Als Mariner im Krieg. Joachim Ringelnatz
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Название: Als Mariner im Krieg

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Wolken bildeten eine Laokoon-Gruppe. — »Sieh mal, Jessen, diese Kerls mit Riesenschlangen. Und gestern der große Regenbogen am Himmel wie ein Tor. Kannst du dir vorstellen, daß durch dieses Tor die Kriegsgefallenen ziehen nach dem Kometen oder nach dem Monde?«

      »Nee.« Jessen grinste.

      »Jessen, siehst du gar nicht, wie verschieden und immer schön die Meereslandschaften sind, die uns stündlich umgeben? Oder die Möwen, die so vornehm fremd kreisen, sich plötzlich mit stillen Flügeln vom Winde weit abtragen lassen oder bis dicht über die Wasserfläche abstürzen; um, im letzten Moment schon wieder aufflatternd, einen Bissen aus den Wellen zu erhaschen? Diese Möwen, die, auf dem Wasser schaukelnd, von der Sonne beleuchtet, wie Lichter strahlen?«

      »Das ist sehr schön«, sagte Jessen und griff nach dem Wasserschlauch, »aber ein Schnaps wäre mir jetzt lieber.«

      »Mir auch«, gestand ich.

      Der Dienstmannmatrose riet mir, doch einmal etwas auf Weddigen zu dichten, und als ich nach kurzer Zeit aufsagte:

      Hört, was ich Frohes singe:

      Juchhei!

      Der Kapitänleutnant Weddigen

      Schien gar nicht mehr zu sättigen,

      Sprach: Aller guten Dinge

      Sind drei.

      Da gewann ich sehr an Respekt und mußte das allen aufschreiben.

      Im Kettenbunker, wo auch der eiserne Bestand an Proviant lag, war eine Ratte beobachtet worden. Wir pumpten den ganzen Raum voll Wasser, und da mußte das arme Vieh schließlich heraus und wurde unter wildem Gejohle jämmerlich erschlagen.

      Die Löhnung war ausbezahlt worden. Der lustige Heizer Tünnes zeterte laut, weil er das Geld hier auf See nicht an den Mann bringen könnte. Auf Befehl wurde eine Kollekte zugunsten des Roten Kreuzes veranstaltet.

      Auf dem Lokus wurde ich, als ich Hindenburgs neueste Siege las, hinterrücks von einer Woge besiegt. Zum Abendessen blieben die versprochenen Kartoffelpuffer aus, weil das Wasser einen halben Meter hoch in der Küche stand und zweimal das Feuer ausgelöscht hatte. Die Lotsenflagge war in der Takelage verwickelt. Eichmüller kletterte empor. Das Stag brach. Eichmüller stürzte herab, blieb aber unverletzt. Er kletterte nun auf die Brüstung des Signalstandes. Das Schiff legte sich über. Eichmüller wäre in die Binsen gegangen, wenn ich ihn nicht noch glücklich aufgefangen hätte. Ich rief dem Signalgast zu, er sollte am Mast hochklettern, aber er weigerte sich feig. Da enterte ich selbst hoch und klarierte die Flagge. Der Steuermann hatte den Vorfall bemerkt und schalt auf den Signalgast: »Wie können Sie sich weigern! Wissen Sie nicht, wie Achtungsverletzung im Kriege bestraft wird? Und schämen Sie sich nicht, als Seemann so bange zu sein, daß ein alter Bootsmaat Ihnen was vormachen muß?«

      Ich hatte ein früher einmal von mir verfaßtes Novellenbuch besorgt und es dem Kommandanten geschenkt. Nun ärgerte ich mich, weil ich das aus Eitelkeit getan hatte.

      Das nächste Mal an Land begegnete ich unserem Heizer Tünnes und dem Koch. Letzterer war im Unterhemd, das Oberhemd hatte er verkauft. Die beiden sangen mitten auf der belebten Straße laut und betrunken »Der Papst lebt herrlich in der Welt«. Sie grüßten aber militärisch korrekt, und als ich ihnen zulächelte, kam Tünnes auf mich zu und verehrte mir seinen rheinisch-blonden Voll- und Schnurrbart, den er sich soeben hatte abnehmen lassen und eigentlich seiner Braut senden wollte. Ich lud eine Dame in ein Café ein, bekam aber den typisch Wilhelmshavener Korb. »Ich mit einem Kuli?« Als ich mit Wurstpaketen und mit der Nachricht, Antwerpen sei gefallen, wieder an der Nassau-Brücke eintraf, war mein Schiff weg. Vom andern Ufer rief mir jemand zu: »Blexen« sollte außer Dienst stellen und sei deshalb in die Werft eingelaufen. Wir bekämen ein neues Schiff. Neu war immer erfreulich.

      Auf tausend Irrwegen, mit tausend Fragen, über tausend Büros, Beamte und Arbeiter entdeckte ich endlich in einem Mastenwald »Blexen« neben einem großen Seeschlepper »Vulkan«. Diesen Seeschlepper sollten wir übernehmen. Meine Kameraden waren bereits eifrig im Gange, das Inventar und unsere Privatsachen hinüberzubringen. »Vulkans« Zivilbesatzung wurde mit Fragen bestürmt. Wie läuft das Schiff? Leckt es in den Kojen? Habt ihr Wanzen an Bord? Es war ja für uns eine bedeutungsvolle Sache, ein Schiff aufzugeben und ein neues zu beziehen. Wo werde ich schlafen, fragte jeder, und jeder sah sich das Material und die Räumlichkeit für seine Sonderbestimmung an. Hier war natürlich alles besser. Hier waren drei Zylinder in der Maschine. Hier waren eine Kommandobrücke und oben eine Lotsenkajüte und achtern ein großer Salon mit plüschgepolsterten Bänken, das würde unser Unteroffiziersraum werden. Daneben eine bequeme Kabine für den Steuermann, eine Pantry für den Koch, zwei Klosetts, davon eins für Munition und Segeltuch, und für mich eine Lampenkammer. Unter Deck gab es einen Raum für Trossen und schweres Takelwerk; es war sogar ein Rettungsboot vorhanden. Ja, mit diesem Schlepper würden wir getrost um Kap Horn fahren. Jeder von uns fühlte sich in ein Paradies versetzt. Wir Unteroffiziere feierten das nachts in einer Spelunke, um eine gemeinsame Braut herum, Anni, die Vulkangöttin genannt.

      So ideal, wie wir die Platzverteilung uns ausgemalt hatten, kam es nun aber nicht. Es gab Enttäuschungen und Brummen und Murren, obwohl wir eigentlich Ursache hatten, recht dankbar zu sein. Ich kam mit Jessen in eine Kabine, die etwa vier Quadratmeter maß. Er, als Älterer, bekam die richtige Koje; ich schlief auf einer kurzen Plüschbank, und meine darüber hinausragenden Beine mußte ich in eine Art offenen Kasten stecken. Dafür wurde ich durch ein Kommodenfach entschädigt. Wenn ich das Kommodenfach herausziehen wollte, mußte Jessen erst an Deck gehen. Wenn Jessen ins Bett kroch, mußte ich mich ganz platt an die Wand drücken. Beim ersten großen Reinigen gab es beglückende Funde, absichtlich oder versehentlich zurückgelassene Gegenstände in Winkeln und Spinden; Teller, Löffel, ein Kalender, ein Kleiderbügel, ein Kamm. Das war wie im Märchenland. Besonders Flaschen wurden geradezu erregt hervorgezogen, dann unter allgemeiner Spannung berochen. Gilka stand darauf. Und Leinöl war darin. Der Heizer Tünnes trank alle Flaschen ungeprüft aus. Ich hatte das Glück, Rizinus-Öl zu erwischen, damit wollte ich meine Seestiefel weich machen.

      Neben uns, leer, zerschrammt, zerschunden und verbeult, lag unsere »Blexen«. Sie sollte nach einer Emdener Minensuch-Division gehen, aber der Oberleutnant, der sie dorthin bringen sollte, weigerte sich, das gebrechliche Fahrzeug zu übernehmen. Wir hatten Leute unter uns, die schon in Zivil und als Schiffer solche Fahrzeuge wie »Blexen« und »Vulkan« gefahren hatten. So konnten wir ungefähr berechnen, welche Unsummen das Chartern, Indienststellen und Außerdienststellen es den Staat kosten würde und welche Verwirrungen zu Friedensschluß bei Zurückgabe der Boote entstehen mußten. Jessen hatte Geburtstag. Ich weckte verabredetermaßen die Matrosen, und wir brachten ihm, den Wasserschlauch in der Hand, eine Ovation.

      Noch ein letztes Mal sahen wir »Blexen«, von fremden Matrosen hinausbugsiert. Ich stellte traurige Betrachtungen an, und dabei ward mir etwas anderes klar, nämlich, daß sich alle Schiffe und alle echten Seeleute entzaubern, bevor sie in ihren Hafen zurückkehren.

      Der Obermaschinistenmaat war an Land gegangen, um sich von der »Vulkan«-Braut zu verabschieden. Außerdem besorgte er unsere Post. Für mich war eine Bierkarte mit Unterschrift von Max Halbe, und Süßigkeiten vom Pazifisten Quidde dabei, ferner eine neue Pfeife, die ich Apollo benamste.

      »Vulkan« lief aus, lief zirka zwölf Seemeilen. Eine allgemeine Nervosität lag auf uns. Jeder war jemandem böse, ich dem Kommandanten, der mich, als er das merkte, zu einem Schnaps einlud.

      So ging‘s, so geht‘s. Bald waren wir auf dem großen »Vulkan« unzufriedener als auf der kleinen »Blexen«.

      Es schien, als wäre der Kommandant ein anderer geworden. Er aß nicht mehr mit uns gemeinsam, sondern in seinem Salon, hatte sich ein eigenes Klosett reserviert, was uns sehr СКАЧАТЬ