Als Mariner im Krieg. Joachim Ringelnatz
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Название: Als Mariner im Krieg

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Wir hatten Schweinebraten zu erwarten, aber nun behaupteten unsere Leute: das Schwein sei der Koch selber, den Braten habe er selbst gefressen, und wir bekämen — wie immer — nur Gewürznelken vorgesetzt. Sie wagten nicht recht, sich beim Steuermann zu beschweren, weil dieser die gleiche Kost aß und in seiner Gutmütigkeit nichts monierte. Da fuhr denn ich mit einem berechtigten Donnerwetter in den frechen, ferkelhaften Apfelbaum.

      Aber auch den Steuermann sah ich an diesem Abend einmal sehr böse, weil der kopflose Werftbürokratismus uns noch lange keine Ruhe gab, indem er die »Blexen« ganz sinnlos von einem Liegeplatz zum andern verholen ließ. Ich stahl vorher noch ein Stahltau, einen Handschrubber und ein Waschbrett von »Konkurrenz«, für »Blexen« wertvolle Gegenstände.

      An Land fand ich viel Post vor. Ein Telegramm von meinem geliebten Freunde Dolch. Tante Selma schrieb unter anderem, ob ich nicht einmal ihren Vetter, Herrn Marineintendanturrat Hugo Bruhn, Kirchreihe 27 in Rüstringen aufsuchen möchte. Was mochte wohl ein Intendanturrat sein? Aber vielleicht konnte er mir dazu verhelfen, daß ich bald auf ein größeres Schiff, ich meinte, früher in Gefahr und Abenteuer käme. Denn dieser Wunsch beherrschte mich unentwegt, und ich war gerade drauf und dran gewesen, unvorschriftsmäßiger- und strafbarerweise mich deswegen direkt auf einem Panzerschiff zu melden.

      Pfeiffer war wieder nicht in der Kaserne, hatte mir auch keine Nachricht hinterlassen, was mich sehr verstimmte, weil ich doch kein Geld besaß und deswegen den weiten Weg von der Werft her zu Fuß zurückgelegt hatte. Ich suchte ihn nun in allen Kneipen, fand ihn schließlich und machte ihm Vorwürfe. Er gab mir fünf Mark. Wir stießen an, speisten reichlich, betranken uns mit andern Matrosen, und alles war gut. An Bord schrieb ich dann noch Tagebuch und wusch meinen Exerzierkragen, der morgen beim Herrn Intendanturrat meine Anständigkeit herausreißen sollte. Denn an meinen schwieligen Händen und dem fleckigen Anzug war nichts zu ändern, und auch die Stirnfalten meiner plumpen Bordschuhe ließen sich nicht glätten.

      Danach ging ich glücklich allein und darüber alle Müdigkeit vergessend meine Nachtwache an Deck. Ich aß ein Brot mit kalter Kartoffel belegt. Der Vollmond sah zu. Auf »Glückauf« warfen Sonnenbrenner ihr Grell auf hämmernde, schweißende und zimmernde Leute. Anderswo brannte ein Schmiedefeuer. Dazwischen und drum herum glitten durch tiefes Dunkel noch tiefere Schatten. Trotz des Dröhnens und Knatterns der Hämmer herrschte doch gleichzeitig Ruhe, und mitunter drangen sachliche Rufe vom anderen Ufer des Bauhafens herüber, die aus irgendwelchem Grunde so schön und auch traurig klangen.

      Den Sonntag genossen wir hauptsächlich im Nichtstun. Ich hatte noch einen Piratenzug nach »Konkurrenz« unternommen und verschiedene Schüsseln sowie Farbe und Pinsel ergattert. Dann legte ich mich ins Ruderhaus auf den Lampenkasten, deckte mich mit der Flagge Otto zu und politisierte mit den Kameraden. Meine Kameraden waren der Meinung, wir würden spätestens zu Weihnachten wieder bei Muttern sein. Ich behauptete dagegen, daß sich der Krieg und die Friedensverhandlungen mindestens bis März hinziehen würden. Wir einigten uns schließlich in der Resolution, daß wir alle nichts wissen könnten und dumm wie Bohnenstroh wären. Dann besuchten uns ein paar Leute eines anderen Bootes. Die berichteten von belgischen Greueltaten und von zwei deutschen Fischdampfern, welche sich losgerissen hatten und auf ein Minenfeld geraten waren. Dann brachte die Postordonnanz mir ein langes Telegramm von Eichhörnchen sowie ein Paar gestrickte Pulswärmer aus einem Eisenacher Mädchenpensionat. Dann beschwerte sich die Mannschaft bei mir über den Koch, der von Bord gegangen war, ohne für Mittagessen und Kaffee zu sorgen. Ich brach die Kombüse auf und verteilte mit großen Händen, was ich an Speck und anderem fand.

      Zum Abendessen war ich von Herrn Intendanturrat eingeladen. Darauf freute ich mich, denn ich hatte lange nicht mich mit einem gebildeten Menschen unterhalten. Herr Bruhn sah aus wie eine vertrocknete Kartoffel, war ein pedantischer und nervöser Junggeselle und bewohnte ein ostasiatisch möbliertes Häuschen. Während ich, im unklaren darüber, ob beziehungsweise wie weit ich ihm gegenüber mich militärisch benehmen müßte, sehr wenig und unsicher sprach und das Tischtuch mit Suppe bekleckste, erklärte er mir seine dienstliche Tätigkeit. Verwaltungsgeschäfte, die Ankauf, Schlachten und Verkonservierung von Viehherden, Abfindung von Hinterbliebenen der Kriegsgefallenen, Verbuchung des mit Schiffen versunkenen Materials und Ähnliches betrafen.

      Das Leben zwischen Tauwerk, Masten und Schiffseisernem war mir eigentlich doch recht schnell wieder zur Gewohnheit geworden. Viele in Jahren vergessene Kenntnisse und Fertigkeiten waren mir mit eins wieder aufgelebt. Wir arbeiteten mit höchstem Eifer, denn »Blexen« sollte nun wirklich bald auslaufen und mußte bis dahin in sauberem und seetüchtigem Zustand sein. Da gab es die langwierigsten Laufereien, um einen kleinen Docht für die Lampe des Maschinentelegraphen zu besorgen. Überhaupt war das Schwierigste, die zuständige Werkstatt oder das richtige Lager in der Werft zu ermitteln und die erforderlichen Ausweispapiere und Auslieferungsstempel zu erhalten. Aber wenn das geglückt war, erhielt man auch die herrlichsten Dinge oder wurden die kompliziertesten Gegenstände in zauberhafter Geschwindigkeit hergestellt. So erhielt unser Koch einen großen, verzinkten Proviantspind, der für jede Köchin eine Seligkeit bedeutet hätte. Apfelbaum versaute diese Seligkeit im Nu.

      Jessen bemalte sein Schiff außenbords und innenbords. Der Obermaat polierte seine Kanone wie ein Kleinod. Ich machte aus dem Ruderhaus ein Schmuckkästchen, und zwar ziemlich allein, denn mein Dienstmannmatrose begleitete die Arbeiten mehr mit akademisch sein sollenden Reden. Ich strich die Wände weiß, machte das Ruderrad und die Holzvertäfelung mit Leinöl und Schellack glänzend und putzte Messing, Zink und Glas. Das Material dazu erbettelten oder besorgten wir in den Werkstätten und auf fremden Schiffen. War ich anfangs enttäuscht, weil der Kommandant niemals meinen Eifer lobte, so merkte ich doch bald, daß er in seiner verschlossenen Art überhaupt nie, weder für noch gegen, mehr als das Notwendige sprach.

      Als wir Maate die Zimmermannsspuren aus der Messe entfernt hatten und ich meinen Spind und meine Koje tadellos sauber eingerichtet wußte, da fühlte ich mich im Bereich dieses Doppelbesitzes viel glücklicher als je zuvor in der vornehmsten Behausung.

      Wer von uns noch Geld besaß, versorgte sich nun auch mit Privatvorräten, mit Schnaps, Kau- und Rauchtabak. Ich hatte aber kein Geld mehr. Nach dem Inhalt einer Karte von meinen Eltern hatten mich eine Postanweisung und mehrere Briefe verfehlt, irrten wer weiß wo herum oder waren unterschlagen.

      Unser Dampfkessel war repariert und geprüft, »Blexen« war bereit zum Auslaufen.

      In See auf »Blexen« und »Vulkan«

      Nun lag unser Boot draußen verankert auf Vorposten. Ich hockte in einer schmierigen Hose und mit beschmierten Händen auf meiner Koje unter der Back und badete mein Herz in einem achtundzwanzig Seiten langen Brief von Eichhörnchen. Auf dem Tisch flackerte eine Kerze, die ich durch den aufrecht gestellten Sozialen Volkskalender von 1913 nach zwei Seiten abgeblendet hatte. Denn nicht das zarteste Lichtscheinchen durfte aus dem Schiff dringen. Ich dachte dann sehr deprimiert daran, daß ich wohl nun den ganzen Krieg über auf diesem harmlosen Sperrfahrzeug zubringen würde, ohne je an den Feind zu kommen. Vorläufig war allerdings alles, was ich bei viel Arbeit und wenig Schlaf sah, verrichten und lernen mußte, eigenartig und interessant. Und mit der Kasernen- und Werftzeit verglichen ein guter Fortschritt. Ich war auch im großen und ganzen zufrieden, als ich so auf meiner Seegrasmatratze schaukelte und Eichhörnchens überschwengliche, innige Reden las, die das Postboot abends in unsere kalte, rauhe oder rohe Abgeschiedenheit gebracht hatte.

      Dann ging ich mit dem naseweisen, schlanken Matrosen Eichmüller Deckswache. Er an Steuerbord, ich an Backbord. Wir mußten auf alle ein- oder auslaufenden Schiffe aufpassen; besonders befürchtete man feindliche Torpedoboote und Unterseeboote. Den sich nähernden Schiffen hatten wir mit vielfachen Anrufen, unter Anwendung vielfacher Apparate auf den Zahn zu fühlen. Laternen, Raketen, Blink- und sonsterlei Signale kamen in Betracht. Dabei war die Wasserfläche in weitem Umkreis, unsere Ankerkette, waren Bänke, Bojen, Strömungen, Minen, Kompaß, Wind, Schüsse von draußen und Mitteilungen anderer Schiffe zu beachten, die in gewisser СКАЧАТЬ