Название: Jenny
Автор: Fanny Lewald
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Da er den ganzen Tag beschäftigt und Abends häufig im Hornschen Hause war, anderer Einladungen nicht zu gedenken, an denen es dem beliebten Arzte nicht fehlte, mußte er natürlich in seinem elterlichen Hause seltener werden, obgleich er das Mittagsmahl regelmäßig mit den Seinen einnahm, und oft ängstlich nach Muße strebte, um sie den Eltern zu widmen. Die nächste Folge davon war, daß Jenny aus Mißmuth, wie sie sagte, sich an Joseph zu gewöhnen begann, und Zutrauen zu ihm faßte. Denn Reinhard hielt sich in scheuer Entfernung, er mißtraute sich und der Geliebten. Eduard war, um Jenny’s Worte zu brauchen, der Fahne untreu geworden, und auf dem Punkte, zu desertiren. Erlau malte die Giovanolla und folgte ihr von früh bis spät. Steinheim endlich hatte zum zehnten Male eine jener literarischen Arbeiten vorgenommen, deren er immer ein halb Dutzend unter den Händen hatte, die ihn ein paar Wochen lang beschäftigten und ihm unsterblichen Ruhm verschaffen sollten, die aber niemals fertig wurden, weil er weder Ruhe noch Fleiß genug dazu besaß, und somit war die Meiersche Familie jetzt mehr allein, als es sonst der Fall zu sein pflegte.
Dieser Zustand wurde der lebhaften Jenny unerträglich. Gepeinigt durch Reinhard’s Benehmen, das sie sich nicht zu deuten vermochte, gelangweilt durch die ungewohnte Einsamkeit und Stille des Hauses, tauchte einst plötzlich in ihr der Entschluß auf, Reinhard’s Zweifeln, die ihrer Meinung nach nur aus dem verschiedenen Glauben entspringen konnten, ein Ende zu machen, und zugleich dem Geliebten einen überzeugenden Beweis ihrer Liebe zu geben, indem sie sich von der Religion ihrer Väter, ihrer Eltern trennte und zum Christenthum überträte, dessen Lehren ihr durch Reinhard lieb geworden waren.
Dieser Vorsatz, einmal gefaßt, kam ihr nicht mehr aus dem Sinn. Therese, der sie ihn zuerst als das tiefste Geheimniß mittheilte, ohne jedoch die wahren Motive anzugeben, zerfloß in Thränen der Freude bei dem Gedanken, daß ihr Jenny künftig auch durch den gleichen Glauben angehören wolle. Sie malte mit rührender Inbrunst den Segen, der Jenny in dem Besuch der Kirche, in dem Genusse des heiligen Abendmahls zu Theil werden müsse; sie schilderte ihr die Ruhe, den Himmelsfrieden, den sie nach demselben empfunden, und Jenny, deren ganze Seele gerade jetzt in der furchtbarsten Unruhe befangen war, fühlte sich dadurch in ihrer Ansicht bestärkt, und fing an, auch die Eltern allmälig auf ihre Wünsche vorzubereiten. Diese nahmen es anfänglich leicht. Sie hielten es für eine jener enthusiastischen Aufwallungen, die sie an ihrer Tochter gewohnt waren, und mit denen sie sich ebenso gut für das Christenthum und einen allgemeinen Kreuzzug, als für das Judenthum und die Begründung eines neuen jüdischen Reiches begeistern konnte. Nur Joseph faßte es anders auf. Er kannte die geheimen Triebfedern, die hier im Spiele waren, und ein doppeltes Interesse flößte ihm den Wunsch ein, die Ausführung oder das Ausbilden dieses Gedankens bei Jenny zu verhindern.
Eines Tages, als man vom Mittagstische aufgestanden war, Eduard sich entfernt, und die Eltern eine kleine Spazierfahrt unternommen hatten, die Jenny mitzumachen abgelehnt, blieb sie mit Joseph allein in dem Eßzimmer zurück und das Gespräch wandte sich bald auf das Christenthum und Jenny’s beabsichtigten Uebertritt, da Joseph sowohl als Jenny gleich lebhaft bei dem Thema betheiligt waren.
Was ist es denn eigentlich, fragte Joseph, was Dich so urplötzlich zu dem Entschlusse gebracht hat?
Urplötzlich kannst Du ihn nicht nennen, antwortete sie. Ich habe bis jetzt überhaupt nicht über mich selbst nachgedacht; ich habe wie ein Kind in den Tag hineingelebt. Nun ich älter werde und ernster über mich nachdenke, fühle ich, daß die Halbheit, in der ich erzogen bin, mich nicht befriedigt, daß ich nicht glücklich bin, und ich will das ändern.
Joseph lächelte unwillkürlich. Und Du hoffst, das Christenthum werde Dich glücklicher machen? Täusche Dich doch nicht! Der Glaube, der Friede, der nicht in uns ist, den bringt kein Wechsel der Religion in unser Herz, den kann Dir weder Christus noch Moses geben.
Das kannst Du nicht wissen, weil Du selbst nicht Christ bist! erwiderte sie.
Und woher weißt Du es denn?
Durch Therese, durch Reinhard. O! wenn Du wüßtest, wie selig Therese nach dem Genusse des Abendmahls war, wie fest Reinhard daran glaubt, daß selbst Leiden, die Gott uns auferlegt, zu unserm Heile dienen, wie sicher er darauf rechnet, nach dem Tode mit seinen geliebten Verstorbenen wieder vereinigt zu werden! Joseph, glaube mir, mit der Ueberzeugung muß man glücklich sein!
Joseph schwieg eine Weile, denn Jenny’s Worte, aus denen ihre angeborne Lebhaftigkeit mit der Liebe für Reinhard zugleich hervortönte, machten einen schmerzlichen Eindruck auf ihn. Er beneidete Reinhard, daß er Jenny’s Liebe gewonnen, und war einen Augenblick nahe daran, ganz von dieser Unterhaltung abzubrechen und mit keinem Zweifel ein Herz zu beunruhigen, das für ihn, wie er fühlte, hoffnungslos verloren sei. Indeß war Jenny ihm zu theuer, als daß er sie ohne Besorgniß auf einem Pfade sehen konnte, dessen Ziel ihm für ihre Ruhe durchaus gefährlich schien, und er hielt es für recht und nöthig, bei einem so wichtigen Schritte, an dessen Ausführung er, wie er die Verhältnisse kannte, nicht mehr zweifelte, die Stimme der Warnung ernstlich geltend zu machen.
Verkenne mich nicht, sagte er, wenn ich an die Möglichkeit Deiner ernstlichen Bekehrung zweifle. Du sagst mir, mit Theresens und Reinhard’s Ueberzeugung müsse man glücklich sein. Hast Du diese Ueberzeugung?
Nein, antwortete Jenny.
Aber Du glaubst auch, daß Gott über uns lebt, daß er unser Schicksal lenkt, daß uns nichts begegnen könne, ohne seinen Willen, daß er allweise und allgütig ist, daß er uns liebt?
Gewiß, das glaube ich.
Du glaubst, daß wir eine unsterbliche Seele haben? denn das scheint eine von den Ueberzeugungen zu sein, die Du am tröstlichsten findest.
Joseph, fiel Jenny rasch ein, sieh! wenn ich an die Unsterblichkeit der Seele zu glauben vermöchte, wenn mir das bewiesen werden könnte, so daß ich es einsehen, es begreifen könnte, dann wäre ich schon glücklich. Es ist so furchtbar, Dasjenige auf das bloße Wort eines Andern glauben zu müssen, was uns zur unwandelbaren, felsenfesten Ueberzeugung werden muß, wenn wir nicht beständig in Todesangst erzittern sollen bei dem Gedanken, daß einer unserer Lieben uns entrissen werden könne. Aber bewiesen muß es mir werden, daß ich es erfassen kann mit der Vernunft. Daß Ihr mir sagt: Glaube, wir sind unsterblich, das genügt mir nicht, das vermag ich nicht.
Du vermagst nicht zu glauben, und willst Christin werden? zu einer Religion übertreten, die, ganz auf Offenbarungen fußend, voll von Mysterien, nur durch den Glauben besteht, in Allem, was nicht Moral oder Philosophie ist? Was ist Dir der Sohn Gottes, der Mensch gewordene Gott ohne den Glauben? Wie kann Dich die Anwesenheit Christi im Abendmahle erheben, wenn Du nicht zu glauben vermagst? Oder meinst Du, man könne Dir die Gegenwart Christi im Sakramente beweisen? es gäbe eine Erklärung für die Kindschaft Jesu? Kannst Du den heiligen Geist, die Dreieinigkeit begreifen? Man wird Dir ein Bild dafür geben, aber wer gibt Dir die Fähigkeit zu glauben, dieses Bild sei Wahrheit?
O Gott! nicht weiter, rief Jenny weinend aus, nicht weiter, Joseph! mache mich nicht haltlos.
Doch! mein Kind! denn wie mein Kind, oder wie eine Schwester liebe ich Dich, СКАЧАТЬ