Die Inseln der Weisheit. Alexander Moszkowski
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Название: Die Inseln der Weisheit

Автор: Alexander Moszkowski

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ zu einem formellen Besuche:

      »Ich begrüße Sie, Herrschaften, nicht nur mit der leeren Höflichkeit, die man Gästen im Allgemeinen schuldet, sondern mit jenem Eudämonismus, der von der Schule Platons ausgehend vornehmlich durch dessen Zeitgenossen Aristipp aus Cyrene seine deutlichste Prägung erhalten hat. Dieser Eudämonismus, – man könnte ihn auch, wiewohl philologisch nicht ganz genau, als Hedonismus ansprechen, – also das Gefühl und die Lehre von der Glückseligkeit, ist in mir lebendig, wenn ich den Wunsch äußere, es möge Ihnen in diesem Staate und in meinem Hause wohlgefallen. Wir werden es an nichts fehlen lassen, um Sie zu befriedigen, und ich bin um so sicherer, daß uns dies gelingen wird, als Sie selbst nach dem ersten Eindruck zu schließen, durchaus befähigt erscheinen, die von uns gebotene Verwirklichung der platonischen Ideen voll zu würdigen. In diesem Sinne heiße ich Sie willkommen.«

      Wir sahen uns einigermaßen verblüfft an, dann erlaubte ich mir, da die anderen schwiegen, das Wort zu nehmen.

      »Empfangen Sie, Herr Yelluon, unseren Dank, zugleich mit dem Ausdruck der Bewunderung für die überraschend schöne Diktion, die Ihnen zu Gebote steht. Sie erweckt in uns die Empfindung, daß wir hier tatsächlich in ein Land erhöhter Bildung gekommen sind. Die Platonischen Begriffe, die hier nach Ihren Andeutungen eine so große Rolle spielen, sind uns nicht ganz fremd, und wir freuen uns im Voraus auf die Erscheinungsformen der »Kalokagathia«, denen wir hier begegnen werden, das Wort im weitesten Sinne genommen, nach seinen Grundbestandteilen »Kalos«, schön, »agathos«, gut, also eine Einheit von Schönheit, Wahrheit und sittlicher Trefflichkeit. Hiervon abgesehen liegt uns aber auch daran, mit Ihnen als unserem Hauswirt einige sachliche Dinge zu erörtern, die uns Fremdlinge nach einer so langen Reise notwendig beschäftigen müssen.«

      »Diese Notwendigkeiten sollen sofort erledigt werden,« entgegnete der Wirt. »Ich habe deshalb gleich die sieben Meldezettel mitgebracht, und bitte Sie um vorschriftsmäßige Ausfüllung.«

      Wir begannen zu schreiben, gerieten indes alsbald an eine Schwierigkeit. »Sagen Sie, bitte, wie ist das zu verstehen? Auf diesen Meldezetteln befindet sich neben Geburtsort, Stand und Staatsangehörigkeit auch eine fragende Rubrik: »Philosophie«?«

      »Hier haben Sie einzutragen, Person für Person, welcher philosophischen Richtung Sie besonders huldigen, mit kurzer Angabe der erkenntnistheoretischen Gründe.«

      Als wir zögerten, ergänzte Jener: »Diese Verordnung besteht hier schon lange und ist neuerdings durch unser Ministerium für philosophische Angelegenheiten in Erinnerung gebracht worden. Wir verfahren dabei durchaus nicht engherzig, da den privaten Neigungen des Einzelnen jeder Spielraum gewährt wird, denn wir setzen voraus, daß bei Jedem ein platonisches Grundbewußtsein vorhanden ist. Nichtsdestoweniger wünscht die Behörde möglichst informiert zu werden über die philosophische Partei, der jeder Staatsbürger und jeder Fremdling angehört.«

      – Ich sollte meinen, das wäre Privatsache und ginge die Regierung eigentlich gar nichts an. »Sie sind im Irrtum, mein Herr, dies ist amtlich durchaus nicht belanglos. Meines Wissens werden auch bei Ihnen in Deutschland auf staatlichen Formularen ähnliche Fragen gestellt. Bei Ihnen verlangt man die Erklärung darüber, ob Katholik, Protestant, Jude oder Dissident, was uns wiederum im höchsten Grade gleichgültig erscheint, denn die Konfession ist allerdings Privatsache, nicht aber die Philosophie…«

      – Mir ist der Zweck der Fragestellung immer noch dunkel.

      »Lassen Sie sich das an Beispielen erklären. Gesetzt, wir fänden in unseren Statistiken, daß eine bestimmte Art von Vergehen oder Verbrechen mit besonderer Häufigkeit auf Personen entfällt, die sich etwa zu Spinoza bekennen, so würden wir auf theoretische Maßregeln zu sinnen haben, die dem Spinozismus entgegenwirken. Fänden wir wiederum, daß die pünktlichsten Steuerzahler unter den Anhängern des Cartesius angetroffen werden, so wäre uns das ein Wink in unseren Schulen und Akademien den Descartes zu bevorzugen. Sie dürfen nie aus den Augen verlieren, daß diese Insel durchaus nach dem Prinzip Platos eingerichtet ist, der ausdrücklich alle Staatsmacht den Philosophen zuweist und der kategorisch verlangt, daß das gesamte Getriebe des Gemeinwesens philosophisch reguliert wird.«

      Wir füllten nunmehr die fragliche Rubrik aus. Herr Mac Lintock flüsterte mir zu, er wäre hier in Verlegenheit, da er sich zeitlebens noch nie um Philosophie gekümmert hätte. Ich gab ihm halblaut die Weisung, hinzuschreiben: »Pragmatismus nach William James«, denn diese neuamerikanische Denkform beruhe auf dem common sense, auf der praktischen Nützlichkeit, und stünde als philosophische Lehre sicherlich seiner eigenen kaufmännischen Praxis nahe. Seine Nichte bezeichnete sich auf dem Zettel kurzweg als Schopenhauerianerin; der Kapitän und Donath nannten sich Epikuräer; der Offizier und der Arzt bezeichneten irgendwelche andere berühmte Namen, und ich selbst schrieb kurzerhand, um uns auf alle Fälle gut Wetter zu machen »Plato«; obschon ich überzeugt war und bin, daß man sich überhaupt nicht einem einzelnen Philosophen verschreiben darf, da jeder nur eine Profillinie der Wahrheit darstellt, deren volles Gesicht erst in der Vereinigung aller Philosophien erkennbar wird.

      Da es gerade Vesperzeit war, verfügten wir uns auf die Veranda zum Kaffeetisch, woselbst sich noch ein Schwager unseres Wirtes, Rektor einer Oberschule, angefunden hatte. Die Gattin des Herrn Yelluon ließ sich mit Unwohlsein entschuldigen. Sie lag zu Bett und fühlte sich so angegriffen, daß sie auf ihren sanften Kissen die gewohnten Dialoge des Plato nicht in der griechischen Urschrift, sondern nur in einer erleichternden Übersetzung zu lesen vermochte. Ich schalte ein, daß Balëuto einen Kaffee hervorbringt, gegen den die erlesensten Sorten unserer Kontinente nur als fade Substanzen zur Erzeugung von Spülichtwasser erschienen. Mir war dieser Umstand nicht ganz nebensächlich, denn zu gewissen Tagesstunden neige ich mehr zu einem exquisiten Jausegetränk in Begleitung einer duftigen Zigarette, als zu allen Offenbarungen der Eleaten und der Alexandrinischen Schule. Mit dem Rauchwerk freilich hatten wir nun wieder das Übergewicht. Denn die Insel war arm an Tabak, und auf der Atalanta steckten unerschöpfliche Vorräte Habaneser und Ägyptischer Herkunft. Ich erwähne dies, um einfließen zu lassen, daß wir schon auf Grund dieser Ladung ein vorzügliches Tausch- und Verkehrsmittel in der Hand hatten; obendrein wurde auch der Dollar späterhin als Zahlung angenommen, allerdings zu einem Valutakurs, bei dem sich selbst auf dem Haupte eines Dollarkönigs wie Mac Lintock die Haare sträuben konnten.

      Eine lebhafte Unterhaltung kam in Gang, und der Rektor erzählte uns Wissenswertes aus seiner Schulpraxis. Es wäre zurzeit sehr schwierig, die Aufmerksamkeit der Schüler zusammenzuhalten, da diese mit ihren Erwartungen sich bereits in die bevorstehenden großen Festlichkeiten eingesponnen hätten.

      »Ja, wir haben von dem Fest schon gehört, als wir landeten; was hat es damit für eine Bewandtnis?«

      »Es ist das Hundertjahrjubiläum unserer Platonischen Akademie, aus der alle unsere Regenten und Minister hervorgegangen sind. Damals, bei der Stiftung, wurde auf unsere Stadt der Titel »Über-Athen« geprägt, und diese Bezeichnung ist ihr bis zur Stunde erhalten geblieben. Stünden Perikles und Phidias heut auf und wandelten sie unter uns, so müßten sie bekennen, daß ihr Alt-Athen, einst die Quelle aller Kultur, mit dem unsrigen verglichen das reine Banausendorf gewesen ist. Wie gut haben Sie es getroffen, daß Sie beim ersten Einblick in unseren Archipelagus ein solches Fest erleben! Sie werden natürlich an dem Aktus in der Aula teilnehmen und vom Balkon der Akademie aus den großen Festzug bewundern, bei dem auch die Fröhlichkeit zu ihrem Recht gelangen soll… Ja, wie gesagt, auch unsere Schüler sind bei den Proben beschäftigt und mit solcher Leidenschaft dabei, daß ich einen Teil der lateinischen und griechischen Unterrichtsstunden ausfallen lassen mußte.« »Eine Zwischenfrage, Herr Rektor,« warf Eva ein, »was betreiben Sie eigentlich sonst in diesen Lektionen? Lesen Sie mit ihren Schülern auch die Klassiker?«

      »Selbstverständlich. Ich traktiere besonders den Horaz und den Homer.«

      »Verzeihung, das ist mir nicht ganz verständlich. Ich empfinde hier einen Widerspruch: denn nach Plato dürfen Sie das gar nicht. Plato hat meines Wissens СКАЧАТЬ