Als Mariner im Krieg. Joachim Ringelnatz
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Название: Als Mariner im Krieg

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ ebenfalls keinen leichten Stand. Manche, an der Spitze der Kommandant, waren jämmerlich seekrank. Als ich außenbords am Bug die Talje aus dem Anker hakte, weichte mich eine salzige See durch und durch ein. Da schmeckte dann mein Pfeifchen doppelt gut. An der jämmerlichen und doch komisch harmlosen, aber nun im Krieg oft wieder gefährlichen Seekrankheit hatte ich nie zu leiden. Aber Herr Kaiser zum Beispiel saß bei schwerer See völlig erledigt und apathisch in seiner Kabine, und keine Macht und keine Gefahr hätte diesen sonst so tüchtigen Seemann und pflichtgetreuen Soldaten dann an Deck bewegen können.

      Gar zu gern hätte ich meine Mandoline oder ein Schachspiel an Bord gehabt. Der Maschinistenobermaat wäre mein Partner gewesen. Vom Kommandanten abgesehen, war er der Gebildetste, das heißt, ich darf ja nicht den Dienstmannmatrosen vergessen, der seine vornehmen und wohlgesetzten Manieren selber nicht unter den Scheffel stellte.

      Wir brachten einen Kutter mit Matrosenartilleristen nach Schillig. Dort ankerten wir nicht, sondern setzten uns einfach auf Schlick. Die Artilleristen sollten während der Ebbe Markbojen setzen. Wir lachten sie ob ihrer Wasserscheu aus. Als wir sie dann nach Wilhelmshaven zurückschleppten, hofften wir ein Stündchen an Land gehen zu dürfen. Wir mußten aber an Bord bleiben und blickten, während wir die vom Salzwasser angegriffenen Gewehre reinigten, schmachtend nach den auf dem Pier lustwandelnden Matrosenbräuten und nach den stolzen Offiziersdamen, die aus Autos stiegen. Das Wetter war diesig, als wir wieder ablegten. Die Bojen waren kaum noch zu erkennen, wir mußten den Kompaß zu Hilfe nehmen. Wir hatten gerade unter Schwierigkeiten am Heck von »Seeadler« festgemacht, als wir angerufen wurden. Wir sollten nachsehen, was da zirka 20 Meter voraus im Wasser triebe und wie ein fremdes Unterseeboot aussähe. Wir warfen die Leine los und dampften neugierig nach jener Stelle, nahmen uns vor, wenn es ein Unterseeboot wäre, dasselbe zu rammen. Ja, da trieb etwas — zwei senkrecht aus dem Wasser ragende Rohre. Periskope eines Unterseebootes? — Verdammt noch mal! — Man durfte sich andererseits nicht blamieren. Volle Kraft voraus! — Hart Backbord! — Halbe Kraft zurück! Stop! (Denn um den Befehl, statt des Wortes »Stop« das deutsche Wort »Halt« zu gebrauchen, kümmerten wir uns höchstens im theoretischen Unterricht.) Und nun fischten wir das treibende Etwas heraus. Es war ein alter Marinemantel, dem das Futter und die Knöpfe abgetrennt waren, und dessen Ärmel infolge irgendwelcher physikalischen Gesetze senkrecht aus dem Wasser gestanden hatten. Wir lachten uns aus und trösteten uns. Die bewegte See bot oftmals solche Täuschungen. Und besser zu viel Vorsicht als zu wenig.

      Bei der Abendmusterung wurde der Tagesbefehl verlesen. Vier Mann der Sperrfahrzeugdivision waren mit drei Tagen Mittelarrest bestraft worden, weil sie über Urlaub geblieben waren, usw. Ein Passus verbot die Veröffentlichung von Soldatenbriefen. »Das gilt besonders unserem Schriftsteller«, sagte der Steuermann, auf mich deutend.

      Nachdem ich eine Zeitlang ergebnislos eine Angel ausgeworfen hatte, spielte ich ausnahmsweise einmal mit den Matrosen Karten, aber so intensiv, daß ich nachts träumte, wir wären auf eine Mine gelaufen und in die Luft geflogen, spielten aber trotzdem immer weiter Karten. Den Gedanken, auf eine Mine zu geraten, malten wir uns auch in wachem Zustand oft aus, er lag ja so nahe wie die Minen selbst. Viel Ruhm war bei unserer Sperrfahrzeugdivision — wie bei all den winzigen Booten, die mit Minen zu tun hatten — nicht zu ernten. Wer in die Luft flog, konnte meistens nichts mehr erzählen, und wer nicht flog, hatte nichts Kriegerisches zu berichten; denn mit dem Feinde ins Gefecht zu kommen, war nicht unsere Aufgabe, im Gegenteil, wir hätten dabei sehr schnell sehr schlecht abgeschnitten.

      Der Signalgast schenkte mir eine neuste Zeitung. »Oh! was wird nicht alles zusammengelogen«, hatte er oder ein anderer darauf geschrieben. Dieser Signalgast war ein Drückeberger, aber ein flinker, geschmeidiger, Bursche. Ein »Schlenkpäkchen«, nannten wir solche Leute, die in allem eine gewisse Gerissenheit hatten und sich, obwohl nachlässig, doch mit einem scharmanten Schmiß kleideten. Dieser Signalgast trug seinen Mützendeckel schief, hatte ein schräges Gesicht und schöne Tätowierungen. Er war mir sympathischer, als ich bei seinem fragwürdigen Charakter mir anmerken lassen durfte. Ja, was ward nicht alles zusammengelogen, und wie wirr wurden dadurch die verschiedenen, unorientierten Meinungen verschoben. Was in den Briefen stand, die aus der Heimat an uns — oder nur von mir zu reden — an mich gelangten, klang oft so ärgerlich unecht. Da wurde ich wegen der mir drohenden Gefahren beklagt, da wurde von furchtbaren Völkermorden und vom Haß gegen England gesprochen. Wieviel trauriger fand ich die kleinen Falschheiten, Schmeicheleien und Eifersüchteleien unter uns selber. Wir Seeleute haßten die Engländer nicht. Wir hatten früher in scharfer, aber ehrlicher Konkurrenz mit ihnen gestanden, und jetzt suchten wir sie selbstverständlich soviel als möglich zu schädigen, aber wir achteten sie, und soviel bekannt ward, bezeugten wir den Gefangenen oder Schiffbrüchigen dieselbe Ritterlichkeit und Hilfsbereitschaft, die die Engländer uns gegenüber bewiesen. Hüben wie drüben gab es Ausnahmen oder Verkennungen, und die wurden durch Irrtümer entstellt, und aus dem Entstellten machten dann Leichtgläubigkeit oder Verlogenheit etwas folgenschwer Schlimmes.

      Das Barometer fiel. Unsere kleinen Schiffchen rollten und jumpten schon toll genug. Das Siegfriedgeschwader passierte uns, aber diese schweren Küstenpanzer, deren Typ längst veraltet war, weil er dem Feinde zu viel Zielfläche bot, trotzten dem Wetter viel leichter als wir.

      Die wilde »Blexen« rief mir Erinnerungen an Sturmfahrten auf ähnlichen Kauffahrteischiffen wach; besonders gedachte ich eines kleinen englischen Fischdampfers, auf dem ich als Matrose eine derbe, erlebnisreiche Zeit verlebt hatte. Jetzt galt unsere Besorgnis besonders den Ankerketten, beziehungsweise Schiffstauen. Es war schon verteufelt kalt. Ich wollte mich vor dem Winter abhärten und trug darum noch die Brust frei. Aber wenn ich so neben dem Kommandanten auf der Brücke am Telegraphen stand und durch die geöffneten Klappfenster der heulende Nordwest und von Zeit zu Zeit ein harter Schwall Wasser herein, über uns und in meinen Hemdausschnitt drang, dann war das recht ungemütlich.

      Auf den Sturm folgte Nebel, das rechte Wetter für englische Vorstöße. Wir hörten alsbald von Helgoland her heftiges Schießen. Sofort verschwand die Vorpostenkette unserer Schlachtschiffe, die bis zur Weser hin sichtbar waren. Aber sie kehrten enttäuschend bald zurück.

      Ein paar Tage später gab es eine Sturmnacht, da hatte »Blexen«, von Wilhelmshaven kommend, in der Dunkelheit den Weg verfehlt und mußte schließlich, nicht wissend wo, vor Anker gehen. Wir schliefen zu Unrecht mit bösem Gewissen, aber mit Recht sehr schnell ein. Ich hatte die erste Wache. Ein Gewitter blitzte über uns. Ein Scheinwerferstrahl — vermutlich vom »Glückauf« — strich über die grollende See und blieb sekundenlang auf uns haften, was auf mich so wirkte, als hätte der Sperrkommandant »Aha!« gerufen. Dann verzogen sich die dunklen Wolken; Blinkfeuer und die Konturen verstreuter Schiffe wurden wahrnehmbar. Dann traten die Sterne deutlich hervor, und in Südsüdost zeigte sich ein langgeschweifter Meteor.

      Schon wenige Tage danach erlebten wir vor der Geniusbank einen Sturm, der alle bisherigen an Stärke übertraf, und mit dem, wie wir beobachteten, auch die größten Schiffe schwer zu ringen hatten. Wir steckten an Kette heraus, was wir nur hatten, aber die langen Wellen strafften sie, und dann knackte es unheilvoll. Bei uns an Bord warteten drei erkrankte Matrosen, die an Land zum Arzt sollten. Sie sahen hundselend aus, aber wir konnten sie nicht loswerden; es war unmöglich, sich bei solchem Unwetter einem andern Schiff zu nähern. Wir waren alle käsebleich und ernst. Meer und Himmel schienen ein einziges, wogendes, zischendes, heulendes Grau. Immer wieder waren wir sekundenlang ganz in Wasserwirbel gehüllt. Wir hielten aus. Wir mußten ja aushalten. Wir sangen sogar auf der Brücke und auf Deckswache, obwohl unsere Lieder nicht so leicht fröhlich klangen, wie sie gedacht waren.

      Als Sperrschiff hißten wir bei Tag zwei aus Rohr und Draht geflochtene Kegel, bei Nacht große, farbige Laternen. Diese wurden mit Petroleum gespeist. Und sie an Deck bei solchem Sturm und Regen anzuzünden, war ein viele Schachteln Zündhölzer kostendes Kunststück und keine Arbeit für Nervöse.

      Es drohte die Gefahr, daß wir auf die Bank trieben. Wir sahen ununterbrochen angestrengt nach allen Seiten aus. Tatsächlich veränderte sich, nach den wenigen Bojen, die wir peilen konnten, unsere Lage СКАЧАТЬ