Название: Eine Reise ins Nichts
Автор: null Rahek
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738025408
isbn:
„
Chronik der Weltgeschichte
“, stand auf dem abgegriffenen Einband.
Interessiert blätterte Gustav in den Seiten. Dazwischen lagen einige handgeschriebene Zettel. Irgendwer hatte sie in die Buchseiten gesteckt.
Die ersten Blätter waren einfache Rechnungen und Steuerlisten deutscher Klöster. Sie sahen sehr alt aus. Doch ein Pergament war dabei, was anders war. Gustav war hypnotisiert von dem Inhalt.
Eine in Hamburg 1699 verfasste Handschrift schilderte einen bemerkenswerten Hirschabschuss. Es geschah im Jahre 1696, als der Brandenburgische Kurfürst
Friedrich III.
in einem Wald nahe dem märkischen Dorf Briesen diesen Hirsch erlegte. Das Tier hatte 66 Enden am Geweih und galt als kapitalstes Tier aller Zeiten. Gustav las die historische Schrift und bebte vor Aufregung.
Er kannte diese Geschichte und in Briesen verbrachte er einen Teil seiner unbekümmerten Kindheit. In dem unscheinbaren Dorf lebte damals seine Urgroßmutter und dort waren seine Eltern und er regelmäßig als Feriengäste. Und jetzt entdeckte er hier in Florenz eine alte Weltchronik und eine historische Originalhandschrift über den legendären „
Briesener 66-Ender“
.
Gustav hatte sein ganzes Leben lang großartige Bücher gesammelt und besaß inzwischen eine eigene kleine Bibliothek. Doch dieses Buch, mit den losen Handschriften im Inneren, war ein richtiger Schatz, eine echte Rarität. Er klappte das schwere Buch zu und achtete darauf, dass die interessanten Pergamente im Buchinneren versteckt blieben.
Der alte Ladenbesitzer warf nur kurz einen Blick auf den Einband und sagte gelangweilt:
„Ist ziemlich alt. 40 Euro!“
Gustav bezahlte sofort und verließ glückselig und sehr aufgeregt die staubige Buchhandlung. Er hatte ein prächtiges Geschäft gemacht.
Vermutlich hatte der Händler wenig Interesse an deutschsprachigen Büchern und war schlichtweg ahnungslos über den tatsächlichen Wert.
Er sah nicht den seltsamen Blick des alten Buchverkäufers, dessen blasse Gestalt durch das Fenster schimmerte.
Ramona saß schon im Restaurant und schlürfte einen Espresso.
„Hast du was gefunden?“, fragte sie erstaunt, als Gustav das schwere Buch auf den Tisch legte. Wie ein aufgedrehtes Kind am Weihnachtsabend erzählte er seine Geschichte über die alten Handschriften zwischen den Buchseiten. Dabei streichelte er voller Hingabe seine „
Chronik der Weltgeschichte
“.
Ramona lächelte milde, denn auch sie mochte Bücher.
„Du bist närrisch! Wahrscheinlich sind es nur Handnotizen eines kundigen Lesers der Weltgeschichte. Achtlos im Buch liegengelassen. Vielleicht sind sie gar nicht alt und einfach nur unbedeutend und wertlos?“, sagte sie, nahm vorsichtig das Buch und öffnete es.
Gustav sah ihr gespannt zu und flüsterte:
„Zwischen den Seiten 388 und 389!“
Kurz darauf zog Ramona die Handschrift hervor und betrachtete das handgeschriebene Blatt aufmerksam. Sollte es wirklich aus dem Jahr 1699 sein, dann wäre es ungewöhnlich gut erhalten. Keine Einrisse, kaum Verschmutzungen und keine Spuren von Säureflecken.
Sie teilte Gustav ihre Beobachtungen mit und hoffte gleichzeitig, dass er keine allzu große Enttäuschung erlebte.
„Du hat Recht, mein kleiner Hasenpups. Aber vielleicht liegt die Handschrift schon Jahrhunderte in diesen Seiten. Damit wäre es vor Licht und Zerfall geschützt. Säurefraß war erst im 19. Jahrhundert ein Problem, da in der Papierherstellung Chemikalien benutzt wurden. Ursprünglich wurde Papier nur aus Holz hergestellt, ohne Chlor und dem ganzen Zeug. Aber die Tinte fraß sich in das Papier und war früher schwarz und nicht blau. Der Text wurde mit einem Gemisch aus Ruß und Öl geschrieben und ist sehr alt.
Und die Schrift stammt ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert, so wie die Schreibweise.“, erklärte er aufgeregt.
Beide schauten auf das alte Dokument.
„Sieh! Das Wort Kurfürst wurde statt mit einem „
K
“ noch mit „
C
“ geschrieben, ein „
ie
“ gab es noch nicht und wurde nur als „
i
“, das „
t
“ meist als „
th
“ geschrieben…“
Ramona lauschte aufmerksam.
„Und noch ein wichtiges Detail. Der alte Kurfürst krönte sich selber 1701 zum ersten Preußenkönig. Danach nannte er sich nur noch
Friedrich I.
und so wurde er auch immer rückblickend genannt. Unsere Handschrift berichtet jedoch vom Kurfürsten
Friedrich III.
und wurde vor 1701 verfasst!“
Ramona nickte schweigend.
„Nun könnte es auch eine moderne Abschrift eines Dokumentes sein. Dennoch ist das Papier eindeutig alt und die Tinte auch. Vielleicht eine bewusste Fälschung? Warum sollte jemand soviel Mühe verwenden? So ein Text ist öffentliches Gut und kein Geheimdokument aus
Dan Browns
Romanen. Es gibt zahllose Abhandlungen über dieses Ereignis. Ich denke, dass es ein echtes Original ist und es wurde 1699 geschrieben. Leider ohne Namen und Unterschrift.“, erklärte er.
Gustav klappte das Buch mit Genugtuung zu, nahm Ramonas Hand und grinste zufrieden. Er würde das mysteriöse Schriftstück später noch richtig untersuchen und vielleicht gab es noch weitere Geheimnisse.
Nach dem Abendessen trafen sich beide im Zimmer von Gustav. Er hatte irgendwoher eine Kerze besorgt und angezündet, Italienischen Wein entkorkt und sein Bett als Sitzmöbel umfunktioniert. Die Beleuchtung hatte er gedämmt und den lokalen Musiksender eingestellt.
Ramona СКАЧАТЬ