Als Mariner im Krieg. Joachim Ringelnatz
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Название: Als Mariner im Krieg

Автор: Joachim Ringelnatz

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Forts waren leicht zu alarmieren, und unsere Kanone blieb immer schußbereit. Der Wachtdienst machte mir das meiste Vergnügen.

      Sonst mußte ich viel herumlaufen, bald auf die Brücke klettern, bald hier oder dort die Leute kontrollieren, die zum Teil wenig seemännische Erfahrung hatten oder sich gern um die Arbeit drückten; dann wieder an den Maschinentelegraphen oder an die Flaggen oder an Bord von anderen Fahrzeugen, die längsseits kamen, um irgendwas abzugeben oder überzunehmen.

      Tag und Nacht abwechselnd vier Stunden Dienst, vier Stunden Schlaf. Aber in die Schlafzeit fielen die Mahlzeiten, das Sichwaschen, die Zeugwäsche, das Zeugflicken, überhaupt alle privaten Angelegenheiten. Es war gerade kein einfacher Dienst. Schon was wir in bezug auf Signale und Vorschriften in kurzer Zeit beherrschen sollten, kam mehreren Sprachen gleich.

      Ich war meiner Augen wegen sehr in Sorge. Ich sah keineswegs schlecht, aber ich sah nicht so scharf in die Ferne, wie die meisten von uns. Wenn ich neben dem Kommandanten auf der Brücke oder neben Stuben, unserem besten, erfahrensten Seemann, am Ruder stand und ein auftauchendes Schiff später entdeckte als sie, dann war ich ganz unglücklich. Denn ich hütete mich, diese Augenschwäche einzugestehen und riskierte lieber, für unachtsam zu gelten, weil ich die übertriebene Angst hegte, man könnte mich nachträglich für borddienstuntauglich erklären. Dabei ersetzte ich durch verdoppelte und begeisterte Aufmerksamkeit zweifellos das Manko meiner Sehkraft.

      Das Schwein, den Koch Apfelbaum, wurden wir endlich los; wir vertauschten ihn gegen einen neuen Koch, nachdem er zum Schluß noch den größten Teil unserer Kantinengelder versoffen hatte. Von mir war er einmal darüber ertappt worden, wie er Rotkohl in der Kaffeemühle zerkleinerte, da hätte ich beinahe wieder ein gutes Wort für ihn eingelegt.

      Kaum waren meine gequetschten Finger wieder heil, so fiel ich, als wir das Schiff zu der gefürchteten Kohlenübernahme herrichteten, in eine Bunkerluke und prallte so heftig auf, daß mir eine Zeitlang übel war. Da ich aber im übrigen mit einigen Schrammen davonkam, so war ich zufrieden, auf anständige Art vom Kohlen ausgeschlossen zu sein. Schlimmer stand es um mein Fußleiden, seitdem ich oft stundenlang in nassen Schuhen und Strümpfen stak.

      Durch den Lotsen erfuhren wir Neuigkeiten, darunter die Geschichte von den Deutschen, die sich gefangen auf einem englischen Boot befanden, das auf eine von ihnen gelegte Minensperre lief, die aber nicht warnten und nichts verrieten, sondern sich opferten. »Blexen« löste sich mit den anderen Booten ab. Waren wir heute Vorpostenboot, so lagen wir morgen als verfügbares Freiboot neben »Glückauf«, und übermorgen waren wir vielleicht inneres oder äußeres Sperrschiff. Manchmal gab es Eßzulagen, für jedermann ein Stückchen Sülzwurst. Oh! Und immer wieder wurden Übungsstunden im Signalisieren angesetzt. Das Winken machte mir Spaß. Ich beherrschte den einen Teil davon, das Geben, so gut, daß ich mir sogar eine Geheimschrift daraus konstruierte, mit der ich von nun an in meinen Tagebüchern zensurbedrohte Notizen schrieb. Aber gegen das Morsen nahm ich eine Abwehrstellung ein, wie etwa gegen Stenographie, die mir ebenfalls als eine seelenlose, langweilige und zeitvergeudende Angelegenheit vorkam.

      Ich hielt Eichmüllern eine pädagogische Rede: er sollte doch sein rabautziges Wesen lassen und nicht über alles und jedes nörgeln, er sei doch der Jüngste. Eichmüllern schienen meine Ermahnungen seltsam nahezugehen. Er sackte wie zerknirscht zusammen und gluckste und druckste, als ob er in Tränen ausbrechen wollte. Aber plötzlich merkte ich, daß er nur seekrank war. Ich ließ den komischen Teufel ablösen und durfte mich selbst ein paar Stunden schlafen legen, allerdings in Kleidern. Wir lagen dicht am Minenfeld. Der Wind stand dorthin, so daß wir, wenn das Tau riß, mit dem wir am Dampfer »Seeadler« hingen, wahrscheinlich bald gen Petrus geflogen wären.

      Ich wollte indessen nicht schlafen. Der leitende Maschinistenmaat, den wir um seine Einzelkabine beneideten, bot mir zwei Rudolf-Stratz-Bände an, die einzigen Bücher an Bord. Ich zog aber vor, Briefe zu beantworten. Alle, die mir schrieben, verlangten ausführliche Antwort, ohne zu ahnen, wie wenig Zeit wir dazu hatten, und wie schwierig es war, bei der schlechten Beleuchtung in gebückter Haltung und womöglich im Geschaukel des Seegangs mit plumpen Hornhänden Briefe zu schreiben.

      Meine Eltern bat ich, mir Streichhölzer, Wurst, Zwirn und Malzbonbons zu senden. Die Wellen klatschten an die Bordwand. Jessen und der Obermaat schnarchten und dünsteten. Ein in meiner Tinte ersoffener Kakerlak geriet mir in die Feder. Ich klebte ihn auf mein Ölzeug, das neben meiner Koje seemännisch duftete. Die nächste Deckwache im Regen würde ihn ins Meer befördern. Dann erwachte der Obermaat über mir und schimpfte. Die Decksbohlen waren nicht dicht, und so fiel ihm von Zeit zu Zeit ein Wassertropfen ins Gesicht. Das Schiff schweute. Wind und See schwollen an.

      Abermals nahm ich Eichhörnchens Brief vor. Aber an gewissen Stellen, wo sie vom Krieg und von deutscher Unbezwingbarkeit und Ähnlichem sprach, wich meine Meinung allzusehr von der ihrigen ab, und da ich wußte, daß in diesem Punkte mit ihr ebensowenig zu disputieren war wie mit meinem Vater, und weil ich mich außerdem nach strengster Vorschrift in Briefen oder Tagebüchern über so etwas nicht auslassen durfte, so legte ich mein Schreibzeug beiseite und schickte mich an, eine Unterhose zu flicken. Doch gewisse Geräusche veranlaßten mich, an Deck zu eilen. Ein Fairplaydampfer legte an. Laute Rufe — eine Wurfleine flog zu uns — Gischt spritzte auf — Korkfender quietschten — und eine Order wurde herübergereicht. Wir sollten morgen Routineboot sein. Sehr angenehm, denn da kamen wir auf ein paar Stunden in den Hafen.

      Es ward Sturm. Hohe Wellen warfen uns unterwegs hin und her und schlugen über Deck. Da war es nicht so einfach, bei den anderen Schiffen anzulegen, denen wir Wasser, Proviant und Post besorgten. Einmal stieß denn auch »Blexens« Nase mit einem peinlichen Bums auf »Seeadler«. Der Maat in der Maschine behauptete, ich habe den Telegraphen falsch bedient. Ich behauptete, er habe volle Kraft vorwärts statt rückwärts gefahren. Der Steuermann erteilte einen Rüffel so diskret, daß dieser wie an eine dritte unbekannte Größe gerichtet schien. Wir hatten Löhnung erhalten, und ich fand im Hafen Gelegenheit, vier Stücke Zwetschgenkuchen mit Schlagrahm herunterzuschlingen und auf heimlichen Umwegen Verschiedenerlei für mich und meine Kameraden einzukaufen. Als ich einem Offizier auf Sperrschiff »Franz« eine Bestellung überbrachte, lag auf dem Tisch dort eine Nummer der »Jugend«. Ich nahm die Hacken zusammen und sagte militärisch: »Ich bitte Herrn Leutnant um die ›Jugend‹.«

      »So?« sagte er erstaunt. »Sonderinteressen? Na dann nehmen Sie sie.«

      Auf der Rückfahrt begegneten wir der einlaufenden Flotte. Voran fuhr »Markgraf«, ein neues Schiff, das seine Probefahrt machte und vorläufig nur mit Zivilisten besetzt war. Deshalb dippte es sogar vor uns die Flagge. Wir betrachteten die Panzer mit Sachkenntnis und Neugier, zählten die Geschütze, lasen die auf und nieder sausenden und hin und her springenden Signale ab und stellten fest, daß sich der Admiral Lanz auf der »Ostfriesland« befand. Die Flotte unternahm jetzt öfters Ausflüge, offenbar zur Beruhigung der Bevölkerung. Auch mußten die nichtansässigen Frauen und Bräute Wilhelmshaven verlassen.

      An Deck von »Seeadler« wuschen sich von der Abendsonne vergoldet lauter nackte, tätowierte Leute, welche dabei die Lorelei sangen.

      Wir dampften sofort weiter auf Vorposten. Der Sturm nahm weiter zu. Wir versteckten uns, wo es anging, vor den überschießenden Wassern hinters Ruderhaus, und einmal liefen wir auf Grund. Es war aber Sand, wir kamen wieder frei. Dann: Lampen klar! — Loten! Wieder loten! — Fall Anker! Stuben ward dabei ein nettes Stück Fingerfleisch abgequetscht. Ich verband ihn sauber, und um mich etwas wichtig zu machen, träufelte ich, weil ich in der Apotheke nichts Besseres fand, etwas Hoffmannstropfen auf die Wunde.

      Nachts auf Wache empfand ich dankbar, wie viel zu gut es mir erging, während mich meine Angehörigen bedauerten. In solcher Stimmung redete ich herzlich auf den ewig griesgrämigen Eichmüller ein und traktierte ihn mit Wurst und Zigaretten. Gespenstische Schatten, Torpedoboote, huschten vorbei, darauf glitt ein schmaler Silberstreifen durchs Wasser mit einem Turm.

      Wir СКАЧАТЬ