die ganze Bedeutung des Wortes offenbarte: in vino veritas. Man konnte es ordentlich verfolgen, wie der Geist der Getränke in den Zechgenossen aufstieg, um in Gasen der Erkenntnis aus ihren beredten Mündern herauszudünsten. Mit parodistischer Freiheit war dafür gesorgt worden, daß bei diesem akademischen Gelage der Sokrates doch noch etwas mehr in sich hineinpumpte, als er nach Platos Erzählung vertrug. Zu den geschichtlich beglaubigten, ungeheuerlichen Quantitäten, die er damals konsumierte, tat er hier noch ein Übriges, so daß er schließlich wie ein besoffenes Schwein unter den Tisch des Agathon fiel; was ihn nicht hinderte, auch noch in diesem Zustande, gleichsam im delirium tremens, fortzuphilosophieren und dem Aristodemus die herrlichsten Offenbarungen über die Unsterblichkeit der Seele entgegenzurülpsen. Der Aristophanische Effekt der fahrenden Gruppe bewährte sich vollkommen, und ich muß sagen, daß mir aus dieser eindringlichen Pantomime die Bedeutung des Symposion klarer geworden ist, als aus der Lektüre des Platonischen Originals.

      Auch der Tanz kam zu seinem Recht, und zwar in Verbindung mit Geometrie und Astrophysik, also in einem weiten Horizonte, der von den Pythagoreern bis in die Neuzeit reichte.

      Auf einer von acht himmelblau lackierten Stuten gezogenen Plattform, die das Universum vorstellte, erblickte man als Zentralkörper die Sonne in Form einer Matrone mit Strahlendiadem. In kurzen Abständen von ihr kreisten die Planeten, nämlich Merkur, Mars, Jupiter bis Neptun als Jünglinge, während Venus, die Erde und die Asteroiden durch entzückend kostümierte, beziehungsweise entkostümierte Mädchen verkörpert wurden. (Der halblaute Zuruf des Doktor Wehner: »Asteroiden mit Krätze« machte mir keinen besonderen Eindruck, da ja die Gestirne überhaupt nach Hegel nichts anderes sind, als ein leuchtender Aussatz am Himmel.) Hier nun vollführten die Planeten um die Sonne Tanzbewegungen, die ganz genau den Keplerschen Gesetzen entsprachen, und es war eine Freude zu sehen, wie streng in den getanzten Ellipsen die Proportionen zwischen den Quadraten der Umlaufszeiten zu den Kuben der Entfernungen herauskamen. Auch hier zeigte sich der Segen der von Plato so dringend empfohlenen mathematischen Disziplin: als der Knabe Merkur einmal einen kleinen Verstoß gegen Kepler beging, erhob sich die Sonne vom Thron und gab ihm eine zentrifugale Ohrfeige, so daß der irrende Stern aus dem Universum hinaus aufs Straßenpflaster flog.

* * *

      Nachdem wir unsere Studien auf der Insel abgeschlossen hatten, erklärten wir unserem freundlichen Herbergsvater, daß wir nunmehr unsere Entdeckungsreise nach weiteren Gebieten auszudehnen wünschten. Er versuchte auf alle erdenkliche Weise, uns noch zurückzuhalten und machte sich anheischig, den Herren für nächste Woche eine Beteiligung an der bevorstehenden Jungfern-Lotterie zu verschaffen. Der Kapitän Ralph Kreyher schien auch wirklich schwankend zu werden, allein er wurde überstimmt, und wir schickten uns an, mit Dankesworten Abschied zu nehmen.

      Wider Erwarten präsentierte uns der Wirt eine Rechnung. Wieso? Wir hatten doch gehört, daß wir uns als Gäste der Stadt zu betrachten hatten? Ja, das stimmte schon, allein der vom Stadtkämmerer ausgestellte Freischein mußte verstempelt werden, und dieser Stempel ging zu unseren Lasten; die Gebühr betrug mehr, als der Aufenthalt im ersten Gasthof gekostet hätte. Ad 2 wurde die Fenstermiete für die Besichtigung des Festzugs aufgeschrieben. Denn – so erläuterte jener – die städtische Gastlichkeit erstrecke sich zwar auf Obdach und Verpflegung, aber nicht auf Dinge außerhalb der Wohnung; und nach Plato wäre zu unterscheiden zwischen der Idee des Fensters an sich und der Idee des Fensters als optischen Hilfsmittels. Ad 3 fiel nach einer Magistratssatzung der Kaffee nicht unter den Begriff der Beköstigung. Wie ja auch bei Plato die eingeladenen Gäste sehr viel vorzügliche Tafelgenüsse, aber niemals Kaffee empfangen haben. Dieser wurde daher besonders notiert und zwar pro Tasse mit vier Dollars, was nach dem damaligen Weltkurse etwa 940 Mark ausmachte. Nur das Bewußtsein, daß mich diese Rechnungsbegleichung nichts anging, sondern auf das Mac Lintocksche Expeditionskonto entfiel, bewahrte mich vor dem Schicksal, bei diesem Abschied von unserem gütigen Amphitryon aus der Haut fahren zu müssen.

* * *

      Während auf der Atalanta die Vorbereitungen zur Abfahrt getroffen wurden, versammelten wir uns zu Vieren im Schiffssalon, um das Fazit unserer Erfahrungen zu ziehen.

      – Es läßt sich nicht bestreiten, so begann ich, daß diese platonische Insel wert war, von uns entdeckt zu werden, wiewohl die Gesamtheit der Eindrücke keineswegs als erbaulich anzusprechen ist. Hüten wir uns zunächst vor der Einseitigkeit des Urteils, das so gern an das Neue und Andersartige die Elle des Gewohnten anlegt. Kein Zweifel, die Bewohner von Balëuto fühlen sich in überwiegender Mehrheit glücklich.

      – Und da sie sich glücklich fühlen, ergänzte Eva, so haben sie auch ein Recht darauf, es zu sein; und das Recht, die Bedingungen ihres Glückes als die allein gültigen zu betrachten.

      Donath: Von diesem Recht machen sie auch Gebrauch. Ich hörte im Vorbeigehen zwei Insulaner mit einander reden und entnahm ihrem Gespräch den Satz: »Am Balëut›schen Wesen wird die Welt einst genesen.«

      Der Arzt: Erstaunlich bleibt es dabei, daß diese Leute von einem System ausgehen, das man doch beim besten Willen nur als total verrückt, als die Ausgeburt einer Hirnverbranntheit bezeichnen kann.

      Ich: Somit stehen wir vor der Aufgabe, ergründen zu müssen, wieso sich der Weltruhm des Platon mit der Tatsache verträgt, daß wir ihn als einen Verrückten und Hirnverbrannten erkennen.

      Donath: Ich glaube, wir können uns die Aufgabe erleichtern, wenn wir von der Annahme ausgehen, daß neun Zehntel aller Philosophie überhaupt blanken Blödsinn darstellt…

      Eva: Schopenhauer ausgenommen, möchte ich mir doch ausbitten.

      Donath: Gerade mit Ihrem Schopenhauer würde ich mich darüber gut verständigen. Denn da dieser nur eine Philosophie anerkennt, nämlich die seine, und nicht Schmähworte genug findet für den größten Teil der übrigen, da ferner Schopenhauer auf Kant fußt, Kant auf Plato, so möchte ich eigentlich wissen, was noch von der Philosophie übrigbleibt, wenn wir von ihr alles Unsinnige abziehen.

      Eva: Wenn man nur wüßte, an welche Instanz man sich zu halten hat, um zwischen Sinn und Unsinn zu unterscheiden.

      Donath: Natürlich an den gesunden Menschenverstand!

      Ich: Aber der ist ja auch schon in Mißkredit geraten, und besonders die neuen, auf dem Grenzgebiet zwischen Philosophie und Naturkunde arbeitenden Forscher haben ihn uns als einen höchst unzuverlässigen, nur von seinen Vorurteilen lebenden Gesellen enthüllt. Wir kommen aus diesem fehlerhaften Zirkel niemals heraus. Wir verlassen uns zur Wahrheitsprüfung auf unser Gehirn, weil es СКАЧАТЬ