Название: Jenny
Автор: Fanny Lewald
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Nichts war leichter, als den jungen reiselustigen Engländer zu einem Ausflug nach dem Continent und zu dem gelegentlichen Besuche seiner Familie zu überreden, die er nur als Knabe gesehen hatte; und der schmeichelhafte Empfang, der ihm von Onkel und Tante wurde, die große Freude, welche Ferdinand, dem die Plane seiner Mutter nicht unbekannt waren, über des Vetters Anwesenheit an den Tag legte, bewogen diesen bald zu einem längeren Verweilen in dem verwandten Hause.
Für Clara begann mit des Vetters Anwesenheit ein neues Leben. Mutter und Bruder überboten sich in tausend Freundlichkeiten gegen sie, man bemühte sich, sie in dem vortheilhaftesten Lichte erscheinen zu lassen, und war jetzt plötzlich bereit, ihren Ansichten und Wünschen zu schmeicheln, weil man sie zu ähnlicher Fügsamkeit zu überreden wünschte. Von Natur weich und hingebend, fühlte Clara sich zum ersten Mal in ihrem Leben wahrhaft glücklich, durch das Wohlwollen, von dem sie sich umgeben sah; und da auch auf sie das Glück seinen verschönenden, belebenden Einfluß zu machen nicht verfehlte, war es nur natürlich, daß William seine Cousine sehr liebenswürdig fand. Er beschäftigte sich angelegentlich mit ihr, und bald begann sich ein zutraulich heiteres Verhältniß zwischen ihnen zu bilden, dessen Entstehen von der ganzen Familie mit Freuden bemerkt wurde.
Da kam an dem Abende, an dem diese Erzählung beginnt, der unglückliche Zufall dazwischen, der Clara für lange Zeit von der Gesellschaft trennte, die Heirathsentwürfe ihrer Mutter für sie zunächst hinausschob, und Eduard in ihre Nähe brachte. Nach dem ersten Aufruhr, den dieses Ereigniß verursacht hatte, fing man im Hornschen Hause bald wieder an, sich den gewöhnlichen Beschäftigungen und Zerstreuungen hinzugeben, und Clara wurde von ihrer Mutter vernachlässigt wie früher, was ihr nach dem kurzen Traume von Glück um so schmerzlicher sein mußte. Fast immer, wenn ihr junger Arzt sie besuchte, fand er sie mit einer Wärterin allein, und seinem geübten Auge konnte es nicht entgehen, daß bei seiner Kranken die Seele empfindlicher noch als der Körper leide. Die Geduld, mit der sie ihre Schmerzen ertrug, die Sanftmuth und Ruhe ihres ganzen Wesens, und ein Zug von stiller Resignation machten ihm die Kranke werth. Er bemühte sich, durch Unterhaltungen mancher Art ihre Aufmerksamkeit zu beleben; er kam, so oft er es konnte, dehnte seine Besuche lange aus, und fand den schönsten Lohn dafür in der dankbaren Freude, mit der das junge Mädchen ihn begrüßte; in dem Genuß, den er selbst bald dabei zu empfinden begann.
Oft, wenn er sie am Morgen in möglichst gutem Wohlsein verlassen hatte, war sie Abends in einem aufgeregten, beunruhigenden Zustande, für den in ihrem körperlichen Befinden kein Grund vorhanden war, und den er mit Recht unangenehmen Gemüthsbewegungen zuschreiben mußte. So fand er sie denn auch eines Abends, weinend und so bewegt, daß sie kaum seine Fragen zu beantworten vermochte. Ein heftiger Streit der Eltern, veranlaßt durch Ferdinand’s Verschwendung und seine ungeregelte Lebensart, war unglücklicherweise in dem Krankenzimmer ausgebrochen. Der Vater hatte sich mißbilligend darüber geäußert, daß Ferdinand jetzt fast niemals mehr bei Tisch erscheine, daß er seine Zeit in leichtsinniger Gesellschaft verbringe, daß er durch die unverzeihliche Schwäche der Mutter in all diesen Fehlern bestärkt werde, die er als Vater nicht länger dulden wolle. Gereizt durch den doppelten Tadel, der sie und ihren Liebling traf, hatte die Commerzienräthin heftig erwiedert, sie könne eine Lebensweise an ihrem Sohne nicht so strafbar finden, zu der des Vaters früheres Betragen ihm das Beispiel gegeben und die sie Jahre lang an ihrem Manne habe erdulden müssen. Trotz Clara’s dringenden Bitten, trotz ihrer flehentlichen Worte, sie nicht zum Zeugen dieser entsetzlichen Scene zu machen, war sie dennoch fortgesetzt worden, bis die Mutter in höchster Entrüstung das Zimmer verließ, und der Vater allein bei ihr zurückblieb, sich vor der Tochter bitter über das Loos beklagend, das ihm an der Seite ihrer Mutter geworden sei.
Bald darauf war Eduard eingetreten. Clara war allein. Die Krankenwärterin saß in der geöffneten Nebenstube schläfrig strickend bei der Lampe, deren Schein durch einen grünen Ueberwurf gemildert war. Alles war still in dem Zimmer, und Eduard hörte um so deutlicher an den unruhigen Athemzügen der Leidenden, daß sie eben erst zu weinen aufgehört hatte. Freundlich fragte er sie nach ihrem Befinden, er wollte ihre Hand ergreifen, um sich durch den Pulsschlag selbst davon zu überzeugen, aber sie zog die Hand rasch fort, und sagte: »Ach! das beweist heute nichts; ich leide freilich, aber Sie können mir nicht helfen, lieber Doctor!« und dabei brach sie auf’s Neue in heiße Thränen aus.
Der Doctor beschied sich und versuchte sie um ihr körperliches Uebel zu befragen, sie war aber so aufgeregt, daß sie, ihre sonstige Zurückhaltung gänzlich vergessend, ihn mit den Worten unterbrach: Täuschen Sie sich nicht, Herr Doctor! ich will Sie auch nicht länger damit hintergehen — die äußere Wunde kann nicht heilen, ich kann nicht genesen, so lange meine Seele auf das Grausamste zerrissen wird. Ich wollte oft, ich brauchte nicht zu leben!
Und denken Sie nicht an Ihre Eltern? Wissen Sie nicht, daß auch für das Leiden der Seele oft wunderkräftiger Balsam in der Zukunft liegt? fragte Eduard. Gerade ein Gemüth, wie das Ihre, muß im Leben Freuden finden, weil es geschaffen ist, Freude zu bereiten durch sein bloßes Sein.
Ich habe Niemandem Freude gemacht, ich habe immer allein gestanden unter den Meinen, von Kindheit an; und ohne meines Vaters Liebe wüßte ich kaum, daß ich eine Heimath habe, entgegnete sie ihm schnell. Meinen Tod würde man bald vergessen, und er würde vielleicht ein Glück, er würde zu einem Versöhnungsmittel werden. Sie sagen, ich hätte ein weiches Gemüth; beklagen Sie dann mein Schicksal, das mich in die kälteste Atmosphäre versetzte, in der ich täglich tausendfachen Tod erleide!
Erschöpft lehnte sie sich bei diesen Worten in die Kissen zurück. Der höchste Punkt der Aufregung war vorüber, sie weinte schweigend eine Weile fort, der Doctor ließ sie gewähren, weil er diese Thränen als das beste СКАЧАТЬ